Jens TeutrineFDP - Prävention zur Verhinderung der Pflegebedürftigkeit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Redner haben festgestellt: Der Pflegebedarf in unserer Gesellschaft steigt, unsere Gesellschaft wird älter. Denken Sie persönlich an etwas Positives oder Negatives, wenn Sie von der Alterung der Gesellschaft hören? Wenn man Politiker über die Tatsache sprechen hört, dass unsere Gesellschaft älter wird, dann schwingt manchmal so ein negativer Unterton mit.
Ich möchte zu Beginn der Debatte erst mal darauf hinweisen, dass es in Wahrheit doch etwas Positives ist, dass unsere Gesellschaft älter wird. Es ist ein Menschheitstraum, dass die Lebenserwartung von Jahr zu Jahr steigt. Vor über 130 Jahren war die Lebenserwartung nur halb so hoch wie heute. Es ist gut, wenn Menschen älter werden. Es ist schön, wenn Menschen älter werden. Es ist etwas Positives.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist eine schöne Binsenweisheit!)
Das Problem ist ja nicht, dass der Menschheitstraum, dass die Gesellschaft älter wird, dass jeder individuell älter wird, in Erfüllung geht. Dass er realisiert wird, ist ja nicht das Problem. Das Problem ist, wenn die Gesellschaft nicht darauf vorbereitet ist, wenn wir nicht auf den Fach- und Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen vorbereitet sind oder wenn die sozialen Sicherungssysteme nicht darauf vorbereitet sind, dass viele Menschen aus dem Arbeitsmarkt herausgehen und mehr Menschen pflegebedürftig werden. Die positive Tatsache, dass die Menschen älter werden, bringt auch Herausforderungen für die Gesellschaft mit sich.
Deswegen plädiere ich als junger Abgeordneter für ein anderes Bild vom Älterwerden. Wir sollten mehr Anreize für Menschen schaffen, länger im Arbeitsmarkt zu bleiben, wenn sie können und wollen. Wir sollten Menschen, die im Alter noch ein Ehrenamt oder gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, mehr Respekt zollen. Wir sollten gleichzeitig aber die Herausforderungen, die wir in der Gesellschaft haben, angehen. Deswegen sage ich auch ganz offen: Ich finde Ihre Initiative richtig, dass wir uns nicht nur damit beschäftigen, wie wir mit Defiziten umgehen, sondern auch damit, wie wir in einer alternden Gesellschaft dafür sorgen können, dass Pflegebedürftigkeit präventiv verhindert und verringert wird und dies möglichst früh vorbereitet wird.
Ich ergänze noch einen Punkt, nämlich die Rehabilitation, die in Ihrem Antrag nur mit einem Wort vorkommt. Es ist wichtig, dass wir uns auch in der Pflege mehr mit der Frage beschäftigen: Welchen Beitrag können wir leisten, dass Menschen, die schon pflegebedürftig sind, ihren Pflegegrad durch Rehabilitation wieder reduzieren können, dass sie wieder mehr Selbstbestimmung über ihr Leben haben, dass sie sich wieder selbst anziehen und selbst das Essen zubereiten können? Auch da gibt es noch unheimlich viel Potenzial, das wir eigentlich heben sollten. Deswegen würde ich Rehabilitation bei den Gedanken, die Sie hier angestoßen haben, gerne noch ergänzen.
Nicht jeden dieser Vorschläge sollten wir eins zu eins übernehmen. Einige sind auch sehr unkonkret. Vieles haben wir schon umgesetzt, historisch, aber auch in dieser Koalition. Es ist natürlich nicht so, dass nichts passiert ist. Aber als Opposition gehört es immer dazu, der Regierung zu sagen: „Es ist zu wenig, ihr müsst noch mehr machen“, und die Regierung sagt: „Wir haben schon viel gemacht, und es kommt noch mehr.“
Aber auf einen Punkt in Ihrem Antrag möchte ich noch reagieren, bevor wir in den parlamentarischen Beratungen auf die Einzelpunkte eingehen können. Ich finde es gut, dass Sie sich mit dem Thema beschäftigen. Aber zu Seriosität gehört auch, eine Gegenfinanzierung niederzulegen. Viele Ihrer Punkte kosten einfach Geld. Es gibt nichts für lau. Und, ja, Prävention ist eine Investition.
(Zuruf des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])
Man verhindert damit, dass zukünftig mehr Menschen pflegebedürftig sein werden. Aber eine Investition muss auch in der Gegenwart finanziert werden. Sie kostet auch heute Geld: flächendeckende Pflegeberatung, Forschungsprojekte, ein flexibles Präventionsbudget. In Ihrem Antrag steht einzig und allein: „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“. Das ist das Einzige, was Sie zur Finanzierung sagen. Aber wenn Sie in eine Kneipe gehen, dann sagen Sie auch nicht: Ich bestelle einmal die ganze Getränkekarte, und der Nachbartisch oder der Gast, der nach mir kommt, soll die Rechnung bezahlen, sondern Sie bezahlen die Rechnung selbst.
(Zurufe von der AfD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])
Was in einer Kneipe nicht seriös ist, das ist auch im Deutschen Bundestag nicht seriös. Wenn man Ideen einbringt, dann muss man auch eine Gegenfinanzierung präsentieren.
(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Aber das ist Regierungsarbeit!)
Sonst entsteht am Ende politische Verdrossenheit, weil die Wunschzettel lang sind, aber das Umgesetzte zu gering ist. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie in der parlamentarischen Beratung so ehrlich sind und sagen, wie Sie die Ausgaben, die Sie hier fordern, finanzieren wollen.
(Beifall bei der FDP)
Frau Stöcker, ich möchte Ihnen für Ihr neues Amt als Bürgermeisterin viel Fortuna wünschen. Wir werden den Antrag dann mit Ihren Kolleginnen und Kollegen weiter beraten. Wenn Ihnen noch Finanzierungsideen kommen sollten, können Sie diese ja zuspicken. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen und wünsche Ihnen viel Erfolg in Ihrem neuen Amt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Erwin Rüddel hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611040 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 168 |
Tagesordnungspunkt | Prävention zur Verhinderung der Pflegebedürftigkeit |