Ruppert StüweSPD - Bekämpfung von Antisemitismus
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Angriff am 7. Oktober 2023 auf Israel war ein Akt des Antisemitismus. Er richtete sich gegen alle, die die Hamas den Jüdinnen und Juden zurechnete. Er lässt sich aus dem, was wir so oft Nahostkonflikt nennen, nicht begründen. Er war ein Akt reiner Menschenfeindlichkeit. Wir sprechen heute auch über Antisemitismus im Bildungssystem. Dort, wo ich solche Diskussionen führe, fangen sie immer mit dieser Feststellung an. Denn es geht auch darum, dass unser Bildungssystem schon lange nicht nur von den Nachfahren der Täter der Shoah geprägt ist. Es ist vielfältiger, und natürlich müssen wir an diese Vielfalt anknüpfen, wenn wir über Antisemitismus im deutschen Bildungssystem reden.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Vielfalt ist das Problem!)
Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt, den ich dieser Diskussion voranstellen möchte. In meinem Wahlkreis gibt es die Spiegelwand. Einen ihrer Initiatoren, Dieter Fitterling, haben wir am Mittwoch auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt. Auf ihr sind Namen deportierter Jüdinnen und Juden eingetragen. In dieser Wand spiegelt sich aber auch der Platz, auf dem sie steht. Sie macht mir, wenn ich an ihr vorbeigehe, immer wieder deutlich: Die Shoah hat einen Ort, und dieser Ort ist unser Land.
„Der Holocaust konnte in meinem Werk niemals in der Vergangenheitsform erscheinen.“ Diesen Satz prägt der Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Imre Kertész 2002 anlässlich seiner Literaturnobelpreisverleihung. Das Gleiche muss unsere Diskussionen über Antisemitismus im Bildungssystem prägen.
Wenn die Shoah einen Ort hat, dann hat Israel ein Existenzrecht. Der Vernichtungswille gegen eine Gruppe von Menschen kann nicht durch politische Auseinandersetzung gerechtfertigt werden. Wer den Terror gegen Jüdinnen und Juden mit dem Nahostkonflikt rechtfertigt, ist Antisemit. Hier geht es nicht um Meinungsäußerung innerhalb einer akademischen Debatte oder in einer Diskussion im Klassenzimmer. Das müssen wir immer wieder klarstellen.
(Beifall bei der SPD)
Wer einmal jüdische Schulen oder Kindergärten besucht hat, wer mit jüdischen Studierenden spricht, weiß auch, dass sie in den Bildungseinrichtungen von Antisemitismus betroffen sind.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
37 gemeldete Vorfälle gab es allein Ende November 2023. Bund und Länder müssen dem etwas entgegensetzen, und wir arbeiten in allen Bundesländern daran, auch in Berlin und auch mit der Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra.
(Beatrix von Storch [AfD]: Wer sind die Täter? Sagen Sie doch dazu mal was!)
– Ich bitte Sie, das in dieser Debatte nicht zu verhetzen.
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Sicherheits- und Sanktionsmechanismen müssen wir verschärfen. Viele Hochschulen etablieren gerade Strukturen, um jüdische Studierende, Mitarbeiter/-innen und Hochschullehrer/-innen zu unterstützen und zu schützen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Vor wem?)
Wir müssen Bildung und Forschung über Antisemitismus und über das jüdische Leben in Deutschland fördern. Auch das machen wir übrigens im BMBF mit den Forschungsverbünden zu „Aktuellen Dynamiken und Herausforderungen des Antisemitismus“. Ich will auch daran erinnern, dass gerade die Max-Planck-Gesellschaft seit Otto Hahns historischer Reise 1959 mit der Minerva Stiftung eine enge Beziehung hat. Auch das, finde ich, sollten wir nicht unerwähnt lassen, wenn wir über Antisemitismus im Bildungsbereich sprechen.
Das alles ist richtig und wichtig. Denn der Kampf gegen Antisemitismus in unseren Bildungseinrichtungen muss pädagogisch geführt werden, in multiprofessionellen Teams und mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Er muss aber auch repressiv geführt werden. Denn wir alle gemeinsam dürfen an unserer Haltung keinen Zweifel lassen: „Nie wieder!“ ist jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und weil ich noch 20 Sekunden Zeit habe: Sie können ja schon die ganze Debatte über nicht ertragen, dass wir über alles Mögliche in diesem Haus streiten, aber eines nicht machen, nämlich den Kampf gegen Antisemitismus dazu zu missbrauchen, gegen andere Menschen zu hetzen. Das eint uns alle, und das zeigt sich in den Debattenbeiträgen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Sie wollen die Wahrheit nicht sehen, und deshalb werden Sie das Problem nicht lösen!)
Herr Kollege.
Ich schäme mich dafür, dass wir diese Zwischenrufe im Deutschen Bundestag ertragen müssen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Stüwe. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609809 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Antisemitismus |