10.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 162 / Tagesordnungspunkt 5

Helge LindhSPD - Reform der Anerkennung von Vaterschaften

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Brandner,

(Stephan Brandner [AfD]: Herr Lindh!)

es sollte der AfD zu denken geben, dass selbst Marine Le Pen und der Rassemblement National sich von der AfD distanzieren,

(Stephan Brandner [AfD]: Da kannten sie den Gesetzentwurf noch nicht!)

sodass dort Frau Weidel buchstäblich zu Kreuze kriechen muss. Selbst dem RN ist die AfD zu radikal.

Dazu passen auch Ihre Ausführungen heute. Dem kundigen Zuhörer und auch der kundigen Zuhörerin ist ja wohl bekannt, dass Sie vorhin nicht zufällig von „schnackseln“ gesprochen haben. Sie haben damit ganz bewusst auf das berühmt-berüchtigte antischwarz-rassistische Zitat von Gloria von Thurn und Taxis in einem Interview mit Michel Friedman angespielt. Sie bedienen also rassistische Topoi.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist eine Verschwörungstheorie!)

Damit nehmen Sie Ihren Entwürfen natürlich jede Ernsthaftigkeit.

Die Ironie des Ganzen ist aber, dass Sie uns damit die Gelegenheit geben, auf den Pragmatismus und die Realitätsnähe der Arbeit von Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium hinzuweisen, und im Übrigen mir die Möglichkeit geben, auf die Arbeit meiner Verwaltung in Wuppertal hinzuweisen, wofür ich Ihnen ausdrücklich danke.

(Stephan Brandner [AfD]: Das wollte ich nur!)

Das Bundesinnenministerium hat bereits im letzten Jahr in Kenntnis um die Sachlage nicht dramatisierend, sondern sachlich den Weg gewählt, den man längst hätte gehen sollen, und sich mit den Behörden vor Ort, den Verwaltungen ins Benehmen gesetzt, um mögliche Lösungswege, die in der Praxis, kommunal funktionieren, abzufragen. Im Dezember – Sie hätten sich mal informieren sollen – hat ein Workshop des BMI unter Beteiligung des BMJ stattgefunden. Auch das AA war vertreten.

(Stephan Brandner [AfD]: Da waren wir nicht eingeladen!)

Man hat verschiedene Möglichkeiten diskutiert: zum einen eine mögliche Wiederaufnahme der Anfechtungslösung, aber diesmal verfassungsgemäß, dann eine Korrektur der Aussetzungslösung – dazu werde ich gleich noch etwas sagen –, aber auch Fragen, ob man bei den beurkundenden Stellen etwas ändern kann. Das alles hat man in Abstimmung, im Gespräch mit den Kommunen gemacht.

Ich selbst habe mich intensiv – Sie können sich das wahrscheinlich nicht vorstellen – mit der Fragestellung auseinandergesetzt, weil ich unter anderem bei einem Praktikum in der Ausländerbehörde Wuppertal darüber wiederholt gesprochen habe.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber schon länger her!)

Und die machen es so, wie Sie es eben nicht machen: Mit dem Pathos der Nüchternheit werden konkrete Fälle angeguckt, wird sorgsam, teilweise detektivisch, aber nicht mit Generalverdacht geprüft. So macht man das nämlich.

(Stephan Brandner [AfD]: Das funktioniert aber nicht!)

Und – auch da haben Sie nicht recherchiert – das kommunale Jobcenter in Wuppertal hat übrigens zu der Themenstellung und zu einer begrenzten Zahl an Fällen eine Warnanzeige an das Landesinnenministerium in NRW gegeben. Also, Sie hätten sich mehr mit Wuppertal befassen sollen und nicht nur mit mir, der aus Wuppertal kommt.

(Stephan Brandner [AfD]: Wir haben uns gar nicht mit Ihnen befasst!)

Das Innenministerium und das Justizministerium werden zeitnah einen Referentenentwurf vorlegen, und zwar einen solchen,

(Uwe Schulz [AfD]: Sie meinen, was Ihre Regierung verabschieden kann!)

der sorgfältig, ohne rassistischen Muff, ohne Ressentiments und zielgenau die Problemfälle adressieren wird.

Worum geht es? Es geht schlicht darum, dass im Übrigen nicht nur bei der Kindesmutter, sondern teilweise auch beim anerkennenden Kindesvater ein Aufenthaltsrecht ausgelöst wird und dadurch womöglich auch weitere Angehörige missbräuchlich ein Aufenthaltsrecht bekommen. Das ist seit Jahrzehnten bekannt. Deshalb hatten wir auch eine Regelung, die Anfechtungsregelung, die aber 2013 für verfassungswidrig erklärt wurde,

(Stephan Brandner [AfD]: Auch schon zehn Jahre her!)

weil damit verfassungswidrig die Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Wir sollten uns nach Urteilen des Verfassungsgerichts richten.

(Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber zehn Jahre her!)

Vielleicht haben Sie eine andere Ansicht. Ich habe diese Ansicht.

Dann kam es 2017 zu einer Neuregelung durch § 85a Aufenthaltsgesetz und § 1597a BGB mit der erwähnten Aussetzungslösung, die maßvoll und sinnvoll ist.

(Stephan Brandner [AfD]: Das klappt aber auch nicht!)

Es hat sich aber gezeigt, dass die beurkundenden Stellen die rechtlichen Möglichkeiten zum Teil nicht nutzen.

Jetzt gibt es die Überlegung, wie man minimalinvasiv ohne generelle Verdachtsmomente Lösungen finden kann. Das könnte sein, dass in bestimmten Fällen ein Zustimmungsvorbehalt der Ausländerbehörde besteht; Herr Thomae hat Möglichkeiten genannt. Man könnte das auch mit einer Zustimmungsfiktion unterlegen, damit Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nicht generell eine Dauerprüfung erdulden müssen. Im Übrigen müssen Sie bei all Ihren ausufernden Vorstellungen auch die Kapazitäten von Ausländerbehörden bedenken. Arbeiten Sie also sorgsam im Detail, und seien Sie an Fachlichkeit interessiert anstatt daran, Ressentiments zu bedienen!

Ich schließe damit, Ihnen ausdrücklich dafür zu danken, dass Sie uns geholfen haben, den Unterschied klarzumachen zwischen einer Koalition – ich schließe auch die vernünftige Opposition mit ein –, die Probleme sachlich angehen will, ohne Generalverdacht, ohne Ressentiments, ohne rassistischen Muff, und Ihnen, die Probleme nur nutzen und das Kindeswohl missbrauchen, um Stimmung zu machen, sodass sich sogar die Rechtsextremen in Frankreich schämen.

Herr Kollege.

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!

Schönen Abend.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609536
Wahlperiode 20
Sitzung 162
Tagesordnungspunkt Reform der Anerkennung von Vaterschaften
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta