22.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 161 / Zusatzpunkt 9

Carl-Julius CronenbergFDP - Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Betriebsratsarbeit ist ein Ehrenamt. Daran halten wir fest. Das soll so bleiben. Ganz grundsätzlich ist die betriebliche Mitbestimmung – der Minister hat dazu ausgeführt – seit 100 Jahren eine tragende Säule gelebter Sozialpartnerschaft in Deutschland. Und das ist gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit das so bleibt, legen wir heute ein Gesetz vor, das Rechtsunsicherheiten und Unklarheiten in Fragen der Betriebsratsvergütung aus dem Weg räumt; auch das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Gesetzentwurf stützt sich dabei auf eine Empfehlung des ehemaligen Präsidenten des Bundessozialgerichts Professor Dr. Schlegel, der ehemaligen Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Frau Ingrid Schmidt und des Direktors des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit in Bonn, Professor Dr. Thüsing. Und er wird getragen – und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für uns Freie Demokraten besonders wichtig – von der positiven Bewertung der Sozialpartner. Denn was Arbeitgeber und Gewerkschaften gutheißen, das muss der Gesetzgeber nicht übersteuern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Gelebte Subsidiarität führt zu Rechtsfrieden in den Betrieben und macht vertrauensvolle Zusammenarbeit, zu der § 2 Betriebsverfassungsgesetz auffordert, überhaupt erst möglich.

Wo steht eigentlich die Union? Öffentlich habe ich jedenfalls bisher nichts gehört.

(Zurufe von der CDU/CSU: Zuhören!)

Nun, es ist das Privileg der Opposition, sich nicht zu jedem Thema, nicht einmal zu jedem wichtigen Thema, verhalten zu müssen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Der politische Preis für Opposition wird mit Machtverlust teuer bezahlt.

(Peter Aumer [CDU/CSU]: FDP!)

Aber ungeachtet dessen, ob man zum Thema überhaupt eine eigene Position hat oder ob Schweigen vielleicht Ausdruck von Ratlosigkeit oder Desinteresse sein könnte: Diese Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie sich schon gefallen lassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Spekulieren wir nicht, sondern blicken wir auf das, was auf dem Tisch liegt. Die Frage, wie hoch die Vergütung für Betriebsräte denn nun sein soll, ist knifflig. Es geht – Frank Bsirske hat dazu ausgeführt – um die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsräte. Sie dürfen aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Betriebsrat weder begünstigt noch benachteiligt werden. Nur so ist sichergestellt, dass Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgebern nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Vorteile beeinflussbar sind. Nur so ist sichergestellt, dass das Ehrenamt Betriebsrat attraktiv bleibt und nicht zum Karrierekiller wird. Nur so ist sichergestellt, dass die hohe demokratische Legitimation der gewählten Betriebsräte einerseits und ihrer Vereinbarungen als fairer Interessenausgleich mit dem Arbeitgeber andererseits gewährleistet ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die Leitplanken für eine Konkretisierung von § 2 Betriebsverfassungsgesetz, der da lautet: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten … vertrauensvoll … zusammen.“ So weit, so gut.

Wie jedoch setzt man das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot gleichermaßen um? Welche Laufbahn im Betrieb wird angenommen? Genau das war in der Vergangenheit oft die Herausforderung. Ja, das Betriebsverfassungsgesetz sieht schon heute vor, dass das Arbeitsentgelt nicht unter dem vergleichbarer Beschäftigten liegen darf. Nur, wie hoch soll es denn unter der Maßgabe einer betriebsüblichen Entwicklung sein? Darüber bestand Rechtsunsicherheit, nicht zuletzt weil es in Einzelfällen zu erstaunlichen Auswüchsen gekommen war. Diese Unsicherheiten räumen wir nun aus, indem wir die gesetzliche Möglichkeit schaffen, dass Arbeitgeber und Betriebsrat selbst im Rahmen einer Betriebsvereinbarung das Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Damit reduzieren wir Risiken für redlich handelnde Arbeitgeber, ohne Betriebsratsrechte einzuschränken. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist angewandte Subsidiarität, und das ist gut.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese kluge Herangehensweise wünsche ich mir im Übrigen auch von der Europäischen Kommission, beispielsweise bei der Novellierung der Richtlinie über einen Europäischen Betriebsrat. Ich bedauere ausdrücklich, dass die Von-der-Leyen-Kommission das Subsidiaritätsprinzip leider oft missachtet

(Zuruf des Abg. Peter Aumer [CDU/CSU])

und ihre Kompetenzgrenzen überschreitet. Im Vorfeld der Europawahl sage ich: Brüsseler Übergriffigkeit schadet Europa. Unser Europa soll für mehr Freiheit stehen statt für mehr Bürokratie oder Bevormundung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Krieg und Krisen fordern Wirtschaft und Gesellschaft in besonderem Maße heraus. Krieg und Krisen erfordern auch eine Wirtschaftswende. Ja, die Transformation wird anstrengend. Aber wir können Strukturwandel, nicht zuletzt wenn und weil die Sozialpartner vertrauensvoll zusammenarbeiten. Damit das so bleibt, stärken wir heute das Betriebsverfassungsrecht und die gelebte Sozialpartnerschaft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Jan Dieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609253
Wahlperiode 20
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
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