Nicolas ZippeliusCDU/CSU - Internationale Digitalpolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Medienecho, das die verspätete Veröffentlichung der Strategie für internationale Digitalpolitik begleitete, war genauso wie der Inhalt der Strategie: verschwindend gering. Statt klarer Ziele und Maßnahmen gab es kaum zu übertreffende Plattitüden und keinerlei Einblicke, was die sogenannten handlungsleitenden Grundsätze in der Praxis bedeuten. Ich wiederhole den einleitenden Satz der am 7. Februar 2024 beschlossenen Strategie für internationale Digitalpolitik – ich zitiere –:
„Das globale Digitalzeitalter eröffnet enorme Möglichkeiten, stellt aber alle Akteure auch vor Herausforderungen.“
Für jede Banalität wie diese in der Strategie nur einen Euro, dann müsste die Ampel keine Diskussionen über die Abschaffung der Schuldenbremse mehr führen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Neben der Abwesenheit klarer Zielvorstellungen, überprüfbarer Maßnahmen oder der Benennung eines konkreten Zeitraumes für die Umsetzung sind drei konkrete Schwachstellen der Strategie aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion von der Bundesregierung zu beheben:
Erstens. Die geopolitische Realität muss stärker berücksichtigt werden, insbesondere die zunehmende Bedrohung durch Cyberangriffe, Desinformation und neue technologische Anforderungen, zum Beispiel Satellitenkonstellationen. Denn autoritäre Staaten versuchen online mehr und mehr, ihre eigenen Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern, Wahlen zu beeinflussen oder gegenläufige Meinungen zu zensieren.
Laut Freedom-House-Index hat sich die weltweite Internetfreiheit 2023 das 13. Jahr in Folge verschlechtert. Dies ist im Kontext der kommenden Landtags- und Europawahlen von besonderer Relevanz, da laut einer Umfrage von Luminate 71 Prozent der Deutschen wegen einer möglichen Beeinflussung von Wahlergebnissen durch KI und Deepfake-Technologie besorgt sind. Angesichts dieser Bedrohung und der daraus resultierenden Verunsicherung in der Bevölkerung reichen Lippenbekenntnisse nicht mehr aus. Wir brauchen klare, international abgestimmte Maßnahmen, um diesen besorgniserregenden Entwicklungen entgegenzuwirken, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn was passiert, wenn wir nicht stärkere Maßnahmen gegen die Beeinflussung von außen treffen? Das beste Beispiel dafür sitzt hier zu meiner Rechten im Saal. Russland, China, vielleicht noch Nordkorea oder der Iran, die „Alternative für alle außer Deutschland“
(Beatrix von Storch [AfD]: Aserbaidschan haben Sie vergessen!)
ist das mahnende Beispiel, warum wir uns gegen Einflüsse von außen stärker wappnen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens sollte ein stärkerer Fokus auf die Reduktion deutscher Abhängigkeiten sowie auf die Positionierung Deutschlands innerhalb der globalen digitalen Ordnung gelegt werden, insbesondere da diese aktuell von einigen wenigen privaten Technologiekonzernen aus den USA und China dominiert wird. Der Vormarsch Chinas im Bereich der Normierungsgremien ist in diesem Bereich besonders besorgniserregend, beispielsweise die Dominanz bei der Proliferation digitaler Infrastruktur und damit de facto die Normierung im Rahmen der Digital Silk Road.
Ebenso besorgniserregend ist die steigende Relevanz von Chinas eigenem Normierungsstandard, Beispiel: China Compulsory Certification. Laut Bitkom exportieren knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen digitale Technologien bzw. Leistungen ins Ausland, 43 Prozent davon nach China. In ihrer Antwort auf eine kürzlich von mir gestellte schriftliche Einzelfrage gibt die Bundesregierung selbst zu: In vielen Fällen erschwert die China Compulsory Certification das Tätigwerden ausländischer Unternehmen auf dem chinesischen Markt. – Insoweit ist eine China Compulsory Certification ein technisches Handelshemmnis für den freien Warenverkehr. Diese Umstände werden in der Strategie deutlich heruntergespielt, was inakzeptabel ist, wenn es darum geht, die deutsche digitale Souveränität, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit langfristig international zu sichern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dritter Punkt. Es ist eine Reduktion des Zuständigkeitschaos innerhalb der deutschen Digitalpolitik geboten anstatt einer weiteren Verstärkung; denn zu keiner der zwölf Strategien aus acht Ministerien mit Schnittstellen zur internationalen Digitalpolitik wurden Synergien, Abgrenzungen oder Koordinationspläne aufgezeigt. Kurz und knapp: Beenden Sie Ihr Federführungsbingo, und bringen Sie endlich Stringenz in die deutsche Digitalpolitik, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU – Maximilian Funke-Kaiser [FDP]: Bingo!)
Mit unseren im Antrag formulierten Aufforderungen an die Bundesregierung stellen wir dafür entsprechend die Weichen. Wir fordern, klare strategische Ziele und Maßnahmenkataloge zu entwickeln, sich aktiv international weniger besetzten Themen wie der digitalen Außenpolitik oder dem digitalen Handel zu widmen und neue Wege zu finden, etablierte Politikbereiche wie die Normierung zu bespielen, systemische Konkurrenzen im digitalpolitischen Bereich konkret zu benennen und auszuformulieren sowie anzugehen, sich auch auf europäischer Ebene bei der Gestaltung und Realisierung der europäischen Digitalpolitik als aktiver und vollwertiger Partner einzubringen und bei systemrelevanten Themen wie den im Rahmen der G-7-Treffen vereinbarten vertieften Kooperationen zur Stärkung der Resilienz der digitalen Infrastrukturen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Meine Damen und Herren, liebe Koalitionäre, die Strategie der Bundesregierung ist ungenügend; das wissen Sie, das wissen wir. Wir machen Ihnen einen Vorschlag, gemeinsam die richtige Ausrichtung zu erarbeiten. Ich lade Sie ein, sich zu beteiligen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat Dr. Jens Zimmermann jetzt das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610593 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Internationale Digitalpolitik |