Steffen BilgerCDU/CSU - Ernährungsstrategie der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Ernährungsstrategie der Ampel steht vieles drin – wir haben gerade einiges vom Minister gehört –, und vieles davon ist sicher auch unstrittig. Dass das, was wir essen und trinken, Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, dass eine ausgewogene und vielfältige Ernährung Sinn macht, dass gute Ernährung jedem zur Verfügung stehen muss, dass die Weichen für ein vernünftiges Ernährungsverhalten schon in der Kindheit gestellt werden – wer mag diesen ganzen Aussagen widersprechen? Aber dafür, meine Damen und Herren, braucht es kein Ampelgroßprojekt wie die Ernährungsstrategie.
Warum also diese Strategie? Offensichtlich war die Freude in der Koalition groß, endlich mal ein bisschen mehr machen zu können als die üblichen Prüfaufträge, die wir sonst immer von Ihnen sehen. Endlich hat man mal was im Kabinett gemeinsam beschließen können, das sogar noch aus dem Zuständigkeitsbereich des Bundeslandwirtschaftsministers kommt.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht gähnen!)
Aber: Den Stellenwert, den die Ampel dieser Strategie tatsächlich beimisst, erkennt man am Timing.
Herr Minister, Sie haben gerade den Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ angesprochen. Sie haben gesagt, man muss ihn ernst nehmen. Dann frage ich Sie aber: Warum haben Sie denn nicht noch die drei Wochen gewartet, bis der Bürgerrat seine Empfehlungen vorgelegt hat? Warum haben Sie denn ein paar Wochen vor dem Bürgerrat bereits Ihre Ernährungsstrategie vorgelegt? Mit einem Ernstnehmen der Empfehlungen des Bürgerrats hat das doch offensichtlich nichts zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sind Sie eigentlich gegen den Bürgerrat? Das ist die Frage!)
Warum kam der Beschluss dieser Ernährungsstrategie im Januar? Wir erinnern uns alle: Die Proteste der Landwirte haben die Debatte geprägt. Wahrscheinlich war es ein weiterer Versuch, ein bisschen abzulenken von diesen Protesten.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Ach Gott!)
Jetzt, drei Monate später – von den Problemen der Landwirte sind keine substanziell gelöst –, führen wir heute mehr als eine Stunde lang diese Debatte, anstatt beispielsweise endlich einmal Antworten von Ihnen auf die im Januar im Koalitionsantrag gestellten sieben Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft zu bekommen. Noch im ersten Quartal 2024 wollten Sie konkrete Vorhaben auflisten, die der Landwirtschaft Planungssicherheit geben und sie entlasten. So haben Sie es mit Ihrer Mehrheit beschlossen. Das erste Quartal ist um, allein das Warten noch nicht.
Im Bundesrat haben Sie am 22. März eine Protokollerklärung vorgelegt mit allerlei Absichtserklärungen und Prüfaufträgen. Nun zeigt sich: Allzu ernst kann das nicht gemeint gewesen sein; denn im Jahressteuergesetz findet sich beispielsweise so gut wie gar nichts davon wieder.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit Jahren debattieren wir über Verbesserungen beim Tierwohl. Erst legt der Minister einen eigenen unausgegorenen Vorschlag zu einer Tierwohlabgabe vor. Jetzt begrüßt der Minister Vorschläge von Verbänden zu einer Mehrwertsteuererhöhung. Sie sagen immer wieder, wir sollen nicht alle Ihre Vorschläge ablehnen. Ich sage: Sie können aber auch nicht einfach immer nur alles begrüßen, ohne mal zu sagen, was Sie konkret wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn ist es doch in der Tat so, dass keiner weiß, was dieser Minister wirklich will. Mit diesen permanenten Ankündigungen, denen keine Taten folgen, sorgen Sie für Verunsicherung und Frustration.
Stattdessen gibt es jetzt also diese Strategie. Die Koalition beschäftigt sich lieber mit dem Konsumieren als mit dem Produzieren, mit einer irgendwie vom Staat geschaffenen Ernährungsumgebung als mit konkreter Politik im Interesse der Landwirte, die erst eine vielfältige gesunde heimische Ernährung ermöglichen. Dabei wäre es aktuell drängender denn je, sich um die Rahmenbedingungen zu kümmern, die die gesamte Produktionskette, vom Feld bis hin zur Ladentheke, bestimmen.
Die Zutaten dieser Ernährungsstrategie sind stattdessen viele hehre Worte, ein bisschen kaschierte Fleischverzichtsideologie, ein Werbeverbot, das Sie seit einem Jahr nicht in die Umsetzung bekommen, trotzdem ein gehöriges Maß an Eigenlob, wenig Respekt vor Länderkompetenzen und noch viel weniger Respekt vor der persönlichen Eigenverantwortung. Und eines ist noch drin, nämlich viel mehr Bürokratie. Dazu gehört die Einrichtung einer Geschäftsstelle „Ernährungsstrategie“ im Ministerium zur regelmäßigen Fortschrittskontrolle und Dokumentation, Berichtspflichten usw. Herr Minister, Sie reden viel von Bürokratieabbau, aber tatsächlich beschließen Sie mehr Bürokratie, bezeichnend dafür ist diese Ernährungsstrategie.
(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich möchte für mich und meine Fraktion festhalten: Es ist nicht Aufgabe des Staates, darüber zu befinden, ob es gut ist, wie wir uns ernähren. Das muss auch zukünftig vor allem eine ganz persönliche Entscheidung sein. Sie überfrachten die Frage, was auf den Teller kommt, mit Bezügen zu allerlei anderen politischen Herausforderungen: von der sozialen Gerechtigkeit über die gesellschaftliche Teilhabe bis hin zum Klima- und Ressourcenschutz. Und dabei wissen wir doch alle hier, dass Sie sich in der Ampel überhaupt nicht einig sind bei all diesen Themen – Kabinettsbeschluss zur Ernährungsstrategie hin oder her.
Auch deshalb wird diese Ernährungsstrategie nicht viel ändern. Umso mehr gilt: Kümmern Sie sich jetzt endlich darum, wie wir auch in Zukunft unsere Ernährung möglichst regional, gesund und nachhaltig sicherstellen können. Ampelstreit, auf Fragen keine Antworten geben, immer neue Ankündigungen – das ist zu wenig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat nun Rita Hagl-Kehl das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609591 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 163 |
Tagesordnungspunkt | Ernährungsstrategie der Bundesregierung |