Frank SchwabeSPD - 20 Jahre EU-Osterweiterung
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die Europäische Union ist in der Tat ein wundervolles Projekt. Es ist die Idee, gemeinsame Regeln zu verabreden und im Gegenzug dafür Frieden, Freiheit, wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu bekommen. Und so schrecklich der Brexit war, mein Eindruck ist, dass es am Ende ein heilsamer Schock für viele Länder der Europäischen Union war, selbst für diejenigen, die sich gelegentlich rhetorisch gegen die Europäische Union inszenieren. Niemand von diesen Staaten will aus der Europäischen Union austreten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Achim Post [Minden] [SPD]: Nur die AfD!)
Die Europäische Union aber ist nicht nur ein wirtschaftliches und soziales Projekt, sondern es ist eben auch ein Raum für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Welche Sorgen haben wir uns um Polen gemacht! Und wir machen uns Sorgen – ich darf das hier sagen, weil die Debatte ja auch im Land geführt wird – um Ungarn. Aber ich glaube, wir müssen mal nachdenken: Wo wären diese Staaten in Sachen Rechtsstaatlichkeit eigentlich heute, wenn sie nicht die Leitplanken der Europäischen Union gehabt hätten?
Ich will gern auch an eine andere europäische Organisation erinnern, die in Deutschland wenig bekannt ist, die auch was mit diesen Werten Europas zu tun hat und eigentlich die große Schwester oder der große Bruder der Europäischen Union ist, weil es geografisch das große Europa repräsentiert, nämlich 46 Mitgliedstaaten. Als Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats lege ich immer wieder Wert darauf, dass wir eine gewisse Eigenständigkeit haben und kein Anhängsel der Europäischen Union sind. Heute will ich aber gern sagen, dass wir versuchen sollten, diese Institutionen auch zusammen zu denken und zu überlegen, wie auch die Rolle des Europarats bei den zukünftigen Erweiterungsprozessen genutzt werden kann.
Im Grunde liegt die Rolle des Europarats eigentlich auf der Hand, wenn man sich allein die bloßen Jahreszahlen des Beitritts der Länder anguckt. Alle Staaten, die 2004 Mitglied der Europäischen Union geworden sind, sind Jahre vorher Mitglied des Europarats geworden und haben die notwendigen Monitoringprozesse in Sachen Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte durchlaufen. So sind sieben der acht Erweiterungsstaaten des 1. Mai 2004, an den wir heute besonders erinnern, bereits zwischen 1990 und 1993 Mitglieder des Europarats geworden.
Warum sage ich das? Ich empfehle – die Staatsministerin ahnt es schon –, das auch für die Zukunft zu nutzen. Ich empfehle, die Mitgliedschaft im Europarat auch für zukünftige Erweiterungsprozesse der Europäischen Union zu nutzen,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Knut Abraham [CDU/CSU])
vor allem dann, wenn es um weitere Erweiterungsverfahren geht, nämlich zum Beispiel der sechs Westbalkanstaaten Albanien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und eben auch Kosovo. Ich sage das deshalb, weil Kosovos Premierminister Albin Kurti heute in Berlin ist. Er hat heute Morgen schon eine Rede in der Bertelsmann-Stiftung gehalten und wird heute Abend auch hier im Bundestag reden. Trotz aller schwierigen Fragen der Anerkennung oder Nichtanerkennung Kosovos – oder wie die Kosovaren lieber sagen: Kosovas –: Kosovo gehört zur europäischen Familie. Ich finde, das müssen wir klarmachen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Knut Abraham [CDU/CSU])
Kosovo braucht die Anbindung an die Institutionen Europas. Es darf kein grauer Fleck in diesem europäischen Gefüge bleiben. Das wäre gefährlich für Kosovo selbst, aber auch für die Entwicklung Europas. Kosovo hat sich verpflichtet, die Konventionen des Europarats in nationales Recht zu implementieren, unter anderem auch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995. Und nach einem langen Streit ist die strittige Frage rund um das Kloster Dečani gelöst. Albin Kurti hat heute angekündigt, dass auch die Frage des serbischen Gemeindeverbandes im Kosovo in eine gute Zukunft geführt wird.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat in der letzten Woche die Aufnahme in den Europarat mit einer Vierfünftelmehrheit beschlossen. Die demokratischen Fraktionen aus dem Deutschen Bundestag haben diesem Beitritt jedenfalls zugestimmt. Ich glaube, ich kann das hier so sagen, und es wäre wichtig, dieses Zeichen hier auch zu geben, dass in der breiten Mitte dieses Hauses dieses Ersuchen unterstützt wird und wir die deutsche Bundesregierung bitten, beim Ministertreffen im Mai einer solchen Aufnahme Kosovos in den Europarat zuzustimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Knut Abraham [CDU/CSU])
Das wäre jedenfalls ein guter Schritt zu einer weiteren Phase der Erweiterung der Europäischen Union, der Integration der Ukraine, Moldaus und eben auch der Westbalkanstaaten inklusive Kosovos, um Freiheit, Frieden, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in Europa weiter voranzubringen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Thomas Hacker.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610374 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | 20 Jahre EU-Osterweiterung |