Thomas HeilmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Arbeitsplätze in Ostdeutschland
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren in einer Aktuellen Stunde über das Thema Solar. Besser wäre es – da diese Aktuelle Stunde ja ganz gewiss ohne Konsequenzen bleiben wird –, wir würden über konkrete Gesetzesvorhaben zu diesem Thema sprechen. Das tun wir aber nicht, und das ist sehr bedauerlich. Das Parlament ist in einer Demokratie der zentrale Ort, um wichtige Fragen zu verhandeln, insbesondere Gesetze. Die Ampel aber verhandelt nicht und stellt damit aus meiner Sicht ein politisches, ein wirtschaftliches und übrigens auch ein verfassungsrechtliches Problem dar, und das will ich kurz erläutern.
Am 16. August 2023 hat das Bundeskabinett das sogenannte Solarpaket I beschlossen. Das ist acht lange Monate her, Herr Kellner. Am 13. Oktober letzten Jahres beschließt die Ministerpräsidentenkonferenz – übrigens einstimmig –, dass Sie, die Ampel, bitte schnell handeln sollen. Das ist jetzt fast genau sechs Monate her. Seitdem vertrösten Sie uns Parlamentarier und die interessierte Öffentlichkeit, ehrlich gesagt, mit Allgemeinplätzen. Über die Bedeutung der Solarindustrie sind wir uns alle einig und auch über den wichtigen Aspekt der Resilienz, über den wir uns natürlich grundsätzlich auch einig sind. Liebe Katrin Uhlig, Sie haben heute dazu ein schönes Beispiel geliefert, ohne dass wir wirklich zu einer Lösung gekommen sind.
Wir kommen inhaltlich hier im Parlament nicht voran. Es gibt keine Orientierung hinsichtlich wichtiger Rahmenbedingungen für die Solarindustrie. Und dieses Nichtentscheiden ist das Allerschlimmste. Lieber mal eine falsche Entscheidung treffen, die man korrigiert. Aber monatelang nicht zu entscheiden, ist mit Sicherheit das Falsche.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ralph Lenkert [Die Linke])
Es geht um mehr als um den Resilienzbonus. Es gibt vielmehr nicht beantwortete, nicht beratene und auch im Ausschuss nicht behandelte Angelegenheiten. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen.
Auf Gewerbedächern neu installierte Leistungen stagnieren – auf nicht sehr hohem Niveau –, und bei mittelgroßen PV-Dächern sind sie inzwischen sogar rückläufig. Man könnte darauf reagieren – sagen jedenfalls Leute, die sich auskennen – mit der Anhebung der anzulegenden Werte für Anlagen auf 1 Megawatt, jedenfalls für Standorte auf Gewerbeflächen. Sie selbst, Herr Staatssekretär, haben gerade gesagt, wir bräuchten das dringend. Aber beraten wird die Frage nicht.
(Dr. Nina Scheer [SPD]: Wären Sie jetzt mit dabei? Sondervermögen und Aussetzung der Schuldenbremse?)
Weiteres Beispiel. Bei der stark überzeichneten Ausschreibungsrunde letztes Jahr entfiel knapp die Hälfte der Zuschlagsmenge auf Anlagen über 20 Megawatt. Die Gesetzeslage ist aber so eingestellt, dass die entsprechende Regelung zum Jahresende ausläuft und wir dann diese Ausnahmeregelung für bis zu 100 Megawatt nicht mehr haben. Jetzt fragt sich die ganze Branche: Was passiert denn eigentlich? Erhöhen wir auf 100 Megawatt oder nicht? Für die Experten: Es geht um § 37 Absatz 3 EEG.
(Dr. Nina Scheer [SPD]: Sie wären für die Erhöhung?)
Und auch zu dieser Frage findet hier im Hause erst gar keine Debatte statt, auch nicht im zuständigen Ausschuss, Frau Scheer. Es gibt nur diese Aktuelle Stunde, die sicher ergebnislos verlaufen wird.
Für die betroffenen Wirtschaftszweige ist das ein sehr großes Problem. Seit acht Monaten warten sie auf Orientierung. Dies schädigt die Wirtschaft in Ost und in West übrigens auch. Es gefährdet Ihren größten Erfolg in der Ampel, nämlich den Ausbau der Solarindustrie. Frau Scheer, Sie haben es eine „dicke Säule“ genannt. Das ist ein massives wirtschaftliches Problem. Darin steckt ein politisches Problem, das sich zu einem echten Standortrisiko ausweitet. Denn wir alle wissen: Sie warten und schweigen hier nicht seit acht Monaten, weil Sie faul sind, sondern weil Sie sich nicht einigen können. Und das politische Problem ist, dass Sie keinen Klärungsmechanismus haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie können nicht klären, ob es eine 20-Megawatt-Grenze oder eine 100-Megawatt-Grenze geben soll. Sie können nicht klären, ob und welcher Resilienzbonus kommt.
Auch Koalitionen vor Ihnen hatten unterschiedliche Auffassungen.
(Dr. Nina Scheer [SPD]: Da haben Sie gebremst!)
Dafür gab es damals immer einen funktionierenden Koalitionsausschuss. Vorgestern saßen Sie wieder zusammen. Was ist denn da eigentlich rausgekommen? Nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nichts für dieses Thema, nichts für das Klimaschutzgesetz. Sie sind skandalöserweise untätig. Vielleicht hat das Treffen für die Beteiligten wenigstens ein gutes Essen gebracht.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Das ist aber echt billig, Herr Heilmann! Nur weil man selber nicht mehr da sitzen darf!)
Aber im Ernst: Eine Koalitionsregierung ohne wirksamen Mechanismus zur Klärung von Streitfragen kann sich Deutschland meines Erachtens nicht weiter leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dass Sie sich nicht einigen können, sieht man daran, dass Sie das Thema in der nächsten Sitzungswoche wieder nicht auf die Tagesordnung gesetzt haben, weder im Ausschuss noch im Plenum. Und hier beginnt, Frau Scheer, ein verfassungsrechtliches Problem.
(Dr. Nina Scheer [SPD]: Wir haben eine Teilverabschiedung gemacht! Das wissen Sie! Das hat Herr Kellner gerade gesagt!)
Sie schweigen seit acht Monaten in den zuständigen Gremien des Parlaments. Und ich sage Ihnen, wie das ausgeht, nämlich wie bei den letzten Malen: Sie werden uns irgendwann ganz kurzfristig einen Änderungsantrag über 70 Seiten vorstellen, wenn Sie sich über diese Fragen irgendwie geeinigt haben. Dann ist es, wenn es gut läuft, Sonntag, wenn es schlecht läuft, Dienstagabend. Mittwoch um 9 Uhr wird der Gesetzentwurf im Ausschuss final beraten, und dann wird das Gesetz hier in zweiter, dritter Lesung verabschiedet. Dann bleibt nicht mal eine Woche für die Beratung, die im Zentrum einer Demokratie, im Zentrum des Parlaments stehen sollte. Warum? Weil Sie sich monatelang nicht einigen. So können Sie nicht weitermachen.
Sie wissen: Ich habe im letzten Jahr das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen. Die haben für dieses Jahr eine Entscheidung angekündigt. Es wäre viel besser, Sie von der Ampel würden mit Ihrer Mehrheit und mit uns zusammen eine Lösung für dieses Problem suchen und nicht darauf warten, dass das Bundesverfassungsgericht darüber entscheidet.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Sie verweigern sich doch jeglicher Lösung! – Zuruf der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])
Herr Kollege.
Ich verweigere mich der Debatte überhaupt nicht, Frau Scheer, sondern ich sage Ihnen: Wir können so Themen nicht beraten. Es schadet der Wirtschaft. Es ist ein politisches Problem für die Ampel, und es ist ein verfassungsrechtliches Problem, das sich Deutschland nicht leisten kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Bernhard Herrmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609901 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Arbeitsplätze in Ostdeutschland |