Alexander MüllerFDP - Sicherung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die freiheitlichen Demokratien in der Welt stehen unter Druck. Autokraten in dieser Welt bedrohen uns. Sie rüsten auf, sie greifen unverhohlen an. Wenn wir unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen wollen, unsere Art, zu leben, verteidigen wollen, auch unsere Meinungsfreiheit, unsere Demokratie, das System der Marktwirtschaft, unsere Friedensordnung, unsere Seewege, dann müssen wir uns anders aufstellen und müssen in der Tat etwas für unsere Verteidigungsindustrie tun.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen eine starke Bundeswehr. Wir brauchen aber in Deutschland und in Europa auch eine starke Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Das ist notwendig, um nach außen ein klares und deutliches Signal zu geben. Dafür brauchen wir auch eine starke Zusammenarbeit in Europa; das ist hier ja auch schon angesprochen worden. Wir brauchen in Europa mehr Kooperation in der Rüstungsindustrie.
Nehmen wir nur mal die Kampfflugzeuge, die hier in Europa in unseren Armeen unterwegs sind – und das alles in verschiedenen „Geschmacksrichtungen“ –: Das ist der Tornado, der Eurofighter, das ist die Dassault Rafale, der Saab Gripen; dann haben wir F-15, F-16, F-35, F-18 und noch die alten Sowjetmodelle Suchoi und MiG. Bei den Panzern das gleiche Bild: Da haben wir den Leopard, den Leclerc, den Challenger, den Abrams, den Ariete; jetzt kriegen wir noch den südkoreanischen K2 dazu und haben die alten russischen Typen. Das ist ein riesiges Feld von verschiedenen Typen. Dort müssen wir dringend konsolidieren und in Europa stärker zusammenarbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jede Entwicklung von so einem neuen Waffensystem kostet irres Geld, und das können wir uns in Europa nicht leisten; wir müssen da besser zusammenarbeiten. Auch wenn wir als Europäer gemeinsame Einsätze machen – und wir machen ja immer gemeinsame Einsätze –, wenn wir gemeinsame Taktiken miteinander proben wollen, wenn wir unsere Fahrer, unsere Piloten gemeinsam in Simulatoren schicken wollen, dann brauchen wir einfach gemeinsame Systeme. Und deswegen müssen wir in Europa besser zusammenarbeiten.
Aber Sie in der Union fordern genau das Gegenteil; das ist ja hier angesprochen worden. Sie wollen bewusst national die Kapazitäten ausbauen, sie wollen bewusst national beschaffen. Das ist genau der falsche Weg.
Wenn wir ein neues Waffensystem bestellen und beauftragen: Ob das jetzt in Salzburg produziert und gebaut wird oder 10 Kilometer entfernt auf deutscher Seite in Bad Reichenhall: Das sind doch dieselben Arbeiter, die da über die Grenzen rüberfahren. Wir haben eine Wirtschaftsunion in Europa. Wie kleinteilig wollen Sie es denn noch haben? Wollen Sie jetzt noch entscheiden, ob wir Schiffbau lieber in Schleswig-Holstein, in Hamburg oder in Niedersachsen machen? Das ist doch Planwirtschaft! Wir leben in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, und das sollten wir auch entsprechend handhaben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als wir – ich erinnere mich gut – vor vier Jahren eine Ausschreibung für ein Mehrzweckkampfschiff hatten, da haben – oh, Überraschung – die Niederländer gewonnen. Die hatten anscheinend einfach das beste und günstigste Angebot. Die sofortige Reaktion der Union war: Ab jetzt ist Schiffbau Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie – einfach um zu verhindern, dass andere in Europa für uns Schiffe bauen. Herr Röwekamp hat ja gesagt und gelobt und auch jetzt wieder fokussiert, dass wir so was national machen sollen. – Nein!
Und warum sollten wir das nicht national machen? Wenn wir uns selbst beschränken, wenn wir also eine Menge Anbieter haben und unser Angebot beschränken, dann ist doch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir eben nicht das beste Angebot zum günstigsten Preis für unsere Bundeswehr beschaffen, sondern aus einem reduzierten Kreis wählen und einfach viel zu viel Geld dafür bezahlen. Und wenn nachher ein deutscher Anbieter ein Preismonopol hat, dann kann er uns die Kosten aufdrücken. Das ist der ganz falsche Weg.
Dann haben Sie noch einige andere Punkte in Ihrem Antrag drin:
Sie haben die tolle Idee, wir sollten die Zulässigkeit der Direktvergabe verstärkt nutzen,
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon gemacht!)
ohne zu bemerken, dass wir das längst machen. Sie haben es aber bemerkt; denn Sie nennen das Beispiel unserer Führungsfunkgeräte. Da machen wir das zum Beispiel schon. Also, es ist eine klasse Idee, aber: Abgehakt; ist durch Regierungshandeln längst erledigt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie fordern mehr Rahmenverträge. Auch das machen wir längst. Das machen wir bei der Munition, das haben wir jetzt beim Leo 2 mit gemacht, das machen wir auch bei den Führungsfunkgeräten – alles längst Regierungshandeln. Vielleicht bringen Sie mal ein paar neue Ideen.
(Johannes Arlt [SPD]: Genau!)
Sie haben die Taxonomie erwähnt – eine tolle Idee von Ursula von der Leyen, die den Green Deal in Europa und damit auch die Taxonomie erfunden hat. Die Rüstungsunternehmen kriegen keine Kredite mehr. – Auch das ist der falsche Weg; das kann es nicht sein.
Was wir jetzt brauchen, ist eine stärkere europäische Zusammenarbeit. Wir brauchen langfristige Verträge mit der Industrie und entsprechende Kapazitäten. Wir brauchen die Entbürokratisierung der Beschaffung. Das ist genau das, was wir mit dem Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz und dem Erlass von Boris Pistorius – marktverfügbares Gerät, weniger Juristerei – machen. Das ist es, was wir jetzt brauchen.
Ich will mich zum Schluss auch noch mal bei Hans-Ulrich Gerland für die vielen Jahre bedanken, die er uns hier im Bundestag begleitet hat. Alles Gute – auch für die Wehrbeauftragte, die heute leider erkrankt ist! Überbringen Sie Ihr unsere Genesungsgrüße! Und Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt alles Gute!
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Reinhard Brandl hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 161 |
Agenda Item | Sicherung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit |