10.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 5

Jan PlobnerSPD - Reform der Anerkennung von Vaterschaften

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Stephan Brandner [AfD]: Die deutschen demokratischen Altfraktionen!)

Wieder einmal müssen wir uns hier mit einem AfD-Gesetzentwurf beschäftigen, der inhaltlich kaum schlechter gemacht sein könnte.

(Fabian Jacobi [AfD]: Machen Sie doch einfach einen besseren, Herr Kollege!)

Als Standesbeamter macht mich das in diesem Fall besonders wütend. Denn was die AfD hier betreibt, ist absichtlich unsauber gearbeitet, um ein bisschen gegen Ausländer hetzen zu können,

(Stephan Brandner [AfD]: Ich habe über deutsche Väter geredet! Mit Ausländern hat das gar nichts zu tun!)

und lässt dabei Grundsätze außen vor, die jeder von meiner Berufsgruppe kennt.

Das zentrale Element bei der Vaterschaftsanerkennung ist doch: Es geht um das Wohl des Kindes. Populismus auf Kosten von Kindern, ich finde das absolut niveaulos!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Sie wissen ja, wovon Sie reden!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist vor allem das Recht des Kindes, zwei – oder, wenn man sich das Urteil aus Karlsruhe von gestern anschaut, vielleicht auch mehr als zwei – Elternteile zu haben. Vaterschaft ist ein Elterngrundrecht; auch das hat uns Karlsruhe gestern bestätigt.

Vor allem auch die rechtliche, die soziale Vaterschaft spielt historisch gewachsen eine tragende Rolle für das Kindeswohl. Denn mit der Anerkennung der Vaterschaft übernimmt der rechtliche Vater Verantwortung für das Kind und garantiert so ein Familienverhältnis zu diesem,

(Zuruf des Abg. Fabian Jacobi [AfD])

auch wenn der leibliche Vater, aus welchen Gründen auch immer – das ist an der Stelle nicht relevant –, nicht verfügbar ist.

Wir Standesbeamtinnen und Standesbeamte wissen, wie wichtig ein intaktes Familienverhältnis und das Recht des Kindes auf mehrere Eltern ist. Deshalb gibt es explizit hohe Hürden, eine rechtliche Übernahme der Vaterschaft abzulehnen, und das ist, verdammt noch mal, gut so, wie es ist.

Kommen wir zum Entwurf der AfD

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, endlich! Wird auch Zeit!)

und zu dem, was ihn einfach grottenschlecht macht. Sie fordern, dass in allen Fällen, in denen ein Elternteil nichtdeutscher Herkunft ist, die Ausländerbehörde beteiligt wird. Nicht nur stellen Sie damit alle Ausländer/-innen unter Generalverdacht – das kennt man von Ihnen; das wundert mich an der Stelle leider auch nicht –,

(Stephan Brandner [AfD]: Unter was für einen Verdacht denn?)

sondern Sie verstoßen damit auch gegen EU-Recht – was Ihnen wahrscheinlich einfach egal ist –, Sie „vergessen“ mal schnell, dass die Ausländerbehörde keine einzige Akte über EU-Bürger führt.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja! Ist ja gut, dann ist die Beteiligung schnell vorbei!)

Sie „übersehen“ in Ihrem Entwurf, dass ein Großteil der Ausländer, die hier die Vaterschaftsanerkennung beantragen, längst eine Niederlassungserlaubnis haben.

Aber gut, dass Sie gegen unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hetzen. Ist ja wirklich Ihr politisches Tagesgeschäft, so bedauerlich das auch ist.

Was Ihnen allerdings völlig entgeht, ist, dass aus Ihrem Entwurf ein wahres Bürokratiemonster erwächst.

(Stephan Brandner [AfD]: Damit kennen Sie sich ja aus!)

Nach meiner Erfahrung haben wir allein in Nürnberg pro Jahr ungefähr 350 Fälle, in denen Kinder beurkundet werden, deren Mutter oder Vater nicht den deutschen Pass besitzt. In der Regel werden nicht viele davon – vielleicht 2 bis 3 Fälle pro Jahr – wegen mutmaßlichem Missbrauch ausgesetzt und ins Prüfverfahren an die Ausländerbehörde gegeben.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, eben! Weil sich keiner kümmert!)

Und wir sind dabei ein relativ strenges Standesamt.

Jetzt wollen Sie das Hundertfache an Fällen an die Ausländerbehörde übergeben – dann ist die circa ein Jahr lang damit beschäftigt, dieses Prüfverfahren durchzuführen –

(Stephan Brandner [AfD]: Das macht Milliardensummen!)

und behaupten dann ernsthaft noch, dass dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Ich sage, das ist absoluter Quatsch.

Und das ist bei Weitem nicht der einzige Fall, bei dem Ihre Kostenrechnung allen Regeln der Mathematik zuwiderläuft: Bei den Zahlen und dem Verhältnis von möglichen Einsparungen beim Kindesunterhalt in Fällen der Unterhaltsvorschussleistung durch den Staat zum Beispiel, haben Sie gerade gesagt, kommen Sie auf Kosten in Milliardenhöhe – faszinierend!

(Stephan Brandner [AfD]: Summiert!)

In Ihrem Antrag ist noch von Millionen die Rede.

(Stephan Brandner [AfD]: Summiert, Herr Plobner!)

Das ist selbst dann, wenn wir anschauen, mit welchen Kosten für die gesamte Kindheit zu rechnen ist, eine absurde Summe.

Doch hier geht es Ihnen eigentlich gar nicht um irgendwelche Einsparungen. Stattdessen kommt etwas zum Vorschein, was darunterliegt: schlicht und ergreifend Ihre Abneigung gegenüber Menschen, die eine eingeschränkte finanzielle Situation vorweisen.

(Stephan Brandner [AfD]: Die mittellosen Scheinväter, oder wen meinen Sie?)

Denn Sie nutzen die absurde Rechnung, die Sie da aufstellen, um die wirtschaftliche Lage des antragstellenden Vaters zum Kriterium für die Aussetzung der Vaterschaftsanerkennung zu machen.

Nebenbei wollen Sie noch eine Beweislastumkehr vornehmen. So muss der Antragsteller, dessen Anerkennung gerade aufgrund seiner finanziellen Lage ausgesetzt worden ist, selbst die Kosten für diese Überprüfung übernehmen – na wunderbar!

(Stephan Brandner [AfD]: Das kostet 20 Euro!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, ich habe Ihnen bereits gesagt, dass hier Populismus auf dem Rücken von Kindern betrieben wird.

(Jochen Haug [AfD]: Sie wissen doch gar nicht, was Demokratie ist! Ich kann es nicht mehr hören!)

Denn letztlich will die AfD Kindern bis zum Abschluss des Überprüfungsverfahrens die zweite Elternstelle verwehren – in allen Fällen, in denen ein Elternteil nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie was zu „Mr. Cash Money“!)

In dieser Zeit haben die Kinder nur ein Elternteil, nämlich die Mutter.

(Fabian Jacobi [AfD]: Was tun Sie von der SPD gegen den Missbrauch? Was tun Sie? Wo ist Ihr Gesetzentwurf?)

Sollte dieser etwas zustoßen, würde das Kind plötzlich gänzlich ohne rechtliche Bezugsperson dastehen – nur weil ausländische Menschen unter Generalverdacht gestellt werden sollen.

Ich glaube, ich hätte jetzt noch ein bisschen Zeit; aber ich weiß ehrlich nicht, was ich zu diesem Unsinn sonst noch sagen sollte.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beifall des Abg. Michael Sacher [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner [AfD]: Ist auch besser so!)

Stattdessen komme ich jetzt einfach zum Schluss und plädiere selbstverständlich dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen,

(Fabian Jacobi [AfD]: Wo ist Ihrer? Was tun Sie?)

im Ausschuss und in der zweiten und dritten Lesung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die Unionsfraktion hat jetzt Susanne Hierl das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609530
Wahlperiode 20
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Reform der Anerkennung von Vaterschaften
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