25.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 3

Thorsten LiebFDP - Bewertung der Euro-Währungsunion

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion möchte mit diesem Antrag über Integrationsverantwortung in der Europäischen Union reden. Aber dann lassen Sie uns doch genau dies gemeinsam tun. Es entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die AfD-Fraktion einen solchen Antrag stellt.

(Johannes Schraps [SPD]: Genau!)

Wir müssen ja nur ins Europawahlprogramm gucken: Was Sie in Wahrheit wollen, ist ein Austritt aus der EU, ist eine Abschaffung des Euro. Das ist doch die Wahrheit darüber, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ottilie Klein [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie wollen nämlich nicht Integration gestalten, sondern Sie wollen Desintegration vorantreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darum geht es doch am Ende des Tages. Denn Integrationsverantwortung ist ja weit mehr als nur eine Kontrolle durch uns als Parlament, wie wir das beispielsweise im geldpolitischen Dialog machen, um die Einhaltung des Rechts sicherzustellen.

(Peter Boehringer [AfD]: Das wäre aber mal ein guter Anfang!)

Unser Grundgesetz macht doch eines deutlich – vielleicht lesen Sie es gelegentlich mal nach –: Es will eine europäische Integration. Es gilt hier der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit und damit auch der Grundsatz der Integrationsverantwortung. Sie wollen genau diese Verantwortung nicht übernehmen. Das ist doch die Wahrheit.

(Albrecht Glaser [AfD]: Dummes Zeug! Dummes Zeug ist das!)

Weder hier und heute noch bei Ihrem Antrag zum Euro vor zwei Wochen hat es irgendwo einen konstruktiven Beitrag dazu gegeben: Wie wollen Sie die Europäische Union weiterentwickeln, die Währungsunion? Was wollen Sie zu einer Geldpolitik der Zukunft beitragen? Von all dem nichts, nur destruktiv, nur Nein sagen. So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dagegen wird sich unsere Fraktion mit Händen und Füßen wehren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag geht sogar so weit, die Unabhängigkeit der Gerichte infrage zu stellen. Sie maßen sich eine Beurteilung an, die uns als Parlament gar nicht zusteht. Ich mache das an zwei Punkten fest; diese widersprechen sich im Übrigen auch.

Erstens. Sie beklagen die gestiegenen Zinsausgaben der Bundesbank. Ja, das steht im Geschäftsbericht; das ist richtig. Aber was heißt das jetzt? Wollen Sie jetzt doch keine Zinswende und keine Normalisierung der Geldpolitik? Es gibt eine Presseerklärung Ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel vom Juni 2022. Dort wird die Zinswende-Ankündigung der EZB als – ich zitiere – „zu wenig“ und „zu spät“ kritisiert. Sie führen doch die Menschen an der Nase herum. In Ihrem Antrag behaupten Sie das glatte Gegenteil.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Yannick Bury [CDU/CSU])

Zweitens behaupten Sie – auch das sind reine Fake News –, die Bundesregierung würde die Einführung einer umfassenden Transferunion für erforderlich halten. Als Beleg dafür führen Sie einen Artikel aus der Zeitung „Die Welt“ an, in dem ein Brief zitiert ist, den Christian Lindner nicht nur unterschrieben, sondern maßgeblich mitgeschrieben hat. Und diesen Brief haben auch alle Finanzministerinnen und Finanzminister der EU unterschrieben. Da steht von Transferunion kein Wort drin,

(Albrecht Glaser [AfD]: Es wird aber gemacht!)

sondern darin stehen Forderungen, die alle Ökonomen in diesem Land übereinstimmend für erforderlich halten: Erstens: Vollendung der Bankenunion. Zweitens: Stärkung der Kapitalmarktunion. Drittens: Verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Viertens: Tragfähige öffentliche Finanzen. Das ist es, was die europäischen Finanzminister und unser Bundesfinanzminister Christian Lindner fordern. Das ist das Gegenteil der Forderung nach einer Transferunion. Also hören Sie auf, hier Unsinn zu behaupten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] – Albrecht Glaser [AfD]: Sie machen es aber nicht!)

Diesen Worten folgen ja auch Taten. Ich schaue in Richtung des Kollegen Bury, der gerade eben kritisiert hat, die Koalition, die Regierung würde für ein Aufweichen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sorgen.

(Yannick Bury [CDU/CSU]: Ist ja so!)

Kollegen, das Gegenteil ist doch der Fall.

(Albrecht Glaser [AfD]: Nein!)

Acht Jahre Große Koalition haben an dieser Stelle trotz vieler Debatten nichts hinbekommen. Diese Regierung hat endlich eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hinbekommen,

(Yannick Bury [CDU/CSU]: Hinbekommen, die Regeln aufzuweichen! Sie haben es hinbekommen, die Regeln zu schwächen!)

eine, die ehrlich und realistisch ist und endlich dazu führt, dass dieses Instrument größere Akzeptanz erfährt. Das ist es, was diese Koalition umsetzt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und das ist viel, viel mehr, als Sie jemals hinbekommen haben.

(Yannick Bury [CDU/CSU]: Das ist mehr Schwächung als in der Vergangenheit!)

Ich sage aber ganz deutlich: Wir Freien Demokraten können uns da viel mehr vorstellen – daran werden wir auch weiter arbeiten –: noch mehr Rechtsverbindlichkeit, noch mehr Verlässlichkeit. Aber ein erster Schritt ist jetzt getan, und den lassen wir uns hier auch nicht madig machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Die Wahrnehmung von Integrationsverantwortung heißt aber auch, sich konstruktiv mit eigenen Vorschlägen einzubringen, konstruktive Überlegungen anzustellen, wie wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern die EU zukunftsfest und zukunftsfit machen, zusammenzuhalten und dafür zu sorgen, dass die EU das demokratische und freiheitliche Bollwerk gegen die Autokratien, insbesondere in Moskau und Peking, bleibt. Das ist die zentrale Zukunftsaufgabe, und der stellen wir uns als Koalition.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Abg. Albrecht Glaser [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Nein. – Dazu, um das abschließend zu sagen, muss man mit Paris, Rom, Warschau, Madrid, Den Haag und allen anderen Hauptstädten in der Europäischen Union sprechen, aber bestimmt nicht mit Peking und Moskau, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Festzuhalten ist – das kann man der Presse aus den letzten Wochen entnehmen –: Mit Ihnen spricht ja nicht einmal mehr Frau Le Pen, da Sie grandiose Ideen haben, über französisches Staatsgebiet zu verfügen. Sie sind der Spaltpilz Europas. Aber diese Spaltung werden wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Glaser das Wort zu einer Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610471
Wahlperiode 20
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Bewertung der Euro-Währungsunion
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