16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Tagesordnungspunkt 7

Johann WadephulCDU/CSU - 75 Jahre Europarat

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir würdigen den 75. Geburtstag des Europarates, und – die Tagesordnung weist es aus – wir sprechen heute auch noch über 75 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Ich denke, wir sollten uns, wenn wir über dieses Jubiläum sprechen, noch einmal vor Augen führen: Der Europarat war die erste internationale Organisation, der das Nachkriegsdeutschland, die Bundesrepublik Deutschland – in Trümmern liegend, materiell, aber moralisch natürlich erst recht, und noch im Aufbau begriffen –, ein Jahr nach ihrer Gründung 1950 beitreten durfte. Wir sollten uns heute immer wieder vor Augen führen, was für eine große Offenheit dieser zwölf Gründungsländer es gewesen ist, dieses Deutschland, das so viel Schuld auf sich geladen hatte – zwei Weltkriege und einen Massenmord an Jüdinnen und Juden in Europa –, aufzunehmen. Dafür sollten wir dauerhaft dankbar sein. Dieser Vertrauensvorschuss sollte uns immer gegenwärtig sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Eine Kleinigkeit macht das auch heute noch deutlich: Die deutsche Delegation, lieber Herr Kollege Schwabe, steigt ja immer noch in demselben Hotel ab, in dem sie erstmalig überhaupt Einlass fand. Es gab in Straßburg 1950 einen einzigen Hotelier, der bereit war, die deutsche Delegation aufzunehmen. Ich möchte dem Kollegen Schwabe ganz herzlich danken nicht nur für die umsichtige und integrative Leitung unserer Delegation, die die demokratischen Parteien immer einbezieht – auch in die notwendige Willensbildung –, sondern insbesondere auch für diese Treue zu diesem Hotel – das hört sich ganz profan an –, weil es einfach deutlich macht, dass wir immer noch wissen, welch großer Schritt das für uns, aber natürlich auch für die europäische Gemeinschaft derjenigen war, die für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eintreten. Deswegen ist das ein sehr, sehr schönes Zeichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der zweite Gedanke – auch deswegen habe ich die Delegation angesprochen –: Die Ministerin hat richtige und gute Worte zum Europarat gefunden, die ich unterstreichen kann und möchte. Der Europarat hat nach Artikel 10 seiner Satzung zwei Organe: das Ministerkomitee und die Parlamentarische Versammlung, der ja viele Kolleginnen und Kollegen angehören; ich selber auch seit meiner Mitgliedschaft hier im Deutschen Bundestag, seit 2009. Das Parlament ist – und das ist auch ein Wert an sich, von dem viele etwas lernen können – also auf Augenhöhe mit der Exekutive. Das ist in vielen Staaten, die Mitglied im Europarat sind, nicht selbstverständlich. Ich finde gut, dass das dort gelebt wird und dass wir das immer wieder praktizieren.

Es ist ja so, dass viele Staaten herangeführt werden an Europa. Viele Staaten, die in die Europäische Union wollen, fangen sozusagen im Europarat an, wenn ich es so formulieren darf, lernen den Umgang mit Rechtsstaatlichkeit, lernen auch den Umgang mit parlamentarischer Demokratie, lernen die Bedeutung der Legislative und die Bedeutung der Meinungsbildung im Parlament kennen. Das ist gut, das ist wichtig, und das ist notwendig, und da müssen wir auch immer klar sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

In dem Zusammenhang möchte ich jetzt einen Blick nach Georgien werfen, wo ja gerade ein Gesetz verabschiedet worden ist, bei dem man gesagt hat: Wir erwarten, dass genau dieses Gesetz nicht verabschiedet wird. Deswegen geben wir euch den Kandidatenstatus für die Europäische Union. – Jetzt ist der Kandidatenstatus verliehen und das Gesetz doch erlassen worden. Deswegen will ich hier klar sagen: Dieses Gesetz verbaut Georgien nicht nur den Weg in die Europäische Union, sondern es widerspricht auch allen Werten des Europarates. Deswegen können wir Georgien nur auffordern, dieses Gesetz wieder abzuschaffen. Es passt nicht zu Europa.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Eine der wichtigsten Institutionen des Europarates ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Er ist auch der Grund dafür, dass wir bei manchem Staat eine gewisse Nachsicht haben und sagen: Die Rechtsstaatlichkeit ist nur unvollständig garantiert, aber wir wollen den Menschen aus diesen Ländern den Zugang zum Menschenrechtsgerichtshof ermöglichen. Deswegen muss immer klar sein: Die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs müssen von allen Staaten umgesetzt werden. Das gilt eben auch – ich nenne Osman Kavala – für das NATO-Mitgliedsland Türkei. Das ist ein Bündnispartner von uns; aber wir sagen der Türkei auch ganz klar und eindeutig: Wir erwarten, dass dieses Urteil in der Türkei umgesetzt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sehen: Der praktische Wert des Europarates für Rechtsstaatlichkeit und für Menschenrechte in Europa ist nach wie vor gegenwärtig.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion Frank Schwabe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611081
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt 75 Jahre Europarat
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