11.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 163 / Tagesordnungspunkt 10

Luiza Licina-BodeSPD - Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauende! Herr Minister! Heute beraten wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur zweiten Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes, des sogenannten KapMuG. 2005 wurde Anlegern damit ein starkes Werkzeug in die Hand gegeben. Dieses Gesetz war eine notwendige Antwort auf die wachsenden privaten Investitionen auf dem Kapitalmarkt und dient vor allen Dingen dem Anlegerschutz.

Der Anlegerschutz ist ein essenzieller Pfeiler der sozialdemokratischen Rechts- und Finanzpolitik. Verbraucher, die in den Kapitalmarkt investieren, weisen nämlich eine besondere Schutzbedürftigkeit auf. Diese stehen oft einer Übermacht, auch an Informationen, gegenüber, die nicht nur für sie, sondern auch für Juristen oft sehr schwer zu durchschauen sind. Fehlerhafte oder irreführende Informationen am Kapitalmarkt können nämlich zu erheblichen Schäden führen – bis dahin, dass sich am Ende das gesamte hart ersparte Geld in Luft auflöst. Auch mit Betrügern, die wir in der Vergangenheit kennengelernt haben, wie einem Bernard Madoff oder einem Sam Bankman-Fried, die aus dem Zentrum der Kapitalmärkte heraus Anlegerinnen und Anleger um ihr Geld bringen, ist immer wieder zu rechnen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir mit dem KapMuG am Finanzmarkt Geschädigten im Rahmen eines Musterverfahrens die Möglichkeit geben, ihre Ansprüche gebündelt in einem Zivilprozess geltend zu machen. Und ja, die Verfahren sind kompliziert und können Jahre dauern. Aber wir wollen nicht darauf verzichten.

(Beifall bei der SPD)

Auch in Deutschland steigt die Anzahl der Menschen, wenn auch langsam, die in den Kapitalmarkt investieren, und damit auch die Bedeutung des Kapitalmarktes für die breite Bevölkerung. Ein effizientes Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist deshalb enorm wichtig für diese Verbraucherinnen und Verbraucher. Es erleichtert ihnen den Zugang zur Justiz und entlastet zugleich die Gerichte von Tausenden gleichgelagerten Klageverfahren, so wie beispielsweise seit 2019 am Landgericht in München im Wirecard-Prozess anhängig.

Die Praxisbefragung des BMJ von 2019 hat das KapMuG zwar grundsätzlich positiv bewertet – ja –, aber auch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Komplexität, der Dauer und der Verfahrensführung gesehen. Vor diesem Hintergrund entfristen wir nun das KapMuG und tragen mit diesem Gesetz auch dem Reformbedarf entsprechend Rechnung. Es gelten für uns die gleichen Leitplanken wie damals, nämlich kollektiven Rechtsschutz zu erleichtern und den zuständigen Gerichten zu ermöglichen, dass sie diese Musterverfahren schneller und unkomplizierter durchführen können.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Das hat ja gut funktioniert!)

Vor diesem Hintergrund ist es effizient, dass der Gesetzentwurf eine Fristverkürzung hinsichtlich des Musterverfahrensantrages vorsieht. Wir haben jetzt geregelt, dass die Frist zur Bekanntmachung durch das Ausgangsgericht von sechs auf drei Monate verkürzt wird, und auch, dass der Eröffnungsbeschluss des Musterverfahrens beim OLG binnen vier Monaten zu erfolgen hat.

Aber auch der Umfang des Musterverfahrens muss aus meiner Sicht praktikabel sein. Deshalb stärken wir die Oberlandesgerichte, indem wir ihnen nun die eigenständige Abwägung hinsichtlich der Feststellungsziele der Musterklage ermöglichen und sie damit für eine effektive Verfahrensdurchführung ausstatten.

Das Musterverfahren nach dem KapMuG ist aber auch neben der neu eingeführten Verbandsklage weiter zulässig. Das ist vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes noch ein Plus und ein zusätzliches Rechtsmittel, das wir da zur Verfügung stellen.

Soweit aber § 8 KapMuG, der grundsätzlich die aktuell geltende zwingende Aussetzung der entsprechenden Ausgangsverfahren vorsieht, im Gesetzentwurf entfallen soll, müssen wir hierauf meines Erachtens noch einmal besondere Aufmerksamkeit richten. Denn genau diese Vorschrift ist bisher die zentrale Vorschrift, durch die eben eine Verfahrensbündelung angestrebt und erreicht wurde. Die Aussetzung aller Ausgangsverfahren und die damit verbundene potenziell große Anzahl an Beteiligten im Musterverfahren stellt nämlich in der gerichtlichen Praxis meines Erachtens regelmäßig kein Problem dar, sondern vermeidet, dass Tausende parallele Prozesse in unterschiedlichen Instanzen zu Tatsachen und Rechtsfragen geführt werden, die gleich gelagert sind und bei denen wir am Ende auch noch unterschiedliche Urteile vorliegen haben.

Ein weiterer Punkt, den ich in dem Zusammenhang ansprechen möchte, ist das Problem, dass besonders in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten Verbraucherinnen und Verbraucher die Organisationsstruktur nicht einsehen können. Auf der anderen Seite tragen sie aber die volle Darlegungs- und Beweislast. Diesem Ungleichgewicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir vielleicht auch damit begegnen, dass wir uns im Rahmen der Beratungen einmal das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen anschauen, und zwar insbesondere den § 33g, der eine Umkehr der Beweislast insoweit vorsieht, als man einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der entsprechenden Beweismittel hat, die eben nur die Beklagtenseite besitzt. Ich meine, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher da im gerichtlichen Verfahren unterstützen müssen und mit Auskunfts- und Herausgabeansprüchen die Rechtsdurchsetzung insoweit flankieren müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich freue mich auf die Beratungen. Da haben wir ganz viel Gelegenheit, auch zu den Einzelheiten noch einmal ins Gespräch zu gehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Fabian Jacobi, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609688
Wahlperiode 20
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes
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