Thomas JarzombekCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes werbe ich in dieser Debatte für mehr Sachlichkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich glaube nicht – das richte ich an die linke Seite dieses Hauses –, dass es uns in der Auseinandersetzung mit der AfD hilft, wenn durch zu viele Emotionen der selbstgewählte Opfernimbus auch noch gestärkt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Deshalb, glaube ich, macht es Sinn, dass wir uns mit Dingen sachlich auseinandersetzen, zum Beispiel sachlich mit der Frage, warum ich mich gerade umsetzen musste, weil Frau von Storch neben mir so laut geschrien hat, dass ich an meinem Platz nicht mehr sitzen bleiben konnte.
(Enrico Komning [AfD]: Weil es Ihr parlamentarisches Recht ist! – Weitere Zurufe von der AfD: Oh!)
– Das ist nicht mein parlamentarisches Recht. Sie behaupten, Sie seien konservativ. Sie pöbeln aber hier schlimmer herum als manche Fußballfans in der Nordkurve.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken – Zurufe von der AfD)
– Sie machen gleich weiter. Es ist doch schön, dass Sie meine These belegen.
Als Nächstes widerlegen Sie sich selbst. Ihr letzter Redner hat gerade erklärt, dass er 20 Jahre lang im Schuldienst nie aufgefordert wurde, die Polizei zu rufen. Das heißt, ganz offensichtlich ist es nicht der große Staat, der sich hier auf eine arme kleine Schülerin konzentriert hat, sondern wir reden hier von einer Entscheidung in einer Schule und von einem einzelnen Schulleiter. Am Ende reden wir hier über Menschen, die vielleicht auch einmal Fehler machen, denen vielleicht einmal die Emotionen durchgehen.
Ich lese Zeitungsartikel, die sehr unterschiedlich darstellen, was dieses Mädchen gepostet hat und wie dieser Schulleiter reagiert hat. Ich glaube, es besteht Einigkeit darüber, dass es nicht die richtige Reaktion sein kann, dass die Polizei kommt, wenn ein Mädchen irgendetwas postet.
(Beifall bei der CDU/CSU – Beatrix von Storch [AfD]: Ach nee! – Weitere Zurufe von der AfD)
Ich glaube aber auch, dass das Rednerpult des Deutschen Bundestages nicht der richtige Ort ist, ein Mädchen oder einen Schulleiter zu verurteilen, geschweige denn, hier die Wahrheit zu ermitteln.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielleicht brauchen wir einfach mehr politische Bildung. Ich nenne als Beispiel ein Zahlenwerk aus den USA, das mich bewegt hat. Der „Economist“ stellte vor Kurzem die Frage „Ist der Holocaust ein Mythos?“ und veröffentlichte die Ergebnisse dieser Erhebung vom 2. Dezember 2023 in einem Artikel. In den Altersgruppen über 45 Jahre hat so gut wie keiner gesagt, es handele sich beim Holocaust um einen Mythos. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sind 20 Prozent der Überzeugung, der Holocaust sei ein Mythos. Hier, meine Damen und Herren, haben wir ein wirkliches Problem. Ich glaube, auch Sie wollen nicht behaupten, dass der Holocaust ein Mythos ist.
(Enrico Komning [AfD]: Nein, wollen Sie uns das auch unterstellen?)
– Nein, ich will nur klarmachen, dass wir hier eine gemeinsame Linie haben. Wenn Sie das so bestätigen, finde ich das gut.
Wir müssen in der politischen Bildung etwas tun. Die Augen vor bestimmten Entwicklungen – auch in den sozialen Medien – zu verschließen, wäre naiv. Die Herausforderung in der Schule heute ist, dass der Geschichtsunterricht gegen Tiktok antreten muss.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Auch Sie, meine Damen und Herren von der AfD, bespielen dieses Medium sehr fleißig. Das kann man nicht anders sagen. Sie behaupten zwar, irgendjemand zensiere Sie. Aber ich lese ständig, dass Sie die höchsten Reichweiten auf Tiktok haben. Keiner verbietet Ihnen hier etwas. Aber manche Aussagen, die Sie treffen, sind inzwischen so wild, dass selbst Ihre Freunde in Peking einem der Ihren für 90 Tage wegen Verstößen gegen die Community-Richtlinien von Tiktok Beschränkungen auferlegt haben.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! – Konstantin Kuhle [FDP]: Ausgerechnet!)
Das muss wohl Gründe haben. Ich kann Ihnen auch sagen, was das vielleicht für Gründe sind. Wir hatten in der gestrigen Debatte ein Déjà vu. Ihr Kollege Eugen Schmidt aus Ihren Reihen sagte im russischen Radio, es gibt keine Demokratie in Deutschland; das heißt, es wird eine einheitliche Meinung aufgedrängt, und zwar von der regierenden Elite, und alle anderen politischen Meinungen werden mit allen möglichen Mitteln unterdrückt. Sie können doch frei reden. Sie können selbst so einen Stuss sagen. Das können Sie hier sagen. Das können Sie in Russland sagen. Und wissen Sie, was das Tolle ist? Sie können danach einfach nach Hause gehen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ja! Demnächst werde ich von der Polizei abgeholt! Richtige Gefährderansprache!)
– Frau von Storch, wenn Sie die Show, die Sie hier abziehen, in der russischen Duma abziehen würden, würden Sie verschwinden. Das kann ich Ihnen sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken)
Hören Sie auf, Fake News zu versenden. Und an alle jungen Menschen draußen, die sich das auf Tiktok angucken: Einer der Ihren sagte, echte Männer sind rechts, dann klappt’s auch mit der Freundin. – Ich sage Ihnen, die Wahrheit ist: Wer mit der AfD ins Bett geht, der wacht mit Beatrix von Storch wieder auf.
Vielen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Linken)
Das Wort hat Dr. Franziska Krumwiede-Steiner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609338 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Meinungsfreiheit an Schulen |