Thorsten LiebFDP - 75 Jahre Grundgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Heute in einer Woche, am 23. Mai, feiern wir gemeinsam den Geburtstag eines Provisoriums und Geschenkes. Unser Grundgesetz, unsere Verfassung der Freiheit, wird 75 Jahre alt, ein Geschenk – und daran möchte ich ein bisschen erinnern –, das man uns am Anfang geradezu aufdrängen musste.
Am 1. Juli 1948 übergaben die alliierten Militärgouverneure in Frankfurt am Main den Ministerpräsidenten und Bürgermeistern der westlichen Länder die sogenannten Frankfurter Dokumente. Damit wurden sie autorisiert – so der Wortlaut –, „eine Verfassunggebende Versammlung einzuberufen“, die eine demokratische Verfassung ausarbeiten solle.
Die Begeisterung bei den Ministerpräsidenten war überschaubar; denn sie antworteten, es müsse alles vermieden werden, was dem zu schaffenden Gebäude den Charakter eines Staates verleihen würde. „ Grundgesetz“ solle es heißen und nicht „Verfassung“, so waren die Worte. Man hatte große Sorge, dass man die deutsche Teilung zementieren würde. Das führte zu heftigen Auseinandersetzungen in dieser Zeit. Der US-Militärgouverneur Lucius D. Clay – bekannt natürlich vor allem durch seine Tätigkeit im Rahmen der Berlin-Blockade – sprach sogar von unverantwortlichen Schritten der Länder.
Nach vielen Diskussionen gab es dann eine quasi salomonische Einigung. Man nahm die Dokumente an. Der Auftrag zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland war in der Welt. Das Verfassungsdokument sollte – wie auch heute – „Grundgesetz“ heißen. Das „Basic Constitutional Law“ – so hatte man es genannt – wurde akzeptiert, und am 12. Mai 1949 wurde das Grundgesetz – wiederum in Frankfurt am Main – genehmigt. Der Weg zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland war frei.
Es ist eine großartige Nachricht für dieses Land – und das ist es bis heute –, dass wir in diesem freiheitlich-demokratischen Staat leben dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn wir wissen heute: Das Grundgesetz war und ist ein Glücksfall für die Geschichte unseres Landes. „ Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so beginnt die Verfassung. Dies macht deutlich, dass das Grundgesetz die Antwort auf einen Zivilisationsbruch ist, den die Geschichte nie zuvor gesehen hatte. Dieser Satz bleibt auch heute noch die richtige Antwort auf die Anfeindungen gegen die Demokratie und die Angriffe von innen und von außen.
Ich bin dankbar, Herr Kollege Krings, dass Sie vorhin noch mal deutlich gemacht haben, dass der Antragstext alleine das Problem natürlich nicht löst. Es ist eine Daueraufgabe, dass wir gemeinsam das Grundgesetz, unsere Verfassung, verteidigen müssen. Über die Punkte müssen wir diskutieren. Ein Punkt, über den wir uns wirklich Gedanken machen sollten, ist hier in dieser Debatte angesprochen worden: Wie pflegen wir Erinnerungskultur unserer Verfassungsgeschichte hier im Deutschen Bundestag? Damit sollten wir uns beschäftigen.
Aber um eines ganz deutlich zu sagen: Wer sich hier vorne hinstellt und erklärt, er sei der Oberdemokrat und der Oberverteidiger der Verfassung, hat etwas ganz Wichtiges nicht verstanden.
(Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie mal was zu Martin Neumaier aus Aalen!)
Wer den Geist des Grundgesetzes richtig versteht, weiß, dass man in dieser Art und Weise hier, von diesem Pult aus, nicht miteinander umgeht, nicht die anderen verächtlich macht, sondern auf dem Boden des Grundgesetzes diskutiert.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Und an dieser Stelle versagen Sie. Denn die Aufgabe ist, in Erinnerung an die Mütter und Väter des Grundgesetzes heute diesen Staffelstab weiterzureichen. Wir miteinander sind die ersten Verteidiger des Grundgesetzes; denn heute sind keine Militärgouverneure mehr da, die es uns erklären.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der nächste Redner ist Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611114 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | 75 Jahre Grundgesetz |