Jürgen HardtCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Mayer-Lay hat es bereits gesagt: Wir werden dem Mandat zustimmen. Wir haben die Kritik vorgetragen, weil wir der Meinung sind: Das deutsche Mandat sollte schon aus grundsätzlichen, prinzipiellen Überlegungen nicht vom EU-Mandat abweichen.
Wir beklagen, dass nicht alle Nationen in der Europäischen Union, die theoretisch dazu in der Lage wären, weil sie Marinen haben, an dem Mandat teilnehmen. Aber dieser Vorwurf fällt natürlich ein Stück weit auf uns zurück, weil unser Mandatstext eben nicht dem EU-Mandatstext entspricht. Deswegen glauben wir, dass es im Sinne einer stärkeren Kohärenz innerhalb der Europäischen Union einfach notwendig ist, dass man nicht von diesem abweicht. Wir wissen alle, dass die Ausbildung der Küstenwache im Augenblick nicht eine vornehme Aufgabe dieses Mandats sein kann. Deswegen kann man diese Aufgabe auch in den deutschen Mandatstext übernehmen, so wie es im EU-Mandat steht. Es ist aus unserer Sicht ein Fehler, das nicht zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte aber in dieser Debatte auf einen anderen Aspekt eingehen, den auch der Kollege Lucks angesprochen hat. Wir hatten eine starke deutsche Rolle beim politischen Friedensprozess für Libyen. Wir hatten zwei große Libyen-Friedenskonferenzen hier in Berlin: den sogenannten Berliner Prozess im Jahr 2020, unter anderem auch unter Beteiligung von Haftar und dem damaligen Präsidenten Sarraj, und dann im Juni 2021 eine zweite Sitzung. Seitdem ist nichts mehr geschehen.
Wir haben als CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Oktober letzten Jahres ein Mandat vorgelegt, in dem wir die Forderungen des bisherigen Sondergesandten der Vereinten Nationen Bathily – der Senegalese, der gerade seinen Rücktritt vom Amt erklärt hat; ich würde mal sagen: aus Frustration – aufgegriffen und gesagt haben: Die deutsche Bundesregierung muss den Libyen-Prozess wieder aufnehmen. Es muss einen internationalen Beitrag dazu geben, dass sich die Konfliktparteien vorwärtsbewegen und dass der Prozess vorankommt. Den Antrag haben Sie damals abgelehnt. Auch der damit verbundenen Forderung, dass Wahlen abzuhalten sind – auch eine Forderung von Herrn Bathily –, hat Deutschland keinen Nachdruck verliehen mit dem Ergebnis, dass Herr Bathily im April dieses Jahres hingeschmissen hat.
Was ist das Kernproblem in Libyen? In Libyen gibt es eine Zentralbank, die jedes Jahr viel Geld einnimmt und gleichmäßig an alle wichtigen Akteure im Lande verteilt. Damit können die wichtigen Akteure im Lande offensichtlich gut leben, Milizenführer wie formal legitimierte Politiker. Die Einzigen, die davon nichts haben, ist das Volk. Es gibt 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Libyen, obwohl dieses Land reich ist, obwohl dieses Land rund 20 Milliarden Euro an Einnahmen allein durch Rohstoffverkäufe generiert, womit man ein Land von der Größe und in der Lage Libyens ein gutes Stück weit aufbauen könnte.
Wir sind der Meinung: Genau hier muss die Weltgemeinschaft ansetzen. Diese Selbstbedienungsmentalität der Akteure, die sich zwar politisch konfrontativ gegenüberstehen, die sich aber insgeheim jeweils die Taschen vollmachen mit dem, was die Schätze des Landes hergeben, diese Kumpanei hinter den Kulissen muss aufgebrochen und aufgelöst werden. Das ist eine Aufgabe, die der Berliner Prozess leisten muss.
Wir würden uns wünschen, dass die Bundesregierung die heutige Debatte, vielleicht auch die Debatte, die wir im Zusammenhang mit unserem Antrag geführt haben, aufgreift und tatsächlich überlegt, welche innovativen Vorschläge wir machen können, um an diesem Punkt voranzukommen.
Ich glaube, es ist Zeit für eine weitere Berliner Libyen-Konferenz in dem Format, wie das unter der Regierung Merkel/Scholz, will ich mal sagen, stattgefunden hat. Insofern gibt es genügend zu tun. Und den Katalog, was zu tun ist, haben wir in unserem Antrag vom Oktober letzten Jahres formuliert.
Wir glauben, dass das Mandat so lange fortgeführt werden muss, bis wir zu besseren Verhältnissen in Libyen kommen. Wir glauben, dass wir Schleusern in Libyen angesichts der Fluchtbewegungen aus dem Sahel, wo es ja Staaten gibt wie zum Beispiel Niger, die offiziell und plakativ einmal die Woche Konvois zusammenstellen, in die man sich gegen Geld einkaufen kann und mit denen man dann an die Küste des Mittelmeers gebracht wird, um seinen Weg nach Europa zu finden und von wo aus man von Schleusern auf absolut unsicheren Wegen nach Europa gebracht wird, nur das Handwerk legen können, wenn wir mit Libyen einen Staat haben, der nicht nur die Küste mit unserer Unterstützung gut überwachen kann, sondern auch die endlos lange Landgrenze, zum Beispiel nach Niger, also Richtung Süden, Richtung Sahel.
Insofern gibt es viel zu tun. Es ist in den letzten zwei Jahren leider nichts geschehen. Deswegen stehen wir da, wo wir stehen, nämlich nicht weiter als vor zwei oder drei Jahren.
Herr Kollege.
In diesem Sinne: eine mittelfrustrierende Bilanz.
Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.
Und wir können nur mit diesem Mandat so weitermachen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dietmar Bartsch, Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610643 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI |