11.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 163 / Tagesordnungspunkt 19

Rita Hagl-KehlSPD - Ernährungsstrategie der Bundesregierung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Der Mensch ist, was er isst“, heißt es. Und dass das stimmt, merkt man daran, dass 70 bis 80 Prozent aller Krankheiten in Deutschland ernährungsbedingt sind. Besonders schlimm ist in diesem Zusammenhang, dass 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bereits übergewichtig sind. Wir von der SPD wollen niemanden umerziehen, wie es vorher hieß, oder bevormunden,

(Albert Stegemann [CDU/CSU]: Doch!)

aber der Staat muss unterstützen, muss Angebote und Informationen bieten und muss für eine gute Ernährungsumgebung sorgen.

Wir müssen die Eltern unterstützen bei ihrem Erziehungsauftrag. In einem alten Sprichwort heißt es: Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. – Durch das Wegfallen alter Strukturen ist das kaum mehr möglich. Es gibt kaum mehr Großfamilien. Ich habe meine Kinder noch mit vier Generationen unter einem Dach aufgezogen. Das ist heute eher selten. Und die Statistik zeigt uns, dass seit Corona der Medienkonsum bei Kindern ansteigt und die Bewegung nachlässt. Im Koa-Vertrag haben wir ein Gesetz gegen die an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel vereinbart. Wir müssen die Kinder vor dieser Beeinflussung schützen und die Eltern unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber auch Bewegung ist wichtig, damit die Kalorienbilanz stimmt. Deswegen bedanke ich mich beim BMG, also beim Gesundheitsministerium, für den initiierten „Runden Tisch Bewegung und Gesundheit“, wo maßgebliche Akteure zusammengefasst haben, was Länder, Kommunen und Verbände machen können, um die Kinder zum Bewegen anzuregen. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang besonders allen Ehrenamtlichen, die sich in Vereinen organisieren und dort dafür sorgen, dass Kinder Spaß an der Bewegung und Freude an der gemeinschaftlichen Bewegung haben.

(Beifall bei der SPD)

Unterstützt werden sie auch durch das Programm des Bundesministeriums des Innern, „ReStart“, das Vereine und auch Sportstätten fördert.

Aber unser Essen hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt. Ein Fünftel der CO2-Emissionen wird in Deutschland durch die Erzeugung von Nahrungsmitteln verursacht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen sich bewusst ernähren. Sie wollen wissen, wie der ökologische Fußabdruck ist. Deswegen benötigen wir dringend ein Nachhaltigkeitslabel. Das muss staatlich organisiert sein, die Kriterien müssen festgelegt sein, und es benötigt dazu eine Datenplattform.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Noch mehr Bürokratie!)

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg hat bereits eine umfassende Studie erstellt und gezeigt, wie das möglich ist.

Auch die Lebensmittelwirtschaft fordert ein staatliches Label. Das sieht man an der Initiative TCL, Together for Carbon Labelling. Deswegen fordere ich das Ministerium auf, auch hier voranzugehen, genauso wie es momentan Frankreich und Dänemark machen; denn unsere Verbraucherinnen und Verbraucher wollen bewusste Entscheidungen treffen können.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])

Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist aber auch die Lebensmittelverschwendung. Bereits bei der Erzeugung und Produktion der Lebensmittel ist die Umwelt beeinträchtigt – das haben wir gehört –, aber noch viel mehr, wenn diese Lebensmittel wieder vernichtet werden müssen. Wir brauchen dringend – das steht auch in der Strategie – Erleichterungen für Lebensmittelspenden, sowohl in steuerlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Ich bedanke mich bei den Tausenden von Ehrenamtlichen in Deutschland, die jede Woche mit den Tafeln dafür sorgen, dass Lebensmittel gerettet werden und den Menschen zugutekommen, die sie auch dringend brauchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Doch 59 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel fallen in Privathaushalten an. Das heißt, auch hier müssen wir als Staat handeln und mit den Einzelhändlern, mit den Unternehmen oder auch mit der EU über Verpackungsgrößen diskutieren. Und Herr Minister, setzen Sie sich auf EU-Ebene dafür ein, dass das MHD, also das Mindesthaltbarkeitsdatum, reformiert wird. Das ist dringend erforderlich; denn die meisten Menschen glauben, dass nach Ablauf die Lebensmittel schlecht sind. An dieser Stelle bedanke ich mich auch wieder bei einer privaten Initiative, die in Deutschland viel bewegt, nämlich Too Good To Go, eine tolle App, wo man sehen kann, wo noch Lebensmittel abzuholen sind zu günstigen Preisen, bevor sie weggeworfen werden, zum Beispiel in Bäckereien und dergleichen. Das wird von Millionen Menschen bereits genutzt.

Mein großer Dank geht in diesem Zusammenhang auch an den Bürgerrat. Wenn ich die Ergebnisse des Bürgerrats betrachte, dann denke ich mir: Das ist genau die Unterstützung, die wir für die Ernährungsstrategie brauchen. Darin stehen wichtige Themen, die auch wir als SPD uns auf die Fahne geschrieben haben. Deswegen ist dieser Bürgerrat für uns sehr, sehr wichtig; denn wir wollen ja Politik für die Menschen in unserem Land machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Noch ein ganz kurzes Beispiel aus meiner Heimat: In der Mittelschule Freyung gibt es das EU-Schulobstprogramm und -Milchprogramm, normalerweise wird es nur in Grundschulen angeboten. Es ist begeisternd, zu sehen, wenn Kinder aus der 8. Klasse vormittags unter Aufsicht einer Lehrkraft Gemüse schnipseln, Obst schnipseln, Quark anrühren und das dann in der Pause wirklich von allen gerne gegessen wird. Dinge, die sie nach eigenen Aussagen zu Hause nie essen würden oder vielleicht nie probiert hätten, werden dort gegessen. Genau so müssen wir in unserem Land vorwärtsgehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Peter Felser für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609592
Wahlperiode 20
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Ernährungsstrategie der Bundesregierung
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