11.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 163 / Tagesordnungspunkt 19

Gero Clemens HockerFDP - Ernährungsstrategie der Bundesregierung

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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch nie in der Geschichte unseres Landes ist die Auswahl an Lebensmitteln größer gewesen. Noch nie wurden diese Lebensmittel transparenter und besser und nachvollziehbarer gekennzeichnet. Noch nie wurden diese Lebensmittel nachhaltiger erzeugt als im Jahre 2024.

Glücklicherweise ist der Hunger auf der Welt auf dem Rückzug; aber es gibt trotzdem Regionen auf diesem Planeten, wo er noch für Menschen im Alltag von existenzieller Bedeutung ist. Deswegen sage ich ganz ehrlich, dass ich es einigermaßen geschichtsvergessen und auch beschämend finde, wenn man in solchen Ländern unterwegs ist und mit Aussagen konfrontiert wird, dass in Deutschland in einigen Kreisen davon gesprochen wird, dass die Lebensmittelpolitik und Ernährungspolitik gescheitert sei. Ich finde, das ist wohlstandsbräsig. Wir müssen uns vielmehr darüber bewusst werden, was es für ein Segen ist, dass wir tagtäglich Lebensmittel höchster Qualität und in einer Vielzahl und Breite zur Verfügung haben wie nie zuvor in der Geschichte unseres Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, bei der Vielzahl der Lebensmittel das richtige Maß zu finden, das auf der einen Seite einem Menschen Genuss beschert, auf der anderen Seite aber ernährungsbedingte Krankheiten nicht befördert, muss in erster Linie in der Verantwortung eines jeden Einzelnen liegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Denn über den individuellen Kalorienverbrauch, vielleicht auch über die eigene Disziplin, das eigene Bewegungsprofil oder auch individuelle Vorlieben kann eben niemand besser entscheiden als jeder Konsument für sich selber, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Politik würde dem Verbraucher etwas vormachen, wenn sie den Eindruck erwecken würde, sie könne die Verantwortung für eine ausgewogene, für eine gesunde Ernährung, die auch Genuss ermöglicht, die ernährungsbedingte Erkrankungen und Übergewicht verhindert, dem Einzelnen abnehmen. Ich weiß, dass es nicht opportun ist, dass es vielleicht auch nicht mehrheitsfähig ist, dass es unpopulär ist, an die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen zu appellieren; aber ich glaube, dass es eine wahrhaftige Haltung ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Es kommt deswegen eben nicht auf Scheinlösungen an, die manchmal auch in Parlamenten diskutiert werden. Ich komme zum Thema Lebensmittelverschwendung. Meine Damen und Herren, nirgendwo werden mehr Lebensmittel, die noch genießbar sind, die noch verzehrbar sind, entsorgt, weggeschmissen als in privaten Haushalten. Fast die Hälfte aller weggeschmissenen und noch genießbaren Lebensmittel werden nicht in der Gastronomie entsorgt, nicht im Lebensmitteleinzelhandel, sondern aus den Kühlschränken von privaten Verbrauchern. Deswegen ist es so wichtig, auch an die Eigenverantwortlichkeit zu appellieren und zu verdeutlichen, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum – Kollegin Hagl-Kehl hat darauf hingewiesen – kein Dogma ist, sondern maximal eine Orientierung und Menschen sich viel häufiger auf ihre eigenen Sinne bei der Bewertung verlassen müssten, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist: auf ihren Geruchssinn, auf ihren Geschmackssinn, auf die optische Wahrnehmung. Wir kommen auch bei diesem Thema an der Eigenverantwortung des Verbrauchers nicht vorbei, wollen wir Lebensmittelverschwendung tatsächlich bekämpfen.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe den Eindruck, dass sich diese Frage der Eigenverantwortung auch und in besonderer Weise bei dem landläufig und auch in diesem Haus diskutierten Thema der Werbeverbote stellt. Wer glauben macht, man könnte krankhaftes Übergewicht, Adipositas, bei Kindern und Jugendlichen – das sage ich als jemand, der selber mal betroffen gewesen ist – durch pauschale Werbeverbote überwinden, macht den Menschen etwas vor. Übergewicht im Jugendalter, Übergewicht im Kindesalter hat vor allem auch mit Bewegung zu tun, hat mit Information zu tun, hat vielleicht auch mit kulturell falsch Erlerntem zu tun, hat mit Belohnungssystemen und vielen anderen Dingen mehr zu tun. Ich glaube, dass der Effekt von Werbeverboten marginal ist im Vergleich zu all den Dingen, die ich eben aufgezählt habe.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Stegemann [CDU/CSU]: Sehen wir genauso!)

Ich sage Ihnen ausdrücklich, verehrter Herr Minister: Lassen Sie uns gern darüber sprechen, wie man es hinbekommt, der an Kinder und Jugendliche gerichteten Werbung tatsächlich einen anderen Rechtsrahmen zu geben. Wir haben dafür eine ganz klare Formulierung im Koalitionsvertrag gefunden. Aber lassen Sie uns auch darüber sprechen, wie wir es hinbekommen, dass Kinder und Jugendliche mit Erreichen der Volljährigkeit tatsächlich auch eigenverantwortliche und kritische, Informationen hinterfragende Konsumenten sind. Das kriegen wir aber nicht mit pauschalen Werbeverboten für bestimmte Lebensmittel oder während bestimmter Tageszeiten hin, sondern da wird es darum gehen, Menschen an diese Verantwortung, mit der Volljährigkeit ein mündiger Verbraucher zu werden, heranzuführen.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Dr. Julia Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609769
Wahlperiode 20
Sitzung 163
Tagesordnungspunkt Ernährungsstrategie der Bundesregierung
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