25.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 3

Silke LaunertCDU/CSU - Bewertung der Euro-Währungsunion

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Transmissionsmechanismus, Reinvestitionsphase, Kapitalschlüssel, strenge Konditionalität, Überschussliquidität – wirklich alles kann man über diesen AfD-Antrag, über den wir heute debattieren, behaupten, aber sicher nicht, dass er arm an Fach- und Fremdwörtern ist.

(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])

Das ist überraschend, weil der Antrag ja von einer Partei kommt – ich kann mir fast vorstellen, wer ihn geschrieben hat –, die sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, hier endlich Klartext zu sprechen, weg von den Eliten der Politik so zu reden, dass es die normalen Menschen verstehen. Aber nicht nur das ist überraschend; am überraschendsten – die Krönung, will ich fast sagen – ist der letzte Satz. Ich zitiere: „Es müssen nun endlich Konsequenzen aus dem Versagen der Währungsunion gezogen werden.“ Punkt. Konsequenzen.

Warum sagen Sie uns, den Bürgern, denn nicht einfach, was Sie mit diesem Antrag in Wahrheit wirklich wollen?

(Albrecht Glaser [AfD]: Rechtseinhaltung! EU-Verträge! Konformitätsverhandlungen!)

Warum sind Sie nicht ehrlich und verstecken sich hinter schönen Formulierungen und Zitaten aus Urteilen?

(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU])

Wo ist denn die Klarheit, die Sie sonst immer so feiern?

(Peter Boehringer [AfD]: Wieso? Das ist doch genau die Klarheit!)

Ich sage es Ihnen. Dieser Antrag steht ja nicht im luftleeren Raum; es gibt Auslegungshilfen, nämlich Ihr Europawahlprogramm. Gucken wir doch mal in das Programm rein.

(Ulrike Schielke-Ziesing [AfD]: Schön, dass Sie das alle lesen! – Gegenruf der Abg. Angelika Glöckner [SPD])

In Kapitel 5 finden wir eine unmissverständliche Überschrift eines Unterkapitels – und auch das zitiere ich –: „Wohlstand und sozialer Frieden in Europa durch Wiedereinführung nationaler Währungen“.

(Johannes Schraps [SPD]: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!)

Wiedereinführung nationaler Währung, das ist tatsächlich das, was Sie wollen. Das ist genau das, wofür Sie kämpfen. Das sind die Konsequenzen, die sich aus dem letzten Satz ergeben

(Beifall bei der CDU/CSU)

und die Sie nach schönen Darstellungen von vielen, zum Teil auch richtigen Kritikpunkten erwähnen. Das ist die Lösung, die Sie hier als Ergebnis präsentieren: Ende der Währungsunion. Das ist sehr interessant für eine Partei, die meint, immer für Deutschland zu sprechen, und es dann immer schafft, die Fakten auszublenden. Denn Fakt ist – und das wissen Sie auch –, dass viele Wirtschaftsverbände laut sagen: Bitte wählt nicht die AfD! – Ja, warum sagen sie das denn?

(Peter Boehringer [AfD]: Weil sie gut bezahlt werden von der Regierung!)

– Nein. – Sie sagen es, weil sie wissen, dass Deutschland wie kaum ein anderes Land vom Export abhängig ist und

(Peter Boehringer [AfD]: Wir waren Exportweltmeister! 20 Jahre!)

dass hier zahlreiche Arbeitsplätze – jeder vierte Arbeitsplatz – direkt oder indirekt vom Export abhängig sind. Sie wissen, dass wir unseren Wohlstand und damit auch unser Sozialsystem, auf das wir so stolz sind – es ist nämlich besser als das der meisten anderen Länder der Welt, auch wenn es immer mal wieder etwas Kritikwürdiges gibt –, nur durch Export finanzieren können. Schließlich haben wir nicht Rohstoffe ohne Ende.

Glauben Sie im Ernst, dass uns all die anderen EU-Länder und der Rest der Welt aus Dankbarkeit unsere deutschen Produkte abkaufen, wenn wir aus der Europäischen Union und aus dem Euro austreten? Das tun sie nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Problem. Jeder, der ein bisschen Verstand hat – dafür muss ich kein Volkswirt sein; das kann man auch mit gesundem Menschenverstand erkennen –, weiß, dass ein Austritt aus der EU in Wahrheit ein Austritt aus dem Euro bedeutet. Wie hat Höcke so schön gesagt: „Da muss erst die EU sterben.“ Das wäre für unsere Wirtschaft ein Riesenfehler.

(Beifall der Abg. Dr. Ingeborg Gräßle [CDU/CSU] – Zuruf des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Ein Blick über den Tellerrand hilft. Ich nenne als Beispiel nur den Brexit. Die Heilsversprechen sind noch gar nicht so lange her, mit denen man die Leute geködert hat. Leider Gottes wurden auch kleinen und mittelständischen Betrieben viele Dinge versprochen. Wie hieß es damals: Endlich frei, endlich unabhängig, alles wird wirtschaftlich besser!

(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])

Was ist davon übrig geblieben? Ich höre von vielen kleinen Mittelständlern aus England: Da hat man uns nicht wirklich die Wahrheit gesagt; wir bereuen den Austritt.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich das alles sehe, frage ich mich, wie man sich dann trotzdem hierhinstellen und einen EU-Austritt fordern kann. Richtig ist: Es läuft nicht alles rund, Herr Boehringer. Ich bin die Vorsitzende des Unterausschusses zu Fragen der Europäischen Union, bei dem es um die Gelder für Europa geht. Ja, auch mich ärgert das eine oder andere. Ich denke auch, dass manches Geld falsch bzw. nicht effizient eingesetzt ist und dass man manche Regeln ehrlicherweise sehr großzügig auslegt. Aber wenn eine der zentralen Adern in einem Haus, zum Beispiel die Heizung, nicht funktioniert, dann reiße ich das Haus doch nicht ab. Dann tausche ich die Heizung aus. Dann versuche ich, etwas zu verbessern und die Situation ehrlich und sachlich zu klären. Aber ich reiße nicht alles ab, was für Frieden und Wohlstand sorgt.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir stehen zur EU. Wir sehen aber auch manche Fehler. Wir wissen, was die EU bedeutet, nämlich Stabilität, gerade in dieser globalisierten Welt. Wie wollen Sie denn mithalten mit den Großen in der Wirtschaft, mit China und den USA? Wir sind sehr dafür, uns wieder weniger auf Umverteilung zu konzentrieren.

(Albrecht Glaser [AfD]: Ja!)

Ich gebe Ihnen recht, dass wir NextGenerationEU und dann den Green Deal zu großzügig und vor allem auch ein bisschen falsch eingeleitet haben. Wir brauchen mehr Wettbewerb, mehr Wirtschaft sowie mehr strukturelles und strategisches Denken in die Zukunft. Aber deshalb will ich nicht den Austritt aus dem Euro. Dieser würde uns noch mehr schaden; das wissen Sie ganz genau. Mit der Forderung nach Austritt kämpfen Sie nicht für Deutschland, sondern Sie sind eine Gefahr für dieses Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Wort hat die Kollegin Katharina Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610478
Wahlperiode 20
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Bewertung der Euro-Währungsunion
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