22.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 161 / Zusatzpunkt 16

Anna KassautzkiSPD - Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schon schwer zu ertragen, wenn Sie hier vorne in diesem Hohen Hause dieses Pult benutzen, um Lügen und Hass zu verbreiten, um Unfrieden zu säen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber heute, heute hat das für mich noch mal einen neuen Charakter. Sie benutzen ein 16-jähriges Mädchen, um gemeinsam mit Ihren Buddys von der Identitären Bewegung und rechten Medien eine Hetzkampagne gegen den demokratischen Rechtsstaat zu führen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU] – Zuruf von der AfD: Zum Thema!)

Ein 16-jähriges Mädchen, das für den Rest ihres Lebens von dieser Berichterstattung verfolgt werden wird,

(Jörg Schneider [AfD]: Das wissen Sie, ja?)

und zwar nicht wegen der Polizei oder des Schulleiters, sondern wegen Ihnen von der AfD und anderen rechtsextremen Gruppen, die diesen Fall verfälschen und breittreten. Ich würde mich schämen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU] – Zuruf von der AfD: Das ist nicht verfälscht!)

Und was das für eine Hetzkampagne ist! Die AfD behauptet immer wieder, die Schülerin sei durch die Polizei aus dem Unterricht geholt oder gar abgeführt worden. Das ist gelogen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Die standen vor der Tür bei offener Tür!)

Sie wurde durch den Schulleiter herausgebeten.

(Enrico Komning [AfD]: Aus dem Unterricht geholt!)

Die Polizei war für die anderen Schüler/-innen nicht sichtbar.

(Widerspruch bei der AfD)

Die AfD behauptet, ein Schlumpf-Video sei Auslöser gewesen; einer der Gründe, warum Sie das hier so aufbauschen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Haben Sie gerade Herrn Holm zugehört? Er hat das Wort „Schlumpf“ nicht ein Mal benutzt!)

Fakt ist: Es geht nicht um Schlümpfe; es handelt sich um klar zuordbare Screenshots von mehreren Postings mit einschlägigen rechtsextremen Codes und Parolen.

(Mike Moncsek [AfD]: Das ist gelogen! – Beatrix von Storch [AfD]: Haha! – Weitere Zurufe von der AfD)

Gerade in dieser Kombination hat der Schulleiter hier völlig korrekt gehandelt: die Polizei rufen und die Hintergründe klären. Wenn ein Schulleiter unsicher ist, ob Straftaten vorliegen oder nicht,

(Beatrix von Storch [AfD]: ... dann erst mal die Polizei anrufen, klar! – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

dann ruft er die Polizei; das ist seine Pflicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Schwachsinn! – Zuruf des Abg. Mike Moncsek [AfD])

Rechtsextremismus ist kein Kavaliersdelikt, über das man hinweglächeln sollte; denn Rechtsextremismus ist Gift für unsere Gesellschaft, auch wenn man beim Aufwachsen natürlich Grenzen austestet und Dinge ausprobiert. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind weder edgy noch cool. Sie verletzen Menschen, sie töten Menschen!

An alle Lehrkräfte da draußen: Lassen Sie sich bitte nicht einschüchtern! Sie sind nicht alleine; wir stehen an Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

Wenn Sie extremistische Inhalte bemerken, sprechen Sie es an! Wenn Sie unsicher sind, ob man sich schon im strafrechtlich relevanten Bereich bewegt,

(Beatrix von Storch [AfD]: ... dann rufen Sie die Polizei! – Weitere Zurufe von der AfD)

rufen Sie die Polizei! Genau dafür ist sie auch da.

Der Schulleiter hat völlig korrekt und verhältnismäßig gehandelt. Er hat bei den vorliegenden Anhaltspunkten als mildestes Mittel der Gefahrenabwehr das Gespräch mit der Schülerin und der Polizei gesucht. Das Gespräch wurde geführt und der Fall abgeschlossen – könnte man meinen.

Aber was dann passiert ist, ist eine blau-braun orchestrierte Hetzkampagne nach bekanntem Muster: Verkürzungen, Verdrehung von Tatsachen, Skandalisierung um jeden Preis – ohne Rücksicht. Der Schulleiter bekommt Drohungen – egal.

(Zuruf von der AfD)

Amokdrohungen an der Schule – egal. Der Staatsschutz muss wegen der Drohungen ermitteln – auch egal. Ein minderjähriges Mädchen für die Fake-Kampagne nutzen – egal. Hauptsache Aufmerksamkeit, Hauptsache Delegitimierung!

(Zurufe der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es fängt in Ribnitz-Damgarten weder an, noch hört es da auf. In Dippoldiswalde wird ein Schulleiter bedroht, weil er auf einer Demonstration für Demokratie war. In Greifswald stellt die AfD in der Bürgerschaftssitzung einfach mal den Antrag, die Bürgerschaft bis nach der Kommunalwahl pausieren zu lassen. Wozu braucht man denn auch kommunale Parlamente?

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)

In Großschirma bedrängt die AfD über Jahre den Bürgermeister; der nimmt sich im Oktober letzten Jahres das Leben.

(Mike Moncsek [AfD]: Das ist gelogen! Das ist eindeutig gelogen, was Sie da sagen! Eine Hetzkampagne der Presse war das! – Gegenruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kennen Sie sich ja gut mit aus! – Gegenruf des Abg. Mike Moncsek [AfD]: Das ist eine Frechheit!)

Wieder und wieder versucht die AfD, Menschen einzuschüchtern, staatliche Institutionen und die Presse zu delegitimieren und die Bevölkerung zu verunsichern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie, gerade Sie, diskutieren hier heute unter dem Stichwort „Meinungsfreiheit“!

Mit vielen kleinen und großen Nadelstichen versuchen Sie, Politik und Gesellschaft so mürbe zu machen, dass Sie sich am Ende das Land schaffen können, das Sie wollen. Was das für ein Land ist, das wissen wir nicht zuletzt dank der Recherchen von „Correctiv“:

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist doch gelogen! – Gegenrufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ein Land für Reiche, ein Land für Weiße, ein Land, in dem Frauen nicht über ihre eigenen Körper bestimmen können, ein Land, in dem jede Form der Andersartigkeit unerwünscht ist.

Hier im Parlament sitzen Sie von der AfD als parlamentarischer Arm des Rechtsextremismus. Sie beschäftigen mehr als 100 Mitarbeiter/-innen aus dem rechtsextremen Milieu. Sie wollen diese Demokratie von innen zerstören.

(Zurufe von der AfD)

Ich bin dankbar für alle Menschen, die genau das bekämpfen. Ich bin dankbar für alle Menschen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen und sich klar und stark auf die Seite unserer Demokratie stellen – öffentlich und im Familien- und Bekanntenkreis.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Jörg Schneider [AfD])

Ich bin dankbar für all die Kommunalpolitiker/-innen, die trotz Anfeindungen weitermachen. Ich bin dankbar für all die Lehrer/-innen und Schulleiter/-innen, die ihren Schülerinnen und Schülern die vielfältigen Werte unserer Gesellschaft beibringen und die handeln, wenn sie Extremismus in ihrer Schüler/-innenschaft sehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin dankbar für die großartigen und wunderbaren Vereine und Projekte der Jugendarbeit, in denen jungen Menschen Perspektiven und Mitbestimmung ermöglicht werden.

Und ich bin dankbar für die vielen, vielen Menschen, die seit Monaten auf die Straße gehen – für Vielfalt, für Menschlichkeit, für unsere freiheitliche Demokratie. Das gibt mir Hoffnung.

Wir müssen zusammenstehen als demokratische Kräfte in diesem Land;

(Mike Moncsek [AfD]: Sie wird es in Sachsen bald nicht mehr geben im Landesparlament! Das ist die Hoffnung und nichts anderes!)

denn unsere Demokratie ist in Gefahr. Wir werden diese Demokratie gegen alle verteidigen, die sie angreifen – auch gegen Sie.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: 6 Prozent in Sachsen! 6 Prozent in Sachsen! Und tschüss!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Lars Rohwer das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609332
Wahlperiode 20
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta