12.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 164 / Zusatzpunkt 6

Rasha NasrSPD - DÜV-Anpassungsgesetz, Bezahlkartengesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetz zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht ändern wir heute auch Artikel 15 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die heiß diskutierte Bezahlkarte. Die konnte zwar bisher schon eingeführt werden. Die wenigsten Bundesländer haben davon aber Gebrauch gemacht, weil sie zunächst Rechtssicherheit wollten. Wir halten unser Wort – ich habe das angekündigt –; denn genau das tun wir heute: Wir geben den Ländern einen einheitlichen Rahmen.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist aber nicht die Rechtsgrundlage!)

Damit kommen wir dem Wunsch der Länder nach, den bisherigen Verwaltungsaufwand bei der Ausgabe von Leistungen zu reduzieren. Es ist eine pragmatische Lösung der Ampel, den Leistungserbringern genügend Ermessensspielraum zu geben, um den örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen gerecht zu werden. Das meint einerseits die Bargeldabhebefunktion und andererseits die Möglichkeit der ausführenden Länder und Kommunen, die Höhe des abhebbaren Betrags selbst festzulegen. Andererseits sorgen wir aber auch dafür, dass beispielsweise erwerbstätige Leistungsberechtigte mit eigenem Konto besser berücksichtigt werden. Wir finden es richtig, jene, die ein Einkommen aus Erwerbsarbeit oder beispielsweise eine Ausbildungsvergütung erhalten, nicht in das System der Bezahlkarte aufzunehmen. Mit den Änderungen regeln wir außerdem, dass Direktzahlungen wie Kosten für Heizung und Unterkunft direkt an die Vermieter möglich sind. Und es macht Sinn, dass wir das Verhältnis zwischen abhebbaren Geldleistungen und Leistungen per Kartenzahlung klären. Denn wer auf dem Land untergebracht wird und vielleicht keinen Fahrkartenautomaten findet, sondern die Fahrkarte im Bus mit Bargeld zahlen muss, wird und darf an der Bezahlkarte nicht scheitern.

Wir legen mit diesem Gesetzentwurf Wert auf Zielrichtung und Zweckmäßigkeit. Mehr Zweckmäßigkeit ist es auch, was die Debatte um die Bezahlkarte jetzt braucht: mehr Pragmatismus und weniger Schaum vorm Mund. Weder ist die Bezahlkarte die Lösung für alles, noch wird sie das individuelle Recht auf Asyl abschaffen. Was wir getan haben, ist, Rechtssicherheit zu schaffen, und damit hält die Koalition die Verabredung der 16 Länder mit dem Bundeskanzler ein. So weit, so gut.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Allen, die meinen, die Bezahlkarte sei das Allheilmittel in der Migrationsfrage, möchte ich aber ganz klar widersprechen. Diese Stimmen machen es sich zu einfach; denn Migrationsbewegungen haben vielfältige Gründe. Entscheidend für Migration sind vor allem der Aufenthaltsort von Freunden, Familie und der eigenen Community sowie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, in Frieden und Demokratie zu leben. Menschen kommen nicht allein wegen der Geldleistungen nach Deutschland. Sie kommen nicht nur für einige Hundert Euro im Monat.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Wer das behauptet, macht es sich nicht nur ziemlich leicht, sondern zeigt auch eine ziemliche Arroganz. Kein Mensch auf der Flucht wird umkehren, weil wir die Bezahlkarte möglich machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Eine Flucht ist niemals freiwillig. Wenn Menschen flüchten müssen, weil zu Hause Bomben fallen, dann ist es unsere oberste Pflicht, ihnen Schutz und Zuflucht zu gewähren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Und dann ist es ihnen in erster Linie auch egal, ob Leistungen als Sach- oder Geldleistungen ausgegeben werden.

Die Bezahlkarte kann ein Baustein, darf aber nicht der einzige sein. So leicht machen wir es uns dann doch nicht; denn unser Ziel ist nicht, Menschen zu gängeln oder möglichst lange im Sozialleistungsbezug zu halten. Und das ist auch nicht im Interesse der Menschen, die zu uns kommen; denn die allermeisten wollen arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. Sie wollen kein Geld vom Staat, sondern ihr eigenes Geld verdienen.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Da sprechen die Zahlen aber eine andere Sprache!)

Oft dürfen sie das nicht, und das ist das eigentliche Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir den Jobturbo an den Start gebracht und sorgen so dafür, dass Geflüchtete nach Abschluss des Integrationskurses alle sechs Wochen durch die Jobcenter kontaktiert werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Januar dieses Jahres Job-Berufssprachkurse auf den Weg gebracht, die den berufsbegleitenden Spracherwerb attraktiver und leichter zugänglich machen.

Und auch das Chancen-Aufenthaltsrecht ist für uns von großer Bedeutung; denn es ermöglicht über 130 000 Menschen, aus der Unsicherheit der Kettenduldung herauszukommen und sich endlich eine eigene Perspektive aufzubauen. Das hilft auch den Unternehmen, die händeringend auf der Suche nach Personal sind. Wenn sie diese Menschen einstellen wollen, haben sie endlich Rechtssicherheit.

Wir haben außerdem die Fristen der Arbeitsverbote für Geflüchtete im Asylbewerberleistungsgesetz abgesenkt, und auch mit der Stichtagsregelung im Fachkräfteeinwanderungsgesetz sorgen wir dafür, dass Potenziale im Bereich der Fluchtmigration endlich besser gehoben werden können. Das war längst überfällig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie sich nicht aufwiegeln von jenen, die die Bezahlkarte wie eine heilige Kuh vor sich hertragen und behaupten, sie löse jetzt jedes Problem. Lassen Sie sich aber auch nicht von jenen aufwiegeln, die meinen, dass die Koalition damit das individuelle Recht auf Asyl abschafft. Beides ist schlicht falsch.

Mir bleibt zum Schluss, zu sagen, dass es gut ist, dass jetzt hoffentlich endlich Ruhe in die Debatte kommt und die Bundesländer nun eine langfristige Perspektive bekommen. Aber wir werden weiterhin daran arbeiten, dass vor allem die Menschen im Asylbewerberleistungsgesetz endlich eine langfristige und ordentliche Perspektive bekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Als Nächste hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Petra Nicolaisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7609786
Wahlperiode 20
Sitzung 164
Tagesordnungspunkt DÜV-Anpassungsgesetz, Bezahlkartengesetz
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