16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Tagesordnungspunkt 7

Knut AbrahamCDU/CSU - 75 Jahre Europarat

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines ist im Verlauf dieser Debatte deutlich geworden: Es ist eine wirklich besondere und eine wirklich besonders schöne Aufgabe, Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und Teil der deutschen Delegation, entsandt vom Deutschen Bundestag, zu sein, um mitzuarbeiten in dieser ältesten paneuropäischen Institution in Straßburg.

Straßburg ist ja nicht zufällig die parlamentarische Hauptstadt Europas und Sitz des Europarats. Die Stadt an der Ill und das ganze Elsass symbolisieren ein Wunder, das Wunder der deutsch-französischen Aussöhnung und Freundschaft am lange umkämpften Rhein und an der Sprachgrenze zwischen Schwarzwald und Vogesen. Aus Straßburg, aus dem Europarat, entstammt auch die europäische Flagge – Volker Ullrich hat es schon erwähnt –: zwölf goldene Sterne auf blauem Grund. Diese zwölf Sterne findet man übrigens im wunderbaren Straßburger Münster in einem der herrlichen Kirchenfenster wieder, das Maria und über ihr den Sternenkranz zeigt. Dahinter steht eine traurige, aber schöne Geschichte. Im Herbst 1944 waren alle Kirchenfenster des Münsters bei einem Bombenangriff zerstört worden. Das neue Fenster mit den zwölf Sternen war ein Geschenk des Europarats, geschaffen vom berühmten Glasmaler Maurice Max-Ingrand, der fünf Jahre deutsche Kriegsgefangenschaft durchleiden musste. Es war dann Paul Lévi, ein jüdischer Mann, damals Leiter der Kulturabteilung des Europarats, der dem Generalsekretär Graf Benvenuti, einem Italiener, die zwölf Sterne auf blauem Grund als Flagge des Europarats vorschlug. Seit 1955 ist das die Flagge des Europarates gewesen, und seit 1985 – so wie wir es alle kennen – auch die Flagge der heutigen Europäischen Union.

Doch geht es im Europarat nicht nur um vergangene Geschichte. Der Europarat und seine Parlamentarische Versammlung sind der Ort, an dem auch heute europäische Geschichte geschrieben wird. Der Rauswurf Russlands – Catarina dos Santos-Wintz hat es erwähnt – aus der Wertegemeinschaft des Europarates, nachdem das Land seinen Nachbarn, die Ukraine, brutalst überfallen hat, steht dafür.

Aber auch in diesen Stunden geht es darum, eine für ganz Europa wichtige Frage zu entscheiden. Das Kosovo, Europas jüngste Demokratie, hat nach überwältigender Auffassung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats – 83 Prozent Zustimmung – alle Kriterien für den Beitritt in die Organisation erfüllt. Ich verstehe nicht, warum die Bedenkenträger im Bundeskanzleramt nicht begreifen, dass dies wirklich eine historische Chance ist. Frau Ministerin, das ist heute und morgen, wenn das Ministerkomitee tagt, ein historischer Moment. Wir kennen all die Reden, die hier an diesem Pult gehalten werden und in denen es heißt: Wir müssen den westlichen Balkan stabilisieren; wir müssen ihn europäisieren. – Das ist jetzt; das ist morgen. Das ist die Aufgabe des Ministerkomitees.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, jetzt liegt es an den Regierungen, die Aufnahme des Landes final zu beschließen. Und es gibt dabei eine exzellente neue Entwicklung, ganz frisch von heute Nacht: Die kosovarische Regierung hat in einem Schreiben an den Europarat zugesagt, bis Ende Mai dem eigenen Verfassungsgericht ein Statut für den serbischen Gemeindeverband vorzulegen. Deswegen, Frau Ministerin, wäre es eine gute Idee, wenn das Ministerkomitee diese Frage in einer Sondersitzung im Juni thematisieren könnte. Das ist ein historischer Moment. Und die Regierung des Kosovo ist hier einen ganz wichtigen Schritt gegangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Wort zu einer bedenklichen Entwicklung. Wir müssen uns stärker als bisher überlegen: Was passiert eigentlich, wenn ein Mitgliedsland sich nicht an die Regeln und Konventionen hält, wenn ein Staat die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs ignoriert und Menschenrechte systematisch verletzt? Hier müsste viel entschlossener und auch viel schneller gehandelt werden. Das ist etwas, was wir in unser Aufgabenbuch für die nächsten Jahre schreiben müssen.

Also: Herzlichen Glückwunsch Europa zu deinem Europarat; aber pass auf, dass er stark bleibt! Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Aufgabe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611097
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt 75 Jahre Europarat
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