25.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 166 / Tagesordnungspunkt 6

Ralph BrinkhausCDU/CSU - 20 Jahre EU-Osterweiterung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schön, dass wir heute mal was feiern; denn wir feiern hier ja eigentlich sehr wenige Erfolgsgeschichten. 20 Jahre EU-Osterweiterung ist aber eine Erfolgsgeschichte. Der eine oder andere, der hier im Saal sitzt, hat daran mitgewirkt, und deswegen ist es gut, dass wir uns heute einfach mal freuen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, nach der Erweiterung ist vor der Erweiterung. Es ist schon mehrfach angesprochen worden: Es sind nicht nur die Ukraine, die Republik Moldau, Georgien, sondern auch der Westbalkan, die noch vor der Tür stehen. Deswegen gestatten Sie mir drei Gedanken.

Der erste Gedanke: In Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union geht es um Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und den Schutz von Minderheiten. In Artikel 3 steht, was die Europäische Union überhaupt macht. Das ist mit Bedacht gemacht worden, weil die Europäische Union nicht in erster Linie eine Wirtschaftsunion und eine Friedensunion ist, sondern sie ist in erster Linie eine Werteunion, meine Damen und Herren. Und die Werte, die dort niedergelegt sind, sind die Grundlage und die Leitlinie, die moralische Grundlage für unser politisches Handeln. Deswegen sollten wir ganz klar betonen – auch hier und heute –: Wer diese Werte teilt, ist in der Europäischen Union herzlich willkommen. Wer diese Werte nicht oder – auch das sage ich ganz ausdrücklich – nicht mehr teilt, muss sich überlegen, ob die Europäische Union der richtige Platz ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zweiter Gedanke: Im Europaausschuss haben wir sehr oft Gäste, insbesondere vom Westbalkan. Die beklagen sich dann und sagen: Wir warten jetzt schon so lange darauf, dass wir Mitglied in der Europäischen Union werden. – Stimmt auch, Montenegro beispielsweise: 15 Jahre. Bei anderen Ländern dauert der Prozess noch viel, viel länger. Man muss allerdings immer wieder sagen: Es liegt nicht an uns, sondern der Beitrittsprozess ist klar definiert; es ist klar definiert, welche Bedingungen ihr zu erfüllen habt. Ob das schneller oder langsamer geht, liegt an den Politikerinnen und Politikern in euren Ländern. – Kleine Botschaft nach Georgien zum Beispiel. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es, glaube ich, wichtig, dass wir ein besseres Erwartungsmanagement machen – gerade bei den neuen Beitrittskandidaten –, dass wir ganz klar sagen: Wir haben bestimmte Kriterien, die erfüllt werden müssen.

(Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nordmazedonien!)

An der einen oder anderen Stelle ist es so, dass mir die Euphorie, die auch hier im Deutschen Bundestag gehegt wird, manchmal etwas zu groß ist, weil diese Euphorie – so berechtigt sie auch sein mag – immer dazu führt, dass Erwartungen geweckt werden, die wir dann nicht erfüllen können. Deswegen muss man ganz klar sagen: Der Beitrittsprozess ist hart, er ist aufwendig. Es gibt keinen Rabatt, es gibt keine Überholspur, und es liegt an den Ländern selbst, die Bedingungen zu erfüllen oder nicht zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Nordmazedonien?)

Dritter Gedanke. Meine Damen und Herren, es ist aus geopolitischen Gründen und auch, weil die Menschen es verdient haben – das ist an dieser Stelle gesagt worden –, sehr, sehr wichtig, dass wir die Erweiterung der Europäischen Union, dass wir Europa vollenden. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir diskutieren momentan sehr, sehr stark anhand der geopolitischen Linien. Ja klar, wir wollen alle die Ukraine an uns binden, um sie zu schützen. Ja klar, wir wollen den Westbalkan in Europa haben, damit dort kein Vakuum geschaffen wird für Chinesen, für Saudi-Arabien, für die Türkei oder für Russland.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Aber?)

Das ist die eine Sache, die ist wichtig.

Aber die andere Sache ist auch wichtig: Die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union muss erhalten bleiben. Wir als Europäer können nur zusammen gegenüber den großen Polen, China und USA erfolgreich sein. Aber dafür müssen wir auch zusammen handeln können. Und dieses Zusammen-handeln-Können ist manchmal sehr anstrengend und schwer, Stichwort „Ungarn“, Stichwort „Einstimmigkeitsentscheidung“.

Deswegen müssen wir uns auch fragen: Sind unsere Institutionen tatsächlich reif dafür, neue Länder aufzunehmen? Was müssen wir noch tun? Denn noch etwas ist wichtig, meine Damen und Herren: Es ist klar, dass wir auf der einen Seite eine Erweiterung brauchen, aber auf der anderen Seite sind auch die Handlungsfähigkeit, die Integrität, die Vertiefung der Integration – gerade im Bereich Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik – wichtig. Auch das sollten wir bedenken und aus den Erfahrungen von 20 Jahren EU-Osterweiterung lernen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Anton Hofreiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610376
Wahlperiode 20
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt 20 Jahre EU-Osterweiterung
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