Axel SchäferSPD - 75 Jahre Europarat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 75 Jahre Europarat sind eine besondere Gelegenheit, sowohl länder- als auch parteiübergreifend selbstbewusst, aber auch selbstkritisch Bilanz zu ziehen und sich einmal zu offenbaren. Ein Gründungsdokument für dieses gemeinsame Europa wurde im April 1945 von demokratischen Sozialisten im KZ Buchenwald bei Weimar verabschiedet. In diesem Dokument, geschrieben noch im Angesicht eines drohenden Todes, bevor die amerikanische Armee das KZ befreite, stehen Sätze wie: Die Zukunft Deutschlands sehen wir in einer europäischen Zusammenarbeit, in einer neuen Gemeinschaft. Und diese basiert als erste Voraussetzung in einer Verständigung Deutschlands mit Frankreich und Polen. – Das ist eine Positionierung, damals noch in der Nazidiktatur eingenommen, und Perspektive für das, was wir auch fast 80 Jahre später noch gemeinsam machen, nämlich ein Europa zu bauen, wo die Beziehungen zu Frankreich und Polen uns in besonderer Weise so wichtig sind, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich sage als Sozialdemokrat: Dass wir die Ersten waren – unsere Väter und wenigen Mütter damals im KZ Buchenwald –, ist ein Punkt, auf den wir auch heute noch bei jeder Europadebatte stolz sind
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Selbstbewusstsein gehört auch die Selbstkritik. Ja, die SPD-Bundestagsfraktion hat 1950 nicht dem Beitritt Deutschlands zum Europarat zugestimmt, weil sie damals der Meinung war, dass dies eine mögliche Wiedervereinigung behindert oder verhindert. Auch das gehört zu den Wahrheiten, die man aussprechen muss, wenn man gemeinsam vorankommen will. Genauso kann man erwarten, dass die Christdemokraten ihre Ablehnung der Entspannungspolitik in Europa in den 70er-Jahren auch irgendwann mal korrigieren und sagen: Die Sozialdemokraten und die Liberalen damals haben das richtig gemacht. – Auch das gehört zu einer wahrhaften europäischen Diskussion.
Wir müssen, wenn wir hier heute über den Europarat reden, auch über die Zukunftsaufgaben diskutieren. Und eine Zukunftsaufgabe wird sein, dass wir die Errungenschaften kennen, benennen und verteidigen, insbesondere den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Als Zweites – auch das ist zu Recht gefordert worden – muss von uns der Beitritt der Europäischen Union zur Menschenrechtskonvention massiv vorangetrieben werden; es gehört dazu, sowohl in der Sache als auch mit Blick auf die Verschränkung zwischen Europarat und Europäischer Union.
(Beifall des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Da wird es, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf ankommen, das, was von Präsident Macron initiiert worden ist, nämlich die Europäische Politische Gemeinschaft mit 46 Staats- und Regierungschefs ohne neue Institution, tatsächlich als Mittel des Dialogs und der Zusammenarbeit zu nutzen, um die beiden Institutionen Europarat und Europäische Union näher zusammenzubringen. Deshalb war es so wichtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz dem Europaratsgipfel, dem ersten nach 18 Jahren, zum Erfolg verholfen hat, bei dem alle Staats- und Regierungschefs außer Erdoğan da gewesen sind und bekannt haben, dass dieser gemeinsame europäische Weg weitergegangen werden soll.
In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir das auch im Europarat gestalten, zusammen mit unserem Delegationsleiter Frank Schwabe von den Sozialdemokraten, den Grünen und einigen anderen sowie mit Vizepräsident Armin Laschet
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611099 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | 75 Jahre Europarat |