Sonja EichwedeSPD - Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir reden über Frauen in der wohl schwierigsten Lage ihres Lebens. Eine Entscheidung, die kaum fassbar ist, die sie treffen müssen, die sie treffen wollen, zu der sie sich gezwungen fühlen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Dass das Kind lebt, ist entscheidend!)
Auch ich als Mutter kann nach einer Schwangerschaft sagen, dass ich kaum nachfühlen kann, wie schrecklich und wie groß die Entscheidung für eine Frau sein muss, die sich in einer entsprechenden Konfliktsituation befindet und die sich auf den Weg zu einer verpflichtenden Beratung macht. Ich wiederhole: einer verpflichtenden Beratung. Auf dem Weg dahin wird sie lautstark und emotional bedrängt. Es gibt zahlreiche Schilderungen, gerade von pro familia, aber es gibt auch entsprechende Gerichtsurteile:
(Martin Reichardt [AfD]: Komisch, es gibt noch keine Fakten dazu!)
vom VGH Mannheim, vom VGH Kassel, vom VG Karlsruhe, Freiburg, Frankfurt. Es gibt zahlreiche Fälle, es gibt zahlreiche Berichte. Das ist nicht nur gerichtlich dokumentiert, sondern war auch vor Ort zu sehen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der AfD)
Dass wir uns hier in dieser Debatte über die schiere Anzahl austauschen müssen, ist doch verrückt; denn die Fälle, die ich gerade geschildert habe, beruhen auf mutigen Frauen, die sich in dieser bedrängten Situation trotzdem an die Justiz gewandt haben. Diese Leute wollten in dieser Situation eigentlich anonym bleiben. Sie haben ein Recht darauf. Wenn wir sie zu einer Beratung in einer Konfliktsituation verpflichtet haben, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass sie unbescholten zu dieser Beratung kommen können, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Frage von Belästigung, vom emotionalen, vom psychischen Druck, um eine Frau von einer selbstbestimmten Entscheidung abbringen zu wollen, hat nichts mit dem Recht auf Meinungsfreiheit zu tun. Das ist eine bewusste Belästigung und ein Versuch der Behinderung, auch eines staatlichen Versorgungsauftrags. Hier ist die Grenze unseres friedlichen Zusammenlebens in unserer Gesellschaft überschritten. Das ist kein Teil mehr eines guten gesellschaftlichen Zusammenhalts. Von daher ist es richtig, dass es hier Konsequenzen geben muss, dass wir diesen Gesetzesvorschlag bekommen haben und dass auch ein Verstoß mit Bußgeld geahndet werden kann. Ich als Bußgeldrichterin kann sagen: Es ist richtig und wichtig, dass, wenn gegen staatliche Auflagen verstoßen wird, das auch eine entsprechende Konsequenz hat. Das bedeutet Rechtsstaat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der AfD)
Sie reden darüber, dass wir auch andere rechtliche Mittel haben, wie zum Beispiel die Nötigung. Gerade in diesen Fällen haben wir das Mittel der Nötigung in der Regel nicht; denn bei einer Nötigung brauchen wir eine Gewalt oder eine Drohung. Und hier haben wir gerade keinen Begriff der psychischen Gewalt im Strafgesetzbuch.
(Zurufe von der AfD)
Von daher ist der Tatbestand der Nötigung bei dieser psychischen Beeinträchtigung der Frauen in der Konfliktsituation mit dem Bedrängen durch Schockbilder, durch kleine Särge nicht möglich und einfach nur falsch. Von daher ist es richtig, dass wir als Gesetzgeber entsprechend handeln, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Auch in einem größeren rechtsstaatlichen Bild dürfen wir Gehsteigbelästigungen nicht unterschätzen. Zahlreiche Recherchen zeigen immer wieder, dass die radikale Rechte sich auch unter diese Proteste mischt, antifeministische Allianzen schmiedet und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen arbeitet. So wird kein Leben geschützt.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Durch das Gesetz wollen wir diesen radikalen Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern entsprechend einen Riegel vorschieben und auch die Beratungsstellen und die dort Arbeitenden und die Ärzte, die ebenfalls einem staatlichen Versorgungsauftrag nachkommen, schützen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Man darf in Deutschland – das zeigt auch dieser Gesetzentwurf – außerhalb von Sicht- und Hörweite seine Meinung natürlich äußern und auch lautstark protestieren, auch mit Symbolen, die wir vielleicht nicht mögen. Aber man soll es nicht direkt gegenüber von betroffenen Frauen machen, die wir in dieser Situation schützen müssen, werte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Gerade weil wir die Frauen schützen müssen, haben wir gerade bei §§ 8 und 13 des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hinsichtlich des Absichtserfordernisses noch Fragen und sehen hier parlamentarischen Nachbesserungsbedarf.
Alles in allem möchte ich der Ministerin für einen guten Gesetzentwurf danken. Wir freuen uns auf die parlamentarischen Beratungen, um Frauen in unserem Land –
Frau Kollegin.
– wirklich mehr Selbstbestimmung bei Entscheidungen dieser Art zu ermöglichen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609500 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes |