16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Tagesordnungspunkt 8

Dirk WieseSPD - 75 Jahre Grundgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zuallerst in dieser heutigen Debatte: Herzlichen Glückwunsch, liebes Grundgesetz!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wenn man das 75. Lebensjahr erreicht, dann würde man sagen, dass man schon ein gewisses Alter erreicht hat. Aber das Grundgesetz ist eigentlich 75 Jahre jung. Das, was in diesem Grundgesetz steht, das, was die Väter und die vier Mütter des Grundgesetzes damals im Parlamentarischen Rat aufgeschrieben haben, hat an Aktualität und Wichtigkeit nichts verloren. Denn das, was in diesem Grundgesetz steht, in diesem kleinen Buch, regelt eigentlich alles, was für ein respektvolles Miteinander, für ein Zusammenleben der Menschen in unserem Land notwendig ist. Darum noch mal: Herzlichen Glückwunsch, liebes Grundgesetz, zu einem jungen 75. Geburtstag!

Aber man muss sich schon einmal die Frage stellen: Was genau ist eigentlich diese Verfassung, die wir in diesen Tagen feiern? Auf diese Frage antwortete der große Staatsrechtler und SPD-Abgeordnete Carlo Schmid bei seiner Rede im Parlamentarischen Rat am 8. September 1948 in Bonn: „Eine Verfassung ist … die in Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung der Freiheit eines Volkes.“ Wenn wir das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes auch hier heute feiern und demnächst draußen vor dem Parlament oder in vielen Veranstaltungen im Land, dann feiern wir also unser aller Freiheit und Selbstbestimmung nach zwei Weltkriegen und Diktatur.

Man kann es nicht hoch genug einschätzen, dass die damaligen Alliierten trotz des brutalen Weltkriegs, den das Deutsche Reich vom Zaun gebrochen hat, davon überzeugt waren, dass das besiegte Deutschland seine eigene Verfassung erarbeiten muss. Nur dadurch konnte das neu geschaffene Grundgesetz deutsche demokratische Traditionen mit einer modernen Rechtsordnung vereinen. Es steht damit auch in direkter Tradition zu den ersten deutschen Verfassungen, sowohl der Paulskirche als auch der Weimarer Republik. Wie kein anderes Dokument verkörpert dieses Grundgesetz also auch die Erfahrungen der deutschen Geschichte.

Carlo Schmid führte damals weiter aus:

„Nichts steht über ihr“

– über der Verfassung –

„niemand kann sie außer Kraft setzen, niemand kann sie ignorieren.“

Deshalb ist es wichtig, im 75. Jahr des Grundgesetzes, wo es Menschen gibt bei uns im Land, die die Demokratie und den Rechtsstaat infrage stellen, immer deutlich zu machen, dass dieses Grundgesetz sich auch wehren kann, dass dieses Grundgesetz auch Abwehrkräfte hat.

Wo wir sicherlich auch hingucken müssen – darauf hat Günter Krings richtigerweise hingewiesen –, ist, wie wir diese Abwehrkräfte noch stärken können. Denn – ich will es ganz deutlich sagen – diejenigen, die bei uns im Land ein Kalifat fordern, einen Führerstaat fordern oder von einem Königreich Deutschland faseln, das sind Leute, die versuchen, mit den Rechten, die ihnen diese Verfassung einräumt, die Verfassung zu stürzen. Diesen Leuten dürfen wir bei uns im Land keinen Freiraum geben. Das sind Feinde der Verfassung, gegen die uns die Verfassung Rechte gegeben hat, mit denen wir uns gegen solche Leute bei uns im Land wehren können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin dankbar, dass dieses Jubiläum in diesen Wochen und Tagen an vielen Stellen im Land gefeiert wird. Bei mir in Brilon wurde am Wochenende der Tag des Grundgesetzes gefeiert. In Meschede lädt das Bündnis für Demokratie am 23. Mai ein, die Verfassung mit Leben zu füllen, sich für die Demokratie einzusetzen.

Am gestrigen Abend haben wir als SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eine große Veranstaltung dazu gehabt. Ich glaube – das ist mir gestern noch einmal klargeworden, als eine Bürgermeisterin aus Sachsen, Martina Angermann, gesprochen hat –, dass auch der Staat dafür sorgen muss, den Schutzauftrag, den das Grundgesetz ihm gibt, zu erfüllen – einen Schutzauftrag für all diejenigen, die sich für die Demokratie einsetzen, sei es als Bürgermeister, als Oberbürgermeister, als Polizisten, als Sicherheitskräfte, die immer mehr Respektlosigkeit erfahren. Auch da müssen wir ein Zeichen setzen – und das setzt diese Verfassung –, dass wir diejenigen schützen, die täglich für die Verfassung, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung bei uns im Land kämpfen. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen. Da sind alle demokratischen Parteien gefordert.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ottmar Wilhelm von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich wünsche mir, dass wir das, was im Grundgesetz steht, das unser Zusammenleben regelt, wo alles drinsteht, was ein friedliches Zusammenleben ausmacht, stark machen. Wir brauchen keine Leitkultur, die ins Gestern zurückwill. Wir wollen dieses Land gestalten. Alles, was wir für dieses Zusammenleben brauchen, regelt dieses kleine Buch, das wertvoller ist als jemals zuvor.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächster hat das Wort für die AfD-Fraktion Stephan Brandner.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611104
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt 75 Jahre Grundgesetz
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