24.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 165 / Tagesordnungspunkt 4

Manuel HöferlinFDP - Terrorabwehr in Deutschland

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte meine Rede gerne begonnen mit: Und täglich grüßt das Murmeltier.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Aber? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das kommt ja so selten vor!)

Dann ist mir aber aufgefallen, dass ich das vor einigen Monaten bei einem fast wortgleichen Antrag der CDU/CSU schon benutzt habe.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Sollte das jetzt lustig sein?)

Als ich dann weiter über den Antrag nachgedacht habe, drängte sich bei mir das Bild der Mottenkiste auf, in der immer wieder nach alten Konzepten gewühlt wird, die vergilbt und löchrig sind.

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hauptsache ein Klischee!)

Dann ist mir aufgefallen: Auch das habe ich zu einem ähnlichen Antrag von Ihnen schon gesagt. Also habe ich mir gedacht: Okay, vielleicht lässt du es mit der Einleitung. Komm einfach gleich auf die inhaltliche Auseinandersetzung,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Gute Idee!)

also auf bessere Argumente. – Das löste die Situation aber leider auch nicht auf.

Ich bin Ihren Antrag dann durchgegangen.

Warum die Vorratsdatenspeicherung nicht nur das falsche, sondern auch das gefährlichste Instrument ist, kann man nachlesen in meinen Reden in den Plenarprotokollen vom 18. Januar dieses Jahres, vom 1. Dezember, vom 22. Juni, vom 16. Juni und vom 19. Januar letzten Jahres. Deswegen spare ich mir das heute hier.

(Josef Oster [CDU/CSU]: So kann man sich auch über die Redezeit retten, Kollege!)

Warum die Ausweitung gewisser Befugnisse von Strafverfolgungsbehörden am Ende mehr schadet als nutzt? Alles besprochen in meinen Reden am 18. Januar dieses Jahres, am 1. Dezember, am 10. November, am 29. September, am 22. Juni, am 16. Juni, am 1. März und am 19. Januar des letzten Jahres.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Wenn Sie sonst nichts zu sagen haben!)

Warum das staatliche Hacken durch Bundestrojaner eine ebenso schlechte Idee ist wie die Verwendung der höchst fragwürdigen Palantir-Software, habe ich vorgetragen am 18. Januar dieses Jahres, am 1. Dezember, am 22. Juni, am 21. April letzten Jahres und am Montag dieser Woche in der Anhörung zum Thema Palantir.

Deswegen möchte ich gerne ein bisschen grundsätzlicher mit Ihrem Antrag umgehen. Was ist der Kern? Warum halte ich die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen teilweise für schädlich, in einigen Fällen sogar für gefährlich? Weil sie Sicherheit und Freiheit immer wieder gegeneinander ausspielen, meine Damen und Herren, immer wieder, und das ist nicht in Ordnung.

Kollege Höferlin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Lindholz?

Ja, sehr gerne.

(Daniel Baldy [SPD]: Die Antwort steht im Protokoll! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bitte.

Sehr geehrter Herr Kollege Höferlin, erst mal vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Der Kollege Fiedler von der SPD setzte sich zu Recht von Anfang an für die laut dem Europäischen Gerichtshof mögliche IP-Adressen-Speicherung ein. Ich darf aus einem aktuellen Interview von Herrn Fiedler zitieren und Sie um Stellungnahme bitten:

„Kinderpornographie ist ein Thema, Hass und Hetze im Netz, Cyber-Kriminalität, Terrorismus ist ein Thema, bei dem ich nicht einfach sagen kann, hier wird ein politischer Kuhhandel gemacht, sondern hier geht es um handfeste Opfer, die wir hier verhindern wollen, und wirklich Schwerkriminalität, die wir aufklären müssen. Darum geht es und deswegen brauchen wir diese Daten.“

Die Innenministerin ist dafür, die SPD ist dafür, der Experte ist dafür, aber die FDP ist weiter gegen die IP-Adressen-Speicherung. Erklären Sie uns doch bitte noch mal, wie sich das in einer Koalition miteinander verträgt!

Sehr geehrte Frau Kollegin, vielen Dank für die Frage, gibt sie mir doch drei Minuten Zeit, zum Thema „Vorratsdatenspeicherung und Quick Freeze“ auszuführen. – Wir haben uns in der Koalition geeinigt, ein Instrument zur Strafverfolgung einzusetzen, das sicher rechtskonform ist. Denn Sie haben es in all den Jahren nicht geschafft, auch nur einen einzigen Vorschlag für eine Vorratsdatenspeicherung – es ist egal, wie man sie nennt, ob man sie jetzt IP-Adressen-Speicherung nennt –

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Nee, nee! Das ist nicht egal!)

am Ende verfassungskonform oder europarechtskonform auszugestalten. Das ist der Grund, warum die Strafermittlungsbehörden seit Jahren – seit über einem Jahrzehnt! – kein Instrument haben, um all diese schweren Verbrechen, die Sie zu Recht vortragen, nachzuverfolgen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Beantworten Sie doch mal die Frage! – Detlef Seif [CDU/CSU]: Aber mit Quick Freeze geht das doch auch nicht!)

Deswegen plädiere ich dringend dafür, dass wir endlich ein Instrument, das rechtssicher anwendbar ist, nämlich Quick Freeze, einführen.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Rechtssicher, aber untauglich!)

Jeder, der sich diesem Instrument, das sicher rechtssicher ist, und seiner Einführung, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, verweigert, der sperrt sich gegen ein weiteres Ermittlungsinstrument – überhaupt das einzige; denn in der Tat war die Vorratsdatenspeicherung ja nie anwendbar, wenn man von wenigen Tagen absieht. Alle Ihre Vorschläge zur Ausgestaltung dieser Möglichkeit, alle diese Ausgestaltungen waren nie anwendbar. Deswegen war das immer ein Scheinargument.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Beantworten Sie doch einfach mal die Frage! Immer noch keine Antwort!)

Die Koalition hat sich zu Recht für ein rechtssicheres Instrument ausgesprochen.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Nicht die Koalition! Sie haben sich durchgesetzt!)

Es ist auch gut, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann jetzt eine Einigung herbeigeführt hat, dass ein Vorschlag auf dem Tisch liegt. Wir werden in der Koalition intensiv besprechen, wie wir ein rechtssicheres Instrument einführen,

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist aber untauglich!)

anstatt, wie Sie das über Jahre, über ein Jahrzehnt hinweg gemacht haben, immer wieder auf ein verfassungswidriges Instrument zurückzugreifen, mit dem man jedes Mal wieder krachend scheitert. Das ist der Unterschied. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das umsetzen werden.

(Beifall bei der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Sie beantworten die Frage nicht! Leider keine Antwort, Herr Höferlin!)

Es ist auch gar nicht nötig.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: … zu antworten! Genau!)

Denn wir wollen eine innere Sicherheit, die Maß und Mitte gewährleistet – keine Schnellschüsse –, die das Land sicherer macht und die die Freiheit der Menschen nicht scheibchenweise beschneidet, so wie das in den letzten Jahren immer wieder passiert ist.

(Zuruf des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU])

Der Unterschied zu dem, was Sie in der Sicherheitspolitik seit Jahren gemacht haben, liebe Kollegen der CDU/CSU, ist, dass wir jetzt evidenzbasierte Sicherheitspolitik machen. Das heißt, wir stapeln nicht immer mehr vom Gleichen aufeinander nach dem Prinzip „Hoffnung ohne Rücksicht auf Verluste; das wird schon irgendwie gut gehen vor Gericht“, sondern wir setzen um, was einen wirklichen Mehrwert, einen Sicherheitsgewinn bedeutet.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Das hat keinen Mehrwert! Untauglich!)

Kurzum: Wir machen Sicherheitspolitik, Innenpolitik nach belastbaren Methoden und Daten und nicht nach einem diffusen Bauchgefühl.

Genau diese Maßnahmen hat die Kollegin Dorothee Martin auch aufgeführt. Es gibt Maßnahmen, die wir in der Innenpolitik durchführen.

Zweitens. Viele der von Ihnen geforderten Maßnahmen gefährden potenziell das, was wir eigentlich schützen wollen, nämlich die freiheitliche Art, wie wir zusammenleben. Viele der Maßnahmen, die Sie vorschlagen, öffnen Missbrauch Tür und Tor. Sie tun so, als seien die Bürgerrechte der Menschen ein Sicherheitsrisiko. Das sind sie gar nicht, meine Damen und Herren. Es ist nämlich nicht so, wie es in all Ihren Anträgen immer wieder anklingt, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gegenüber dem Staat um Freiheit betteln müssen, sondern es ist genau umgekehrt. Es ist so, dass der Staat von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land die Erlaubnis erhält, Freiheitsrechte einzuschränken. Das ist der Unterschied zwischen der Politik unserer Koalition und dem, was Sie seit Jahren an Sicherheitspolitik, an Innenpolitik gemacht haben. Es ist ein grundsätzlich anderes Sicherheits- und innenpolitisches Verständnis,

(Josef Oster [CDU/CSU]: Genau!)

und das werden wir auch weiterhin so umsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das teilen bloß nicht alle Innenpolitiker der Koalition!)

Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir endlich eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellen.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Wir brauchen eine Bedrohungsgesamtrechnung!)

Sie ist deshalb wichtig, weil sie aufzeigt, welche Maßnahmen in den vielen, vielen Gesetzen, die Sie in den letzten Jahren verschachtelt auf den Weg gebracht haben, vorliegen, damit endlich mal klar wird: Wo ist denn eigentlich der Freiheitsspielraum, den Menschen noch haben? Sie machen in Ihrem Antrag das Gegenteil: Sie ziehen die Überwachungsgesamtrechnung mit einem Wortspiel ins Lächerliche. Das ist echt schäbig.

Dabei, meine Damen und Herren, sollte es eigentlich Konsens zwischen allen hier sein, dass wir mit Bürgerrechten nicht leichtfertig umgehen,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Macht auch keiner! Das ist eine Unterstellung! Fakt ist: Sie bringen nichts weiter!)

dass der mögliche Missbrauch bei Ihren Forderungen auch mal mitgedacht wird. Wenn Sie sich fragen: „Warum ist es so wichtig, dass man vorher überlegt, wie solche Eingriffsbefugnisse später mal genutzt werden können?“, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der CDU, dann schauen Sie doch einmal nach rechts, und dann lassen Sie das kurz auf sich wirken.

Wer weiß denn, vor welche Herausforderungen die Regierungen in Bund und Ländern in Zukunft gestellt werden? Deswegen ist es sehr klug, heute und immer wieder auf diesen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit zu schauen

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Den hat die FDP allein gepachtet! Da ignorieren wir mal die Behördenchefs einfach so! – Zuruf des Abg. Detlef Seif [CDU/CSU])

und nicht immer penetrant, sehr einfach denkend, neue Sicherheitsbefugnisse zu fordern.

Besser wäre es auch, wenn wir in Zukunft den Fokus stärker darauf legen würden, was uns eint. Uns eint nämlich eigentlich, dass wir ein sicheres und gleichzeitig freies Leben der Menschen in Deutschland wollen. Das ist bürgerliche Politik; das schreiben Sie sich auf die Fahnen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Unterhalten Sie sich mal mit Herrn Haldenwang!)

Ich freue mich, wenn wir bei diesem Thema weiterkommen und nicht weiter in der Mottenkiste wühlen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist dann die Mottenkiste der Behördenchefs und Minister!)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Josef Oster das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610316
Wahlperiode 20
Sitzung 165
Tagesordnungspunkt Terrorabwehr in Deutschland
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta