25.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 7

Johannes FechnerSPD - Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! In unserer Demokratie ist entscheidend, dass die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen haben in das, was wir hier im Bundestag für sie, für die Bürgerinnen und Bürger, machen. Deswegen ist eines ganz klar: Wir müssen sicherstellen, dass wir Abgeordnete hier nicht für den eigenen Geldbeutel, sondern für das Allgemeinwohl arbeiten.

(Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie mal klar! Das glaubt Ihnen keiner!)

Genau diesen Grundsatz festigen wir noch stärker – strafrechtlich – mit diesem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn in der Tat gab es leider Skandale von Abgeordneten, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit hier im Bundestag erschüttert haben. In der Aserbaidschan-Affäre haben zwei frühere CDU-Abgeordnete Geld über Briefkastenfirmen erhalten, regelmäßige Zahlungen angenommen und sich im Gegenzug für Aserbaidschan eingesetzt. Bei den Maskendeals haben die früheren Unionsabgeordneten Nüßlein und Sauter hohe Provisionen mit Maskenverkäufen erwirtschaftet, und das zu einem Zeitpunkt, als wir alle händeringend nach Masken gesucht haben. Da haben sie die Situation ausgenutzt

(Zuruf von der SPD: Das ist unanständig!)

und gegen hohe Provisionen Masken überteuert vermittelt.

Der frühere Kollege Hauptmann hat eine Spende von einer Maskenfirma angenommen für seinen Kreisverband, hat sich im Gegenzug eingesetzt und fast 1 Million Euro Provision erhalten. Der Kollege Amthor war als Türöffner für eine US-Firma tätig. Er hat Gespräche im Wirtschaftsministerium vermitteln können und hohe Aktienoptionen bekommen. Noch krasser ist der aktuelle Fall: Es besteht Verdacht gegen den Abgeordneten Bystron, dass er 20 000 Euro bekommen hat von einer Person, die dem russischen Regime nahesteht. Es soll auch Tonaufnahmen geben, die das belegen. All das sind beschämende Vorfälle. Hier haben Abgeordnete die Hand aufgehalten, sie haben nicht fürs Allgemeinwohl gearbeitet. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht nicht!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Held! Den Abgeordneten Held haben Sie vergessen!)

Gerade weil wir in herausfordernden Zeiten sind, gerade weil wir hier oft schwierige Entscheidungen treffen müssen, muss klar sein, dass wir nicht gegen Geld Drittinteressen hier vertreten. Deswegen ist ganz klar: Wenn es Strafbarkeitslücken im Strafgesetzbuch gibt, dann müssen wir diese schließen. Genau das machen wir mit dieser Verschärfung und der Einführung eines neuen Straftatbestandes.

Was machen wir konkret? Bislang forderte die Rechtsprechung für die Strafbarkeit wegen Abgeordnetenbestechlichkeit, dass die Handlung, für die ein Abgeordneter sich hat bestechen lassen, bei der Wahrnehmung des Mandates erfolgte. Es musste also ein Abgeordneter eine bestimmte Anfrage gestellt, eine bestimmte Rede gehalten oder bestimmte Anträge im Plenum oder in den Ausschüssen gestellt haben. Das war eine sehr enge Auslegung des Gesetzwortlautes. So kam es dazu, dass insbesondere die Abgeordneten Nüßlein und Sauter nicht bestraft werden konnten, weil sie darlegen konnten – und das Gericht dem gefolgt ist –, dass es sich um eine zulässige Nebentätigkeit gehandelt habe.

Deswegen schaffen wir jetzt eine neue Strafnorm, § 108f StGB, damit sich zukünftig strafbar macht, wer während des Mandates zur Wahrnehmung von Interessen des Vorteilsgebers oder eines Dritten Handlungen vornimmt und sich diese unzulässig – entgegen den Regelungen des Abgeordnetengesetzes – bezahlen lässt. Es macht sich also strafbar, wer während des Mandats gegen Bezahlung die Interessen Dritter vertritt, es sei denn, es liegt nach dem Abgeordnetengesetz eine zulässige Nebentätigkeit vor. Das Merkmal „während des Mandates“ ist dabei keineswegs beschränkt auf Nebentätigkeiten. Es erfasst auch Tätigkeiten, die Mandatsbezug haben. Das haben wir in der Gesetzesbegründung ausdrücklich nochmals klargestellt.

Das ist eine weitreichende Verschärfung, die wir heute hier beschließen wollen und werden. Wir schließen eine erhebliche Strafbarkeitslücke, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Parlamentsarbeit hier weiter zu stärken. Das war nach den Unionsskandalen durchaus angeknackst.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich will nicht verheimlichen, dass wir als SPD-Fraktion uns noch weitere Verschärfungen hätten vorstellen können. Wir hätten uns zum Beispiel vorstellen können, das Tatbestandsmerkmal „im Auftrag“ oder „auf Weisung“, was oft schwierig nachzuweisen ist, zu streichen. Wir hätten uns auch vorstellen können, dass auch die sogenannte Belohnungskorruption, also dass nicht vor einer Tätigkeit des Abgeordneten bezahlt wird, sondern unter Umständen erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt, als Strafbarkeit normiert wird.

Eins haben wir aber ganz bewusst nicht ins Strafgesetzbuch aufgenommen, nämlich eine Strafandrohung gegenüber unseren ehrenamtlichen Kommunalpolitikern. Wir meinen, das ist vertretbar. Es geht in aller Regel bei den Beschlüssen in Ortschaftsräten oder in Gemeinderäten nicht um die ganz großen Summen. Außerdem wollen wir diesen Ämtern nicht mit der Keule des Strafrechts kommen; denn es ist sowieso schwer genug, Menschen zu gewinnen, die sich diese ehrenamtliche Tätigkeit „antun“; so muss man es, glaube ich, sagen. Deswegen, so meinen wir, können wir auf diese Regelung verzichten.

Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschließen wir heute eine wichtige Verschärfung im Strafgesetzbuch. Nochmals: Es muss hier der Grundsatz gelten, dass wir Abgeordnete nicht für den eigenen Geldbeutel, nicht für die Interessen von bestimmten Interessengruppen, sondern dass wir für das Allgemeinwohl arbeiten. Stimmen wir diesem guten Gesetzentwurf heute hier zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Von meiner Seite einen schönen guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, schön, dass Sie da sind und der Debatte folgen.

Die Debatte wird jetzt fortgeführt mit dem nächsten Redner. Für die AfD-Fraktion ist das Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610674
Wahlperiode 20
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta