Johann SaathoffSPD - Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts
Moin, sehr geehrter Herr Präsident! Moin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als gebürtiger Ostfriese hier in der zweiten und dritten Lesung zur Namensrechtnovelle reden zu dürfen, das ist wirklich eine große Freude. Ich gebe zu, dass ich jetzt nicht die gesamte Bandbreite des Gesetzes wiedergebe, sondern das, was mir besonders wichtig ist, nämlich die Regelungen, die letzten Endes die friesischen Volksgruppen betreffen. Gern setze ich mich nämlich gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien im Parlamentskreis Plattdeutsch, aber auch in zahlreichen anderen Organisationen außerhalb des Bundestages für die friesischen Belange ein.
Ich möchte hier vor allen Dingen die in Aurich ansässige Ostfriesische Landschaft hervorheben, aber auch das Niederdeutschsekretariat, den Minderheitenrat und das Institut für niederdeutsche Sprache. Zudem möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass sich auch das Bundesministerium des Innern und für Heimat sehr für nationale Minderheiten einsetzt, unter anderem durch die Förderung des Bundesraats för Nedderdüütsch. Die friesischen Volksgruppen in Deutschland sind wichtig. Die Friesen insgesamt bestehen aus Nordfriesen, Ostfriesen und Saterfriesen. Es soll zwar nur rund 60 000 Friesen in Deutschland geben. Aber, meine Damen und Herren, fühlen Sie sich heute eingeladen: Friese ist, wer sich als Friese fühlt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dafür sorgt in Deutschland die Bekenntnisfreiheit der Minderheiten.
Mit der Namensrechtsnovelle werden wir ein Stück friesische Tradition wiederbeleben: Die Namensgebung nach dem Vornamen des Vaters wird möglich sein. Traditionell gibt es bei den Friesen eigentlich keine Familiennamen, sondern die Kinder erhielten neben dem eigentlichen Vornamen den Rufnamen des Vaters als Beinamen; auf Schlau heißt das „patronymische Namensgebung“. Die Beinamen werden aus dem Vornamen des Vaters gebildet, indem eine Genitivendung angefügt wird. Typisch friesische Genitivendungen sind -en wie bei Klaassen, -inga wie bei Poppinga oder -ena wie bei Cirksena.
Diese Tradition der Friesen wurde aber im 19. Jahrhundert abgeschafft. Mit kaiserlichem Dekret vom 18. August 1811 – ein schwarzer Tag für alle Ostfriesen –, dem sogenannten Code Napoléon, wurde angeordnet: Alle Bürger Ostfrieslands sollten feste Familiennamen führen. Napoleon ging es dabei weniger um die Strukturierung Ostfrieslands und um die Familiennamen; es ging um die gezielte Rekrutierung von Soldaten. Es gab halt unüberschaubar viele Jan Janssens damals in Ostfriesland, und die Rekrutierung war schwierig.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wie Ostfriesen so sind, ließen sie sich ihren Willen aber nicht verbieten und haben sich erst mal nicht darum gekümmert. Einige Jahre später versuchte auch König Georg IV. von Hannover, den Ostfriesen den aufrechten Gang beizubringen; auch er hatte nur wenig Erfolg damit. Erst mit dem Kaiserreich kamen auch die Friesen nicht mehr um die Nachnamen herum.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Die Preußen haben es geschafft!)
Als 1874 die Standesämter eingeführt wurden, mussten auch die Friesen feste Vornamen tragen. Das ist bis heute so – und bald nicht mehr.
Ich möchte die Rechtsänderung an einem Beispiel erläutern. Stellen Sie sich das Ehepaar Klaas und Wiebke Müller vor. Wiebke hat nun einen Sohn zur Welt gebracht und möchte ihn beim Standesamt der nordwestlichsten Gemeinde Deutschlands, der mit dem kleinen rot-gelben Leuchtturm – also beim Standesamt der Gemeinde Krummhörn –, anmelden. Denn wie sagt man so schön in Ostfriesland: Kind mut een Name hebben. Beim Vornamen können sich die beiden aus einer riesigen Menge bedienen – für mich manchmal ein bisschen mehr als genug –; sie haben also beim Vornamen auch schon ein paar Schwierigkeiten. Ich nehme jetzt mal den schönen Vornamen Fokko. Beim Familiennamen sind sie aber ziemlich eingeschränkt. Der Junge heißt also jetzt Fokko Müller. Wir werden es mit dieser Novelle ermöglichen, dass Fokko wieder einen Familiennamen nach traditioneller Form bekommen kann. Er heißt also künftig Fokko Klaassen.
Mit dieser Novelle gehen wir aber noch einen Schritt weiter. Wir lassen auch Matronyme zu, also Familiennamen, die aus dem Vornamen der Mutter abgeleitet werden.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Entspricht das der friesischen Tradition?)
Fokko könnte also mit Nachnamen auch Wiebkes heißen: Fokko Wiebkes.
Mit dem heutigen Beschluss werden wir die jahrhundertealte friesische Tradition wieder ermöglichen. Was für uns nur ein kleiner Passus in einem Artikelgesetz und dann im Bürgerlichen Gesetzbuch ist, bedeutet für viele Menschen die Möglichkeit der Rückkehr zu ihren Wurzeln. Friesische Kinder und auch Erwachsene werden sich – übrigens einmalig – umbenennen können. Und damit das Standesamt in der Gemeinde Krummhörn sich auch noch vorbereiten kann, wird dieses Gesetz erst zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Dies ist ein gutes Gesetz für ein modernes, aber auch für ein traditionsbewusstes Deutschland und für Ostfriesland. Un besten Dank an all, de dat möchlig maakt hebben un de dorför sörgt hebben, dat wi disse Novelle nu kriegen.
Besten Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Stefan Seidler [fraktionslos])
Vielen Dank. – Wir danken unserem friesischen Kollegen Johann Johannsen für diesen wunderbaren Beitrag.
Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Carsten Müller.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609821 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts |