Helmut KleebankSPD - Aktuelle Stunde: Kernkraft-Aus - Vorgänge um BM Habeck und BMn Lemke
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Spahn, Ihre Ausführungen kann man, wenn man sich mit der Sache beschäftigt, nicht wirklich nachvollziehen,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sondern man kann sie eigentlich nur als bloße Propaganda einstufen, um die Verunsicherung im Land zu stärken, und das wird der Sache nicht gerecht.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Für die Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen eine kurze Einordnung: Bereits im Jahr 2002 hat eine rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen. Der Wiedereinstieg kam 2010 durch eine schwarz-gelbe Bundesregierung – nur um kurz danach, nämlich im März 2011, wieder den Ausstieg zu beschließen. Anlass war die Atomkatastrophe von Fukushima mit geschätzt bis zu 20 000 Todesopfern – so eine Schätzung aus einer Recherche des ZDF.
(Karsten Hilse [AfD]: Aber nicht durch die Katastrophe! Das ist eine Lüge, Herr Kleebank! Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut! Das ist eine Lüge, eine infame Lüge! So ein Blödsinn! – Weitere Zurufe von der AfD)
Drei Tage später entschied das Bundeskabinett ein Atommoratorium. Im Juni wurde im Kabinett der Ausstieg beschlossen, und Ende Juni hat dann dieser Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit – 513 von 600 Stimmen – zugestimmt. CDU/CSU, FDP, Grüne, SPD: Alle stimmten zu. Das war richtig, das ist richtig, und das bleibt richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und aufgrund der sich abzeichnenden Gaskrise im Frühjahr 2022 brandete die Diskussion wieder auf. In diesem Zusammenhang gab es im März dieses Jahres einen ersten Stresstest, und das BMWK legte Unterlagen über den möglichen Nutzen eines Weiterlaufens vor. Es war zu diesem Zeitpunkt schon klar: Wenn es überhaupt einen Nutzen gäbe, wäre er sehr gering. Im Sommer gab es dann eine Verschärfung der Situation durch über 50 Prozent stillstehende AKW in Frankreich und niedrige Pegelstände in den Flüssen, auch im Rhein. Wir hatten das Problem, dass die Belieferung der Kohlekraftwerke schwierig war.
Im August stellte Russland seine Gaslieferungen ein, und das verschärfte die Situation. Es erfolgte übrigens keinerlei Embargo, wie von der CDU/CSU-Fraktion gefordert, sondern Russland selbst hat den Gashahn abgedreht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Kommen Sie auch noch mal zum Thema? – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Reden Sie mal zum Thema! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so war es!)
Es gab einen zweiten Stresstest. Auch das Ergebnis wurde veröffentlicht. Es stellte sich heraus: Unter Umständen könnte ein Weiterbetrieb sinnvoll sein; denn es könnte wenige Tage im Jahr geben, an denen der Strompreis beeinflusst ist. Deswegen war es richtig, dass unser Kanzler Olaf Scholz den Weiterbetrieb, den Streckbetrieb, beschlossen hat, der allerdings bedeutete: Es gab keine Kilowattstunde Strom mehr im Netz, aber eine Verschiebung der Stromerzeugung und damit die Sicherheit, über den Winter zu kommen. – Und genau so ist es passiert, meine Damen und Herren. Wir alle konnten die Handys aufladen, wir hatten Strom in unseren Lampen, alles hat funktioniert – eine richtige Entscheidung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Vor zwei Wochen gab es Veröffentlichungen, die darauf hindeuteten, dass es möglicherweise irgendwelche Kommunikation im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gäbe, die vielleicht irgendwie merkwürdig sei. Zunächst einmal ist es richtig, dass die Pressefreiheit es der Presse ermöglicht, solche Einsichtnahmen zu fordern. Die Pressefreiheit ist ein Eckpfeiler unserer Demokratie; daran gibt es keinerlei Zweifel.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und wieso mussten die dann erst vor Gericht ziehen, wenn das alles so klar ist? – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Nun aber konkret zu dem, was vorliegt. In einem internen Vermerk im Frühjahr 2022 wird das gesagt, was wir im Grunde schon wussten: Der Weiterbetrieb könnte für dreieinhalb Monate etwas Gas sparen, zu einem etwas geringeren Strompreis führen, aber mehr nicht. – Das ist zwar nicht wortwörtlich so veröffentlicht worden, aber wir finden dies beispielsweise in den FAQs des BMWK vom 8. März 2022. Genau diese Frage ist dort diskutiert und angesprochen worden und deswegen aus unserer Sicht transparent dargestellt. Uns allen lagen genau diese Informationen eins zu eins vor.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir diskutieren also über E-Mails und Protokolle aus internen Behördenprozessen. Das BMWK ist ein Haus mit rund 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und es ist völlig klar, dass zu einer solch schwierigen Frage in einer solch brenzligen Situation in einem solchen Haus unterschiedliche Meinungen vorhanden sind, dass kontrovers miteinander diskutiert wird und dass im Laufe der Meinungsbildung Dinge und Sichtweisen sich auch verändern.
Ich will daher abschließend nur noch mal auf ein Protokoll vom 7. März genau diesen Jahres hinweisen, abgestimmt zwischen dem BMWK, dem BMUV und den drei Betreibern der verbliebenen drei Kraftwerke. In diesem ist eindeutig festgehalten, dass ein Weiterbetrieb unter sehr engen Rahmenbedingungen möglich ist, dass er aber schwierig ist, dass er einen begrenzten Nutzen hat und dass es letztlich eine bewusste Abwägungsentscheidung der Politik sein muss, der gewählten politischen Vertreterinnen und Vertreter, und nichts anderes. Genau das haben wir gemacht, und diese Abwägung war richtig.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Kleebank. – Nächster Redner ist der Kollege Karsten Hilse, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611006 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 168 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Kernkraft-Aus - Vorgänge um BM Habeck und BMn Lemke |