Nezahat BaradariSPD - Ernährungsstrategie der Bundesregierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Gut zu essen, muss für alle Menschen in diesem Land einfacher werden. Die vorgelegte Ernährungsstrategie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es liegt ein unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft erarbeiteter Maßnahmenkatalog vor, der die Ernährung und damit die Gesundheit der Menschen in diesem Land verbessern wird.
Als Kinder- und Jugendärztin liegen mir die Ernährung und Gesundheit unserer Jüngsten besonders am Herzen. Übergewicht und Adipositas können erhebliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen, wie beispielsweise Diabetes Typ 1 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die weiterhin die meisten Todesfälle ausmachen.
Das Ernährungsverhalten wird in der Kindheit entscheidend geprägt. Wer Übergewicht wirksam vorbeugen will, muss vor allem in dieser Phase mit der Prävention beginnen.
(Beifall der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD] und Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Zahlen zeigen die Dramatik: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, davon 6 Prozent adipös. Das sind die Ergebnisse der zweiten KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts. Besorgniserregend ist vor allem, dass Fehlernährung und Übergewicht zunehmend auch eine soziale Frage sind. Kinder und Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischem Status und mit Zuwanderungsgeschichte sowie ältere Menschen sind häufiger betroffen. Dieser Trend hat sich während der Coronapandemie leider noch verstärkt, auch weil der Zugang zu Sport und Ernährungsbildung in Schulen und Kindertagesstätten stark eingeschränkt war. Auch wenn es Anzeichen für eine Trendwende gibt, ist das kein Grund zum Ausruhen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung steuert jetzt mit Maßnahmen dagegen. Einige möchte ich hier besonders hervorheben:
Erstens. Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Kitas und Schulen sollen bis 2030 verbindlich eingeführt werden. Das bedeutet: Saisonales und regionales Essen kommt auf den Tisch. Das schont nicht nur das Klima; frisch und knackig schmeckt es auch besser.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Wie wahr, wie wahr!)
Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung geben nämlich täglich sage und schreibe 40 Millionen Essensportionen aus, und damit prägen sie maßgeblich die Essensgewohnheiten unserer Kinder.
Zweitens. Nicht zu unterschätzen ist die Macht der Werbung. Die Strategie der Bundesregierung sieht vor, an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt in Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige endlich zu verbieten.
(Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Eine auf diese Altersgruppe zugeschnittene Werbung für ungesunde Lebensmittel, Herr Kollege, ist kein Ausdruck wirtschaftlicher Freiheit. Sie ist unverantwortlich, sie ist gesundheitsschädigend, und ein Verbot ist aus medizinischer Sicht eine längst überfällige Maßnahme.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Drittens. Die Bundesregierung will Ernährungsarmut bekämpfen. Dazu muss man wissen: Der Geldbeutel entscheidet maßgeblich über gesundes oder nicht gesundes Essen; denn hochverarbeitete und nährstoffarme Lebensmittel sind billiger. Nährstoffarme Lebensmittel sind daher für Menschen mit geringem sozioökonomischem Status verständlicherweise attraktiver. Es soll ein Forschungskonzept die Zusammenhänge zwischen Einkommen, Ernährungskompetenz, Ernährungsstatus und Ernährungsgewohnheiten genauer erfassen.
Die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen zu Ernährungsthemen soll bei der Schwangerschaft anfangen und die frühkindliche Bildung umfassen. Dafür gibt es im außerschulischen Bereich Angebote wie die Tafel-Akademie oder „Lernort Bauernhof“-Betriebe. Studien belegen, dass die Zeit von der Empfängnis bis zum Ende des zweiten Lebensjahres, also die ersten 1 000 Tage im Leben eines Menschen, von entscheidender Bedeutung für seine weitere psychomotorische Entwicklung ist. Also: Es beginnt bereits bei der Muttermilch.
Wie eingangs erwähnt, kann die Ernährungsstrategie nur ein Anfang sein. Falsche Ernährung, mangelnde Bewegung und Übergewicht sind gesamtgesellschaftliche Probleme mit der Folge von chronischen Krankheiten. Letztendlich belasten sie den Menschen in seiner Lebensqualität und unsere Sozialsysteme über Generationen hinweg. Packen wir es gemeinsam an!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Ina Latendorf für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609602 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 163 |
Tagesordnungspunkt | Ernährungsstrategie der Bundesregierung |