Michael Georg LinkFDP - 75 Jahre Europarat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Wir feiern diese Woche 75 Jahre Europarat – in Straßburg, wo das Ministerkomitee heute und morgen tagt, aber eben auch hier im Bundestag. Es ist gut und richtig und kein Zufall, dass der Auftakt hier parlamentarisch erfolgt. Denn das, was die Parlamentarische Versammlung des Europarats wirklich ausmacht – übrigens anders als die Parlamentarischen Versammlungen der OSZE oder der NATO, bei aller Wichtigkeit, die diese haben –, ist eben, lieber Kollege Frank Schwabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, die in der Delegation auch Mitglied sind, dass dort verbindliche parlamentarische Arbeit geleistet wird.
Es werden rechtsverbindliche Beschlüsse gefasst. Es ist ein Parlament; es ist nicht nur eine Versammlung. Das ist ein ganz großer Unterschied, weshalb wir auch erwarten, dass die Beschlüsse der Parlamentarischen Versammlung respektiert und auch umgesetzt werden.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Michael Sacher [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen in der Tat mehr darüber informieren. Bezüglich der Überschneidungen mit der EU muss man, Kollege Schwabe, vielleicht noch mehr erklären. Aber man muss vor allem auch sagen, dass es kein Jubiläum ist, bei dem man feierlich zurückblickt, sondern hier geht es ganz konkret um Work in Progress, um Arbeit, die wir machen.
Heute wird im Ministerkomitee das Rahmenübereinkommen über künstliche Intelligenz, Menschenrechte, Demokratie, und Rechtsstaatlichkeit beschlossen, das wir später hier im Parlament ratifizieren werden. Es ist wegweisend, weil dabei etwas ganz Wichtiges gelungen ist: die Vereinbarung von 46 Staaten in Abstimmung mit der EU über rechtliche Rahmen im Bereich künstlicher Intelligenz sowie deren ethisches und rechtliches Verhältnis zu den Themen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Das ist extrem wichtig. Das ist neu, und das ist zeitgemäß. Und es ist übrigens – das ist ganz besonders wichtig, und darüber muss man öffentlich reden – vorbereitet in Abstimmung auch mit Israel, Kanada, den USA, Argentinien, Südkorea, Japan, Australien, Neuseeland.
Das ist ein ganz entscheidendes Stück gemeinsamer Regulierung von Demokratien in einer Zeit, wo autoritäre Staaten und Diktaturen im Systemwettbewerb versuchen, Dinge wie KI und anderes gegen uns einzusetzen. Normsetzung im 21. Jahrhundert geht nur gemeinsam mit anderen Demokratien. Genau das macht der Europarat. Darüber müssen wir reden. Deshalb brauchen wir ihn so dringend.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der gleich folgende Punkt ist von Frank Schwabe schon erwähnt worden. An dich, lieber Frank, bei dieser Gelegenheit auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion – wir sind seit vielen Jahren gemeinsam in der Delegation tätig –: Danke für deine Arbeit als deutscher Delegationsleiter! Danke für die sehr kollegiale und vor allem auch vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne der Sache mit allen demokratischen Fraktionen gemeinsam! Das ist extrem viel wert. Mein Dank geht auch an Johann Wadephul.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir erwarten, dass der Beschluss mit übergroßer Mehrheit zum Thema „Aufnahme des Kosovo“ von der Bundesregierung respektiert und umgesetzt wird. Danke für die klaren Worte! Das muss jetzt natürlich auch passieren. Wir wissen: Daran wird viel gearbeitet. Wir erwarten, dass das nicht erst nächstes Jahr beim nächsten Ministerkomitee passiert, sondern vorher. Das ist dringend und wichtig, auch mit Blick auf das, was wir an Schauspiel beim Besuch von Präsident Xi in Belgrad gesehen haben, und auch als Signal an Russland, das sich im Westbalkan immer wieder störend und destabilisierend einmischen will.
(Knut Abraham [CDU/CSU]: So ist es!)
Klar ist auch, dass wir extrem besorgt sind, dass Georgien gerade jetzt einen Weg einschlägt, der erkennbar in eine gelenkte Demokratie führen soll, der klar dem Einfluss Russlands zu viel Raum gibt. Wenn wir es im Europarat mit der Rolle zur Vorbereitung auf zukünftige Standards, auf zukünftige Mitgliedschaften in der Europäischen Union ernst nehmen, so hat der Europarat jetzt die entscheidende Rolle, ganz klar zu signalisieren: So geht es nicht.
Wir erwarten von der georgischen Regierung, dass sie zum Beispiel die extrem wichtigen Positionen und Stellungnahmen, die Vorschriften und Vorschläge der Venedig-Kommission – sie ist noch nicht erwähnt worden; das ist ja unser gemeinsames Kronjuwel im Bereich der Verfassungsberatung – akzeptiert und nicht ignoriert. Denn sie sind gemeinsam erarbeitet worden, auch mit georgischen Experten. Hier braucht es jetzt ein deutliches und klares Signal, um in der Kommunikation noch mal die Message gegenüber Georgien deutlich zu machen: So geht es nicht. So kommt ihr nicht näher an die europäischen Strukturen heran.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss lassen Sie mich Hans-Dietrich Genscher aus dem Jahr 1976 – das Zitat ist auch heute aktuell – zitieren. Er sagte: „Europäische Gemeinschaft“ – damals noch die Europäischen Gemeinschaften – „und Europarat müssen einander ergänzen.“ Ja, deshalb brauchen wir auch so dringend die Mitgliedschaft der Europäischen Union im Europarat. Das ist etwas, an dem lange gearbeitet wird und wozu uns immer wieder gesagt wurde: Das ist rechtlich schwierig. – Ja, aber wir sind nicht dafür, rechtliche Probleme immer wieder zu wiederholen, sondern dafür, sie gemeinsam zu lösen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir erwarten, dass das noch in dieser Legislaturperiode gelingt. Das wäre äußerst wichtig; denn die Europäische Union sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und sich selbst einreihen.
Vor allem – letztes Wort –: Wir müssen dringend die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stärken. Lassen Sie uns nicht daran herumkritteln, wie wir es gerade gehört haben. Wir wählen diese Richter in der Parlamentarischen Versammlung selbst. Es liegt an uns, dort genau hinzuschauen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Kronjuwel für den Rechtsstaat in Europa. Dafür kämpfen wir.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611084 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | 75 Jahre Europarat |