Sonja EichwedeSPD - Digitalisierung der Justiz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Stephan Brandner [AfD]: Sie meinen die deutschen demokratischen Altfraktionen, oder?)
Dieser Gesetzentwurf zeigt, dass die Digitalisierung unserer Justiz weiter voranschreitet. Nicht nur die „Deutsche Richterzeitung“ beschreibt in ihrer jüngsten Ausgabe die Digitalisierung in der Praxis. Die Frage der Digitalisierung ist etwas, was die Richterschaft, was die Staatsanwaltschaft, was die Anwaltschaft und was auch die Rechtsuchenden dieser Tage sehr stark beschäftigt. Es klingt nach einem unglaublich technischen Thema. Aber wenn es um konkrete Einzelfälle geht, ist es eben auch ein emotionales Thema, ein wichtiges Thema für unseren Rechtsstaat, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Wie von Herrn Staatssekretär Strasser schon gesagt wurde, ist in den letzten Jahren hier einiges vorangekommen. Wir haben uns in der Ampelkoalition viel vorgenommen, und wir haben schon viel geschafft. Gerade auch dieses Regelungspaket ist quasi ein bunter Blumenstrauß. Viele unterschiedliche Verfahrensordnungen werden angepackt, viele unterschiedliche Regelungen sind darin enthalten. Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Baustein, um die wichtige Herkulesaufgabe der Digitalisierung in der Justiz zu bewerkstelligen, die Justiz auf die Höhe der Zeit zu bringen, um die Arbeitsbedingungen in der Justiz und für die Justiz zu verbessern und allen Beteiligten den Zugang zum Recht zu gewährleisten.
Es werden Medienbrüche ausgeräumt. Der Austausch zwischen den Richtern, zwischen Gerichten und den Anwälten soll besser werden. Hierzu sind viele Einzelvorschriften genannt. Ich will hier exemplarisch insbesondere auf zwei Themen im Gesetzentwurf eingehen.
Erstes Thema: die Frage der Strafantragstellung. Der Staatssekretär hat es angesprochen: Wer Opfer einer Straftat geworden ist, muss schnellstmöglich Anzeige erstatten können. Niedrigschwellige Onlineanzeigemöglichkeiten sind hierzu ein wichtiger Schlüssel, gerade auch im Bereich der Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz. Hier bringen wir § 158 Absatz 1 StPO auf die Höhe der Zeit, aber auch auf die Höhe der entsprechenden Rechtsprechung. Denn anders als der derzeitige Gesetzeswortlaut es vermuten lässt, hat die Rechtspraxis der Länder in vielen Bereichen schon digitale Anzeigemöglichkeiten mit Onlinemasken, mit Onlinemeldeportalen geschaffen. Jetzt wird der Wortlaut des Gesetzes entsprechend angepasst, sodass alles seine Richtigkeit hat.
Allerdings ist bei Antragsdelikten wie zum Beispiel Beleidigungen eine elektronische Anzeige schwierig. Hierfür braucht es eine qualifizierte elektronische Signatur oder einen vergleichbaren sicheren Weg. Bei Hass im Netz handelt es sich oft um solche Antragsdelikte. Hier soll im Rahmen von § 158 Absatz 2 StPO Abhilfe geschaffen werden. Eine Lockerung der Formerfordernisse ist aus unserer Sicht erforderlich. Wir müssen aber auch einen Ausgleich finden zwischen der Vermeidung von übereilten Strafanträgen und praktisch schwer handhabbaren Anforderungen an die Identifizierbarkeit der antragstellenden Personen, also der Rechtsuchenden.
Lassen Sie mich in Anbetracht dieses Beispiels und dieses wichtigen Themas auch noch mal sagen, dass die Digitalisierung und hier die Onlineanzeigemöglichkeit kein Allheilmittel ist bei Hass im Netz. Hass im Netz ist keine Bagatelle, sondern hat oft aufgrund einer rassistischen, frauenfeindlichen oder queerfeindlichen Motivation einen menschenverachtenden Charakter. Hier muss der Rechtsstaat entsprechend handeln. Hier brauchen wir neben der Anzeigemöglichkeit auch noch weitere Möglichkeiten, damit die Rechtsuchenden tatsächlich zu ihrem Recht kommen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jens Beeck [FDP])
Das zweite Thema, das ich ansprechen muss: Als SPD-Fraktion legen wir großen Wert auf die Notwendigkeit von Schutzstandards und Schriftformerfordernissen, die auch aufrechterhalten bleiben müssen. Die Fragen von Schutzvorschrift und Digitalisierung dürfen als Themen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das bedeutet: Bei der Übersetzung analoger Verfahren in die digitale Welt dürfen die wichtigen Hinweis- und Schutzfunktionen der Schriftform nicht einfach wegfallen. Wir nehmen diese Aufgabe als Gesetzgeber an; denn digitale Prozesse mitsamt den bestehenden Schutzfunktionen müssen neu gedacht werden. Wir müssen uns daher genau anschauen, was die Regelungen im Einzelnen bewirken. Wir haben hier insbesondere die Regelungen im Arbeitsgerichtsgesetz im Blick.
Zuletzt möchte ich betonen, dass wir mit diesem Entwurf im Verfahren selbstverständlich auch Rücksicht nehmen auf das Machbare in der Justiz. Schauen wir auf die Frage der Aktenführung: Wir ermöglichen die hybride Aktenführung; denn es ist zwar eine schöne Vorstellung, dass alle alten Akten eingescannt werden, aber jemand muss diese Arbeit erledigen. Das ist durch die Serviceeinheiten und durch die Geschäftsstellen nicht ausführbar. Von daher ist es sehr wichtig, hier entsprechend die hybride Aktenführung zu ermöglichen und so die Flexibilisierung in der Verwaltung zu schaffen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle – weil ich die hohe Arbeitsbelastung gerade der Mitarbeitenden in den Geschäftsstellen und Serviceeinheiten angesprochen habe – diesen Mitarbeitenden in der Justiz, die Fundamentales für unseren Rechtsstaat und für unseren Zusammenhalt leisten, danken.
Wir freuen uns auf die parlamentarischen Beratungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort erhält für die AfD-Fraktion Stephan Brandner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609521 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 162 |
Tagesordnungspunkt | Digitalisierung der Justiz |