22.03.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 161 / Zusatzpunkt 16

Wolfgang KubickiFDP - Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorfall an der Schule in Ribnitz-Damgarten hat in den vergangenen Tagen hohe Wellen geschlagen, und jetzt hier im Hohen Hause auch. Wir haben innerhalb kurzer Zeit eine Reihe von Wendungen der Geschichte erlebt, die viele Menschen irritiert hat. Klar ist: Es ist eine Angelegenheit, in der es nicht nur um die politische, sondern auch um die mediale Deutungshoheit geht. Wenn Journalisten in sozialen Medien erbittert nicht nur über Interpretationen, sondern schon über die Fakten streiten, dann können wir feststellen, dass es eine Sache der politischen Klugheit wäre, in dieser Frage keine Schnellschüsse zu tätigen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wäre auch zum Schutz der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler und nicht zuletzt der betroffenen Familie besser, wir würden erst abwarten, bis die Sachlage wirklich sauber geklärt ist, bevor wir uns aufschwingen, einen vermeintlichen oder tatsächlichen Skandal zu einem grundsätzlichen bundesweiten Problem aufzublasen, das politische Konsequenzen haben muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

Wenn es eine Gefährderansprache in der Schule gegeben haben sollte, deren Grundlage ein AfD-freundliches Schlumpf-Video war, dann wäre das ein Skandal, wenn nicht, dann nicht, jedenfalls nicht unbedingt. Nach aktueller Lage der Dinge ging es eben nicht darum. Selbst die Mutter des Mädchens erklärte jetzt bei „t-online“, dass sie ursprünglich davon ausgegangen sei, Schulleiter und Polizei seien aufgrund des Schlumpf-Videos alarmiert gewesen. Sie erklärte demnach, sie könne nach den ihr jetzt vorliegenden Informationen – jetzt wörtlich an die AfD – „besser verstehen, dass man sich Gedanken gemacht hat“.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Die Mutter sagt:

„Aber wenn das ordentlich gelaufen wäre von Schule und Polizei, dann hätten wir auch gewusst, um was es geht und anders reagiert.“

Und sie hat weiter erklärt: „Sie seien ins offene Messer gelaufen.“

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Welches Messer denn? Nicht in unseres!)

Nach Lage der Dinge und ohne Schaum vorm Mund können wir Folgendes feststellen, Herr Baumann: Dass der Schulleiter möglicherweise übersensibel reagiert und nicht zuerst im Rahmen seiner eigenen pädagogischen Verantwortung gehandelt hat, war nach aktuellem Stand sicher nicht richtig. Dass die Polizeibeamten bestimmt mit guten Absichten ein Gespräch mit der Schülerin geführt haben, obwohl die in Rede stehenden Posts auch nach ihrer Ansicht die Grenze des Strafbaren nicht überschritten haben, ist ebenfalls aufklärungsbedürftig.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist Kern des Problems!)

Denn es liegt auf der Hand, dass diese Art des Vorgehens einen einschüchternden Effekt hat. Aber es ist kein generelles Problem, Frau von Storch. Sie haben ein generelles Problem. Das hier ist ein Einzelfall.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Görke [Die Linke])

Dass es mediale Berichte gab, die den Sachverhalt zuerst mindestens schief, wenn nicht gar falsch wiedergegeben haben, basiert offensichtlich auf schlechter Recherche. Und dass sich die AfD aufgrund der ersten schlecht recherchierten Berichte als armes Opfer stilisiert, sind wir gewohnt und müssen wir – bedauerlicherweise oder Gott sei Dank – im demokratischen Meinungskampf einfach hinnehmen. Dass aber die AfD diesen Vorfall zum Anlass nimmt, über Meinungsfreiheit an Schulen zu debattieren, offenbart eine Verantwortungslosigkeit, die gewählten Vertretern dieses Hohen Hauses nicht gut zu Gesicht steht.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich konzediere, dass Meinungsfreiheit an Schulen grundsätzlich ein wichtiges Thema ist. Man kann zum Beispiel mit Recht kritisieren, dass Kultusminister in der Vergangenheit das Schulschwänzen gebilligt haben, wenn es ums Klima ging, aber mit harter Hand reagiert haben, wenn es um andere Themen ging. Ich habe bislang nicht gehört, dass zum Beispiel eine Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an den Bauerndemos für ähnliche offizielle Begeisterung gesorgt hätte. Wir können und sollten ernsthaft darüber diskutieren, ob der Beutelsbacher Konsens mit den drei Säulen Überwältigungsverbot, Kontroversität und Schülerorientierung noch heute die unumstößliche Grundlage in der schulischen Bildung sein sollte. Es wäre eine wichtige Frage, ob die jungen Menschen im Land ausreichend befähigt werden, ihre eigene politische Meinung zu bilden. Es wäre eine wichtige Frage, ob die jungen Menschen mit 16 Jahren ausreichend von der Schule gerüstet werden, um die Verantwortung für die Teilnahme zum Beispiel an einer Bundestagswahl zu tragen, wie es viele fordern.

Aber darum geht es ja nicht. Es geht darum, einen Einzelfall heranzuziehen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Pars pro toto!)

bei dem es offensichtlich zu unglücklichen Verkettungen gekommen ist, um eigentlich nur das weinerliche Narrativ weiter zu bedienen, dass die AfD das eigentliche Opfer dieser demokratischen Gesellschaft ist.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Herr Kubicki, wir sind Sieger!)

Ich sage Ihnen: Das ist unwürdig, das ist peinlich und schamlos. Diesen vorliegenden Fall muss man differenziert betrachten. Dass Sie zu einer differenzierten Betrachtung nicht in der Lage oder auch nicht willens sind, zeigt, dass Sie sich nicht zu schade dafür sind, auf dem Rücken einer 16-Jährigen und ihrer Familie parteipolitische Spiele zu spielen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer meint, dass er damit Deutschland dient, der verwechselt Deutschland mit sich selbst. Und das ist wirklich schade.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ein Eiertanz!)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609335
Wahlperiode 20
Sitzung 161
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta