Hannes GnauckAfD - Nationaler Veteranentag, Versorgung der Veteranen
Frau Präsidentin! Frau Wehrbeauftragte! Sehr geehrte Gäste auf den Tribünen! Meine Damen und Herren! Ich stehe heute nicht nur als Abgeordneter meiner Fraktion vor Ihnen, sondern auch als ehemaliger Soldat und Afghanistan-Veteran. Dementsprechend ist es für mich ebenfalls ein Herzensanliegen, an dieser Stelle für die Leistung der Truppe einzutreten und sie ehrenvoll zu würdigen.
In den Auslandseinsätzen der Bundeswehr kamen insgesamt 116 Kameraden ums Leben; allein in Afghanistan fielen 59 deutsche Soldaten, 59 Männer und Frauen, die ihr Leben nicht mehr fortführen können, die vielleicht keine Chance hatten, eine eigene Familie zu gründen, oder diese nun in ihrer Trauer zurücklassen mussten, 59 Familien, die einen geliebten Sohn oder eine geliebte Tochter, eine Mutter oder einen Papa haben, der oder die nicht mehr nach Hause kam, Zehntausende, die seelisch und körperlich verwundet zurückkehrten, aber doch nie wieder wirklich nach Hause kamen. Für sie alle und ihre Familien war die Welt auf einmal eine andere. Als verantwortliches Parlament ist es unsere Verpflichtung, nun auch für die Kameraden, die unser Land unter Einsatz ihres Lebens beschützten, einzustehen und auch den Hinterbliebenen die Möglichkeit eines ehrenden Gedenkens zu schaffen.
(Beifall bei der AfD)
Das Schicksal eines Kameraden aus dem Kontingent, mit dem ich im Einsatz war, lässt mich bis heute nicht los. Am 3. Oktober 2019 ist der letzte deutsche Soldat in Afghanistan gestorben, ein Stabsunteroffizier aus der ABC-Abwehrtruppe, der sich wenige Tage, bevor er nach Deutschland zurückkehren sollte, selbst das Leben nahm. – Es ist an der Zeit, unsere Soldaten mit einem Veteranentag zu ehren und sie in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
Als Politiker muss ich diesen Antrag jedoch auch im politischen Kontext bewerten. Die mangelhafte Ausstattung unserer Bundeswehr, wie im Wehrbericht dokumentiert, wirft ein paar Fragen besonders angesichts des Zeitpunktes dieses Vorschlages auf.
Das Steadfast-Defender-Manöver geht im Mai in seine letzte Phase. Wir sehen dann das größte NATO-Manöver seit Ende des Kalten Krieges. Aus dem gesamten NATO-Westen inklusive Nordamerikas werden 90 000 Soldaten samt Gefechtsfahrzeugen, Kampfflugzeugen und Marineeinheiten an die Ostflanke verlegt. Von Norwegen über Litauen und Polen bis Rumänien soll das Übungsgebiet reichen. Die Bundeswehr beteiligt sich mit insgesamt 12 000 Soldaten und 3 000 Gefechtsfahrzeugen an zehn Teilübungen. Es wird die größte deutsche Übung seit Jahren.
Es gehe jetzt darum, Schnelligkeit und Fähigkeit zu zeigen, um glaubhafte Abschreckung zu demonstrieren. Deutschland sei dabei als Drehscheibe besonders wichtig und ist deshalb besonders engagiert. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, erklärte dazu, dass die Bundeswehr bei diesen NATO-Plänen jetzt „all in“ gehe. Nicht länger würden kleine Kontingente, die man für das internationale Krisenmanagement abgestellt hat, benötigt werden, jetzt müsse man für den Kriegsfall üben. Das sind Worte, die mich sehr nachdenklich machen. Man wolle zu Ernstfallvorbereitungen an der NATO-Ostflanke all diese NATO-Teiltruppen als schlagkräftige militärische Verbände zusammenführen. In diesem Unterfangen könne er deutliche Schritte in Richtung Krieg – und da korrigiert sich General Breuer direkt –, Richtung Kriegstüchtigkeit ausmachen.
Es ist selbstverständlich korrekt, dass der militärische Angriff Russlands im Februar 2022 zu verurteilen ist. Aber es sollte sich langsam jedem normal denkenden Menschen eröffnet haben, dass das Sterben ein Ende finden muss und dass man in dieser Lage nun mal in Verhandlungen auf Moskau zugehen muss, egal wie einem das missfällt.
(Beifall bei der AfD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist der Kreml-Sprechzettel!)
Mit jedem Tag – da sollten sich alle in diesem Haus ehrlich machen – wird ein Sieg der Ukraine unrealistischer. Es ist eigentlich längst Illusion, von einem militärischen Sieg der Ukraine auszugehen.
(Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Der einzige Weg, noch einen militärischen Sieg über Russland zu erreichen, wäre eine Beteiligung anderer Armeen auf der Seite der Ukraine. Dazu hat sich Herr Macron bereits mehr als deutlich geäußert.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das ist doch Blödsinn! – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ist Herr Macron deutscher Veteran?)
Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat ein Szenario entworfen, wie NATO-Staaten auf ukrainischem Boden gegen russische Soldaten kämpfen könnten, ohne den Bündnisfall auszulösen.
Ich will auf diese Aspekte im Detail gar nicht weiter eingehen. Ich will an dieser Stelle nur an Sie alle appellieren. Ich bitte Sie nicht als Abgeordneter der AfD oder als Mitglied des Verteidigungsausschusses, sondern als Hannes Gnauck,
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Schlimm genug!)
Oberfeldwebel des Panzergrenadierbataillons 411 und Afghanistan-Veteran des 15. Kontingentes Resolute Support, CS Coy in Masar-i Scharif, Kundus und Maimana: Verhindern Sie die größte Katastrophe des 21. Jahrhunderts! Überwinden Sie Ihren Stolz, und setzen Sie sich an den Verhandlungstisch! Kein einziger deutscher oder auch europäischer Soldat soll wieder an der Ostfront fallen.
(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
Sorgen Sie stattdessen dafür, dass unsere Veteranen gut versorgt werden und dass sich die Anzahl der im Einsatz versehrten Kameraden nicht erhöht! Ich fordere daher auch eine Überarbeitung der Versorgungsstrukturen, insbesondere um die Unterschiede zwischen Berufs- und Zeitsoldaten zu korrigieren. Derzeit erhalten Zeitsoldaten oft geringere Versorgungsleistungen als ihre Kameraden, die als Berufssoldaten dienen, selbst wenn beide in denselben Einsätzen kämpfen und verwundet werden. Dies ist eine offensichtliche Ungerechtigkeit, die korrigiert werden muss. Die Bundeswehr und der Berufsförderungsdienst bieten zwar eine Reihe von Maßnahmen zur Karriereförderung und zur Wiedereingliederung in das zivile Berufsleben an, doch sollten die Unterstützungsleistungen während und nach dem Dienst für alle gleichermaßen zugänglich sein.
Unsere Truppe verdient Anerkennung nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten. Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns die Bedingungen für all unsere Soldaten verbessern und sicherstellen, dass kein Soldat wegen bürokratischer Unterscheidungen zwischen Dienstverhältnissen benachteiligt wird. Ich begrüße die überfällige Anerkennung der Leistungen unserer Veteranen. Aber ich verurteile Ihren leichtsinnigen Umgang mit der Tapferkeit unserer Soldaten und ihrem Schicksal,
(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das sagt der Richtige!)
über das Sie mit Ihren Handlungen entscheiden. Unzählige tapfere Männer und Frauen, die für Deutschland ihren Kopf hingehalten haben und mit seelischen und körperlichen Wunden den Rest ihres Lebens verbringen müssen, sollten uns alle mahnen. Für ihre herausragenden Leistungen haben unsere Soldaten den größten Respekt, Dank und Hilfe verdient, die unsere Gesellschaft nur leisten kann.
Ich bedanke mich.
(Beifall bei der AfD)
Der nächste Redner ist Christian Sauter für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610443 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Nationaler Veteranentag, Versorgung der Veteranen |