Volker UllrichCDU/CSU - Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Freiheitliche demokratische Gesellschaften geraten derzeit überall in Europa unter Druck. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Und ja, gewiss, ein Verlust des Vertrauens in die Politik ist auch feststellbar, wenn gewählte Mandatsträger sich nicht an die Regeln von Anstand und Moral halten und wenn Politik durch Korruption vergiftet wird. Deswegen haben wir die Pflicht, dass wir Korruption im politischen Bereich als das benennen, was es ist, und dass wir nicht nur politisches Fehlverhalten benennen, sondern auch konsequent zu einer strafrechtlichen Aufarbeitung kommen.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Da sind wir ja mal gespannt!)
Das ist eine Frage von Anstand und von Respekt gegenüber dem Souverän, und es ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, dem auch nachzukommen.
Und ja, wir sind dem bereits nachgekommen, und zwar durch § 44a Abgeordnetengesetz, den dieses Hohe Haus verabschiedet hat und mit dem die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages extrem verschärft wurden. Diese Verschärfung mit all den Transparenzpflichten war sehr richtig. Sie reicht aber nicht aus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt in der Tat noch Strafbarkeitslücken. Die Strafbarkeitslücken bestehen darin, dass nach dem § 108e StGB eine Strafbarkeit nur bei direkter Mandatsbetätigung vorliegt. Wenn aber aus dem Mandat heraus Gelegenheiten genutzt werden, um sich Vorteile zu verschaffen, und zwar in einer Art und Weise vorgenommen, sodass es nicht direkt mit der Mandatstätigkeit übereinstimmt, also nicht mit Abstimmungen und mit Wortbeiträgen im Ausschuss, dann war das nicht strafbar. Das hat der BGH gesagt. Das zeigt, finde ich, eine Strafbarkeitslücke auf, und die muss der Gesetzgeber schließen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Machen wir!)
Der vorliegende Gesetzentwurf der Ampelkoalition zur Änderung der unzulässigen Interessenwahrnehmung geht in die richtige Richtung, und er hat unsere Unterstützung.
(Beifall des Abg. Muhanad Al-Halak [FDP] – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie doch auch zustimmen!)
Der Punkt ist aber: Sie haben Anregungen aus der Sachverständigenanhörung, die wirklich überzeugend waren, nicht in der Weise umgesetzt, dass es zu einer guten Norm kommt. Die Norm liest sich nämlich ziemlich schräg.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so ein Quatsch! Wirklich wahr, Herr Ullrich!)
Es beginnt mit einem „Wer“ und die Frage der Anwendbarkeit der Norm kommt erst später.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Da haben Sie sich aber Mühe gegeben, zu zeigen, warum das nicht geht!)
Aber es gibt in dieser Norm auch Unklarheiten, etwa die Frage: Warum geht es eigentlich nur um einen Vermögensvorteil? Ich finde, Sie hätten die Norm weiterfassen müssen: Statt Vermögensvorteil muss sie für jeden Vorteil gelten. In § 108e Strafgesetzbuch wird jeder Vorteil unter Strafe gestellt. Warum in § 108f nur jeder Vermögensvorteil?
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihren Änderungsantrag habe ich gar nicht gelesen!)
Da greift die Norm viel zu kurz.
Der zweite Punkt ist: Sie sprechen von „bei Wahrnehmung des Mandats“. Das bringt aber klare Auslegungsprobleme. Viel besser wäre es, wenn Sie sich klar auf den § 44a Abgeordnetengesetz beziehen und Regelbeispiele einführen würden. Das haben die Sachverständigen verlangt.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sie haben ja nicht einmal zu Berichterstattergesprächen eingeladen!)
Ich finde, darauf hinzuweisen, ist nicht unlauter.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen sagen, Frau Kollegin Rottmann: Sie haben über die CSU gesprochen und gesagt: Es steckt ein gewisser Geist dahinter.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Markus Söder gesagt! Ich habe Markus Söder zitiert, Ihren Parteivorsitzenden!)
Ich finde, das ist unlauter. Das möchte ich hier in aller Form zurückweisen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Lieber Kollege Ullrich, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rottmann?
Ja.
Herr Ullrich, in der letzten Wahlperiode war es so, dass Sie unter dem Druck des Skandals die Änderungen im Abgeordnetengesetz vorgelegt haben. Wir haben sie unterstützt, obwohl sie uns nicht weit genug gingen.
(Stephan Brandner [AfD]: Ich dachte, Zwischenfragen sind ineffizient!)
Wir haben einen Änderungsantrag gestellt, mit dem wir genau das strafbar machen wollten, was wir heute strafbar machen. Warum sind Sie denn diesen Weg nicht gegangen, und warum enthalten Sie sich heute?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das hat er doch gerade erklärt!)
Nun, die Frage der Bewertung Ihres konkreten Gesetzesvorschlags und damit die Frage, wie ich eine Strafrechtsnorm ausgestalte, ist eine, die man auch vor dem Hintergrund einer Sachverständigenanhörung lesen muss. Und die Sachverständigen haben uns praktisch einhellig gesagt: Bitte, formt diese Norm noch etwas um, macht sie praxistauglicher,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch einen Vorschlag!)
macht sie etwas lesbarer, beschreibt doch, was verstanden wird unter der Formulierung „während der Wahrnehmung des Mandats“. Es wurde gefragt: Warum heißt es nur „Vermögensvorteil“ und nicht „sonstige Vorteile“?
Wir sagen: Der Geist dieser Norm ist richtig; aber die Formulierung ist in Einzelheiten zu schwach und bleibt hinter dem zurück, was wir uns eigentlich vorgestellt hätten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden doch wohl einen Paragrafen schreiben können, Herr Ullrich!)
Und wir lassen uns nicht vorwerfen, dass wir, wenn wir diese einzelnen Fragen stellen, in irgendeiner Art und Weise – wie Sie es zumindest insinuiert haben – Korruption billigen würden. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen politische Korruption bekämpfen, und zwar sowohl im Abgeordnetenrecht als auch im Strafrecht. Deswegen sind wir die politische Kraft, die sich klar und deutlich hinter dieses Anliegen stellt.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Antwort!)
Für die SPD-Fraktion ist die nächste Rednerin und auch die letzte Rednerin dieser Debatte Sonja Eichwede.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610677 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | Strafbarkeit der unzulässigen Interessenwahrnehmung |