Carl-Julius CronenbergFDP - 14 Euro gesetzlicher Mindestlohn
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag 20/9132 hat die Fraktion Die Linke gefordert, den gesetzlichen Mindestlohn auf 14 Euro zu erhöhen. Mit dem Antrag 20/10366 fordert die Gruppe BSW das Gleiche. Ich stelle fest:
Erstens. Wegen des Mindestlohns hätte man sich nicht scheiden lassen brauchen.
(Heiterkeit bei der SPD)
Zweitens. Das BSW konkretisiert seinen selbst gesetzten Anspruch auf Vernunft, indem es auf einen Überbietungswettbewerb mit der Linken beim Mindestlohn verzichtet und bei 14 Euro bleibt. Das ist ja schon mal was.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Noch vernünftiger wäre es allerdings gewesen, Vorschläge zu unterbreiten, die dafür sorgen, dass das Antragsziel der Armutsvermeidung tatsächlich erreicht werden kann, liebe Kolleginnen und Kollegen; aber genau das leistet der Antrag nicht.
Denken wir an Schulabgänger, vielleicht aus bildungsfernen Haushalten. Je höher der Mindestlohn, desto geringer der Abstand zur Ausbildungsvergütung, also desto größer auch der finanzielle Anreiz, auf Qualifikation und Bildung zu verzichten.
(Zurufe vom BSW)
Dabei wissen wir genau: geringer die Qualifikation, desto höher das Armutsrisiko. Gerecht ist nicht der politische Eingriff in die Lohnfindung; gerecht sind attraktive Angebote für mehr Qualifikation. Das verringert das Armutsrisiko im langen Lauf, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Denken wir an Zuwanderer oder Langzeitarbeitslose. Je höher der Mindestlohn, desto höher die Eintrittsbarrieren in den Arbeitsmarkt. Je länger aber die Arbeitslosigkeit, desto schwerer fällt dann die Aufnahme von Arbeit, desto höher ist das Risiko, dauerhaft in Leistungsbezug und Armut zu bleiben. Ist das gerecht? Nein! Gerecht ist es, die Festsetzung des Mindestlohns dem Wahlkampf zu entziehen und in den Händen der unabhängigen Mindestlohnkommission zu belassen, auch wenn einem das Ergebnis mal nicht passt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, aber dann müssen wir die Regeln verändern!)
Gerecht sind Rahmenbedingungen, die Aufstieg aus eigener Kraft und aus eigener Leistung möglich machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das fängt immer mit einem ersten Job an.
(Beifall bei der FDP)
Denken wir an Teilzeitbeschäftigte oder auch Minijobber. Deren Armutsrisiko hängt ja nicht maßgeblich vom Stundenlohn ab, sondern vom Arbeitsvolumen. Wer in Teilzeit arbeitet und sonst kein weiteres Einkommen hat, der ist von Armut bedroht – egal, ob er 12,41 Euro oder 14 Euro verdient.
Aber: Je besser die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelingt, je attraktiver Homeoffice- und ÖPNV-Angebote sind, je flexibler die Arbeitszeiten gestaltet werden dürfen, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen und auch Männer von Teilzeit in Vollzeit wechseln. Das sind doch in Wahrheit die Hebel, die das Armutsrisiko nachhaltig senken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Und Altersarmut verhindern Sie auch nicht, wenn der Stundenlohn um 1,59 Euro steigt, sondern wenn mehr Teilzeitbeschäftigte in Vollzeit wechseln.
Zu guter Letzt wird in der Debatte immer wieder unterschlagen, dass der Mindestlohn ein Bruttolohn ist, für das Armutsrisiko aber allein das Nettoeinkommen zählt. Gerecht ist eben nicht, wenn der Nettolohn nur minimal höher ist als Lohnersatzleistungen. Gerecht ist, wenn sich Arbeit lohnt, weil mehr Netto vom Brutto bleibt.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Genau deshalb haben Sie die Sozialbeiträge erhöht? – Zurufe vom BSW)
Wenn es geltendes Recht ist, dass die Angleichung des Bürgergelds automatisch erfolgt, dann ist es Unrecht, wenn die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags und der Inflationsausgleich in der Lohnsteuertabelle immer noch Gegenstand politischer Verhandlungen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was dem Bürgergeldempfänger im Sozialrecht zusteht, darf dem Niedriglohnempfänger im Steuerrecht nicht länger verwehrt bleiben. Auch das ist im Kern die liberale Botschaft in Zeiten der Wirtschaftswende.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Axel Knoerig hat jetzt das Wort für die Unionsfraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7610705 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 166 |
Tagesordnungspunkt | 14 Euro gesetzlicher Mindestlohn |