Johannes FechnerSPD - 75 Jahre Grundgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 75 Jahre Grundgesetz, das ist für uns wahrlich ein Grund zum Feiern. Wir dürfen seit 75 Jahren in Frieden, in Demokratie, in Freiheit mitten in Europa leben. Das ist wirklich ein Grund zum Feiern; denn die Mehrheit der Erdbevölkerung beneidet uns um diesen Zustand wahrlich. Insofern: Ein Tag zur Freude, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP] – Stephan Brandner [AfD]: Die Mehrheit welcher Bevölkerung?)
Dabei war das Grundgesetz ursprünglich nur als Provisorium gedacht. Die wenigen Mütter und die vielen Väter des Grundgesetzes haben aber mit großer Weitsicht und Optimismus unserem Staat eine Grundlage gegeben, die bis heute unser Land zusammenhält. Als Konsequenz aus dem Untergang der Weimarer Republik und den furchtbaren Verbrechen des Nationalsozialismus wurde eine moderne Verfassung geschaffen, die unseren modernen Sozialstaat und unseren Rechtsstaat erst ermöglicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und deshalb: Wir können stolz sein auf diese Verfassung, und es ist gut, dass wir hier heute auf Antrag der Union über unser Grundgesetz sprechen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Unionsantrag sind allerdings viele diskussionswürdige Punkte, viele gute Ideen, aber auch einige Punkte, die mich sehr verwundert haben. Zum Beispiel: Sie sprechen sich gegen einen angeblich undifferenzierten Kampf gegen Nationalismus aus. Ich finde, es ist gerade der Geist des Grundgesetzes, dass wir uns gegen Nationalismus aussprechen. Das Grundgesetz ist weltoffen, es ist europafreundlich. Insofern glaube ich, dass Sie hier falschliegen, wenn Sie diesen eher rückwärtsgewandten Ansatz wählen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und besonders schräg finde ich in Ihrem Antrag, dass Sie ernsthaft ausführen, unseren ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern würde der Bezug zur eigenen Nation fehlen und dies sei eine Schwachstelle der Wiedervereinigung. Das halte ich für völlig verkehrt. Denn es waren doch gerade die ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger, die zu einer Zeit, als ihnen noch Repression und Verfolgung gedroht haben, auf die Straße gegangen sind und für Freiheit, für Demokratie und für die Wiedervereinigung demonstriert haben. Es ist also völlig falsch, unseren ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern fehlenden Bezug zur deutschen Nation vorzuwerfen oder das gar als Schwachstelle der Wiedervereinigung zu bezeichnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und ich finde in Ihrem Antrag den Umgang mit Patriotismus auch zu schwammig und nicht präzise genug. Für mich ist klar: Wir können stolze Verfassungspatrioten sein. Wir brauchen einen Verfassungspatriotismus, gemäß dem sich die Bürger für das Allgemeinwesen engagieren, gemäß dem sie sich hauptberuflich oder wie viele im Ehrenamt für unser Allgemeinwesen engagieren, sich in die Politik einmischen und mitgestalten. Das ist gelebter Verfassungspatriotismus. Den brauchen wir, und den sollten wir fördern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen aber auch ganz konkrete Schritte ergreifen, um unsere Verfassung gegen die Demokratiefeinde auch in Zukunft weiter zu verteidigen. Dazu gehört es, dass Verfassungsfeinde keine Steuergelder bekommen. Es war deshalb richtig, dass wir geregelt haben, dass verfassungsfeindliche Parteien keine Steuermittel mehr bekommen. Und es war richtig, festzulegen, dass politische Stiftungen, die verfassungsfeindlich sind, kein Geld mehr bekommen. Unser Grundsatz ist ganz klar: Kein Geld für Verfassungsfeinde!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Da waren Sie aber ein bisschen befangen, Herr Fechner, oder?)
Und wir müssen unsere Verfassungsorgane noch besser absichern gegen den Einfluss von Verfassungsfeinden. Es ist deshalb gut, dass wir in guten Gesprächen sind, wie wir unsere Geschäftsordnung reformieren, wie wir die Schlupflöcher und die Möglichkeiten für Tricksereien beseitigen.
(Stephan Brandner [AfD]: Ich kenne die Gespräche gar nicht, Herr Fechner! Was für Gespräche denn?)
Es darf nie wieder so sein, dass Verfassungsfeinde die demokratischen Strukturen ausnutzen können, um an die Macht zu kommen. Das wissen wir, und deswegen werden wir auch weiter eine wehrhafte Demokratie haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und dazu gehört auch, dass wir unser Bundesverfassungsgericht noch besser absichern gegen den Einfluss verfassungsfeindlicher Parteien.
(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Mauscheleien wollen Sie ins Grundgesetz reinschreiben!)
Wir haben gesehen, wie schnell in Polen und in anderen osteuropäischen Ländern der Rechtsstaat abgebaut wurde, indem das Verfassungsgericht lahmgelegt wurde. Es ist gut, dass die demokratischen Parteien hier im Bundestag in guten Gesprächen sind, wie wir dieses Ziel erreichen; das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Das kann gar nicht sein! Sie haben uns ja ausgegrenzt! Wir sind die Superdemokraten!)
Bei Gesprächen mit Schulklassen – Sie kennen es vielleicht – wird man gefragt: Was ist dein Lieblingsverein? Was ist die Lieblingsfarbe? Was ist das Lieblingsbuch? Ich sage immer: Mein Lieblingsbuch ist das Grundgesetz, weil es uns ermöglicht, seit Jahrzehnten in Frieden und Freiheit mitten in Europa zu leben. Und das wird auch in Zukunft so sein. Schaffen wir eine wehrhafte Verfassung, auch weiterhin!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611124 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | 75 Jahre Grundgesetz |