22.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 161 / Tagesordnungspunkt 16

Kristian KlinckSPD - Sicherung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! König Arthur hatte Excalibur, Boudicca hatte ihren Streitwagen, Herkules hatte sein Löwenfell. Die Kampfkraft von Soldaten und Streitkräften hängt zu einem großen Teil von ihrem Material und ihrer Ausrüstung ab. Persönliche Schutzausrüstung kann den Unterschied machen zwischen einem Soldaten, der stirbt, und einem Soldaten, der nach Hause zu den Lieben zurückkehrt. Die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, die unsere Ausrüstung produziert, ist wichtig für Deutschland. Deswegen ist es gut, dass wir heute im Bundestag über sie sprechen, aber es sollte nicht auf der Basis gröblicher Unwahrheiten geschehen, wie sie Herr Brandl eben vorgetragen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

„Wenn du den Frieden willst, rüste dich für den Krieg“, sagten die Römer. Die Neuzeit hat diesen Grundsatz differenzierter betrachtet. Doch jetzt können wir Sicherheit nur gegen Russland organisieren, und das wird uns auch gelingen. In unserem Bündnis werden wir unsere Freiheit, unsere Sicherheit und unsere Demokratie bewahren. Dafür brauchen wir eine starke Bundeswehr und eine leistungsfähige Industrie.

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich spreche nicht von einer Militarisierung. Das Ziel dieser Politik ist der Frieden. Wir müssen und wir werden so stark sein, dass uns und unsere Verbündeten niemand angreift. Somit möchte ich den Satz der Römer in unserem modernen Sprachgebrauch bekräftigen: Im Sinne des Friedens müssen wir unsere Verteidigung stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Leistungsfähigkeit der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hängt stark von politischen Entscheidungen ab. In diesem Sinne hat die Ampelkoalition Verbesserungen im Beschaffungswesen erreicht. Es sind schon viele Argumente ausgetauscht worden, was wir alles gemacht haben, wo möglicherweise auch Defizite der Vorgängerregierungen lagen. Es wurden bedeutende Fortschritte erzielt.

Wahr ist aber auch, dass es noch viel zu tun gibt. Wir brauchen den Mut zu strategischen Beteiligungen, beispielsweise in der Marinetechnik, wo wir die Möglichkeit haben, einen nationalen Champion zu schaffen. Zudem ist eine Steigerung der Industriekapazitäten von großer Bedeutung für unsere Bundeswehr und für die Unterstützung der Ukraine. Bei beiden Themen müssen und werden wir vorankommen.

Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, dass wir bei der Hilfe für die Ukraine zu mehr Gemeinsamkeit zurückkehren werden. Ich möchte zunächst bekräftigen, dass wir nicht ausschließlich in einer Kriegslogik verharren dürfen. Selbstverständlich ist es legitim, darüber nachzudenken, wie dieser Krieg beendet werden kann. Doch dabei sind Diplomatie und unsere Militärhilfe, um den Raum für Diplomatie zu öffnen, zwei Seiten derselben Medaille. Wir tun viel, und der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am Mittwoch darauf hingewiesen, dass wir noch mehr tun werden.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte, endlich!)

Deswegen sollten wir jetzt vergangene Verletzungen hinter uns lassen

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, bitte!)

und gemeinsam im Sinne der Ukraine nach vorne schauen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Alexander Müller [FDP])

Das möchte ich Ihnen als jemand sagen, den die Diskussion der vergangenen Wochen, mehr noch aber das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer persönlich betroffen macht. Die Zeit drängt. Die verheerenden russischen Angriffe gegen die zivile Infrastruktur der Ukraine, beispielsweise in der letzten Nacht, erfordern eine klare Antwort. Die Antwort kann nur in einer stärkeren Unterstützung der Ukraine liegen. Dies wiederum erfordert eine Ausweitung unserer Produktion, und da kommen wir nicht gegeneinander, sondern gemeinsam am besten voran.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch in diesem Sinne brauchen wir eine sinnvolle Industriestrategie, und deswegen habe ich mich anfänglich über den Antrag der CDU/CSU auch durchaus gefreut. Doch mit diesem Antrag lösen Sie den Anspruch, konstruktive Opposition zu sein, nicht ein. Denn im entscheidenden Punkt weigert sich die CDU/CSU, Farbe zu bekennen: bei der Finanzierung des 2-Prozent-Ziels. Hier gibt es ja durchaus Vorschläge. Die SPD-Fraktion ist der Ansicht, dass wir dazu auch über die Steuerbelastung von hohen Erbschaften und großen Vermögen sprechen müssen. Zudem ist die Schaffung von Sicherheit in Europa eine Generationenaufgabe. In der derzeitigen geopolitischen Situation ist eine strikte Auslegung der Schuldenbremse falsch.

(Beifall der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Von der CDU/CSU höre ich immer nur: „Wir müssen liefern“, und: „Die Bundeswehr muss besser ausgestattet sein.“

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Klären Sie das doch in der Koalition!)

Das verstehe ich. Aber ohne konkrete Aussagen zur Finanzierung sind das doch reine Lippenbekenntnisse. Kein Beitrag durch große Vermögen in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte und gleichzeitig keine Bewegung bei der Schuldenbremse?

Ja, der Staat muss sparsam sein; aber die für unsere Sicherheit erforderlichen Geldsummen werden wir nicht im laufenden Betrieb erwirtschaften können. Die CDU/CSU sieht den vermeintlichen Splitter im Auge des Gegenübers, aber sie sieht den Balken im Auge der eigenen Partei nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sind nämlich in dieser Frage blank, während Sie gleichzeitig einen Antrag dazu vorlegen. Da sind Sie inhaltsleer.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wer in dieser Lage die Schuldenbremse unverändert aufrechterhalten will, wie die CDU/CSU es tut, der möchte vielleicht ein Freund der Ukraine und ein Verteidiger der Demokratie sein; aber ich kann ihn oder sie nicht als einen weitblickenden Politiker bezeichnen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, niemand will eine hemmungslose Verschuldung; aber wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse. Sie können sich um diese Frage nicht länger herumdrücken, liebe CDU/CSU. Also hören Sie auf, Menschen hinter die Fichte führen zu wollen, und werden Sie mal ein konstruktiver Teil der Debatte. Denn es zeichnet sich ja eigentlich ein Weg ab, den wir gemeinsam gehen können: eine Ausweitung und Verstetigung unserer Militärhilfe für die Ukraine, parallel diplomatische Initiativen, eine Vollausstattung unserer Bundeswehr und gleichzeitig eine maßvolle Reform der Schuldenbremse. Auf diesem Weg können wir Freiheit, Sicherheit und Frieden gemeinsam erreichen.

Dass der Frieden das höchste Gut ist, wussten schon die Römer. „ Kein Heil ist im Krieg“, sagte Vergil, „den Frieden ersehnen wir alle.“

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Jetzt hat Robert Farle das Wort.

(Dr. Joe Weingarten [SPD]: Das wird jetzt ein Kulturbruch! Die Präsidentin hat den Knopf schon in der Hand!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609311
Wahlperiode 20
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Sicherung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit
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