16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Zusatzpunkt 4

Jürgen HardtCDU/CSU - WHO-Pandemievertrag

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht so oft der Fall, dass Gesundheitspolitiker und Außenpolitiker gemeinsam eine Debatte bestreiten; aber das ist in diesem Fall – dem, wie wir finden, wegweisenden WHO-Pandemieabkommen oder, genauer gesagt, dem Versuch, ein solches Abkommen hinzubekommen – angemessen. Deswegen sprechen auch einige Außenpolitiker heute hier, und ich bedanke mich dafür, die Gelegenheit zu haben, einige internationale Aspekte der Planung dieses Abkommens zu beleuchten.

Wir leben im Augenblick in einer Zeit, in der wir leider erleben müssen, dass der Multilateralismus, also der Versuch, Dinge unter Nationen gemeinsam auf vertraglicher Basis im Rahmen von Institutionen zu lösen, eher auf dem Rückzug ist. Wir beklagen die Schwäche des UN-Sicherheitsrates. Wir beklagen die Zerstrittenheit der Generalversammlung und auch anderer UN-Institutionen. Deswegen ist es, wie ich finde, ein positives Zeichen, dass sich die Nationen der Welt tatsächlich zusammengefunden haben, um ein solches Pandemieabkommen zu schließen. Das wäre in einem Feld, in dem es Multilateralismus bisher nicht gab, ein echter Fortschritt. Deswegen sollten wir unsere ganze Kraft da reinstecken, um das tatsächlich zu einem Erfolg zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Mit Blick auf die Pandemie – das darf ich als Nichtgesundheitspolitiker sagen – kann man natürlich nicht leugnen, dass nicht alles rund gelaufen ist, weder national noch international. Das ist völlig klar in einer solchen Situation, von der wir alle völlig überrascht wurden. Umso wichtiger ist es doch, dass man formalisierte, strukturierte, institutionelle Rahmenbedingungen findet, um die Dinge, die in dem einen Bereich vielleicht besser gelaufen sind als in dem anderen, für die gesamte Welt zu vereinheitlichen und gemeinsam abzubilden.

Ich will einfach ein ganz normales Beispiel nennen: Wenn die Theorie der chinesischen Regierung stimmt, dass die Verbreitung des Covid-Virus daraus resultierte, dass auf einem Tiermarkt in Wuhan dieser Virus vom Tier auf den Menschen übertragen wurde –

(Beatrix von Storch [AfD]: Verschwörungstheorie!)

wir wissen nicht, ob es so gewesen ist, aber das ist die chinesische Theorie –, dann muss man doch feststellen, dass so etwas zum Beispiel in der Europäischen Union mit ihren Hygienestandards und ihren Lebensmittelsicherheitsstandards schlicht nicht passiert wäre. Warum also nicht in der ganzen Welt als Ergebnis dieser Covid-Pandemie feststellen, dass wir andere und bessere Regeln brauchen – zum Beispiel so gute Regeln wie in Europa –, um so etwas zu verhindern? Allein das wäre meines Erachtens die Anstrengung wert, sich zusammenzusetzen und an so etwas zu arbeiten.

Es gibt ein großes Missverständnis – auch in den Köpfen mancher Skeptiker der Coronapolitik, die glauben, die Regeln hätten die Freiheit eingeschränkt. Ich möchte feststellen: Das Virus

(Beatrix von Storch [AfD]: … hat das Ausgehverbot erteilt und die Kitas geschlossen! Ja, das Virus hat die Kitas geschlossen!)

und seine tödliche Ansteckungsgefahr haben die Freiheit eingeschränkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Die Regeln, die wir gemacht haben, waren dazu da, die Einschränkungen der Freiheit durch diese Pandemie möglichst zu minimieren, zu verringern. Die größte Einschränkung der Freiheit ist, wenn man an einem Virus stirbt, und deswegen war der Gesundheitsschutz, der Schutz vor schwerwiegender Erkrankung und Tod, im Vorrang.

(Martin Sichert [AfD]: Deswegen haben Sie 2G und 1G und so was gemacht? – Beatrix von Storch [AfD]: 80 Millionen Gesunde einsperren! Der Totalitarismus lacht sich kaputt!)

Deswegen, glaube ich, ist es einfach wichtig, dass wir dieses Thema in diesem Sinne gemeinsam vorantreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Regeln durch ein Welt-Pandemieabkommen besser werden, dann wird auch der Grad der Freiheit, den wir uns verschaffen, größer sein für den Fall, dass so etwas Ähnliches oder etwas Neues wieder passiert, auf das wir aber mit diesen Instrumenten reagieren können. Und das, finde ich, ist auch ein wichtiger Punkt.

Es gab hier einen Redebeitrag, in dem davon gesprochen wurde, die Abgabe von Souveränität wäre eine Verletzung der Interessen des deutschen Volkes. Ich bin immer der Meinung, dass ein Deutscher Bundestag und eine deutsche Bundesregierung sehr genau überlegen müssen: Was können wir national selbst entscheiden? Was kann vielleicht sogar der Private, die Familie, die subsidiäre Einheit, die kommunale Ebene usw. selbst entscheiden und muss nicht der Staat entscheiden? Das ist unser alltägliches Geschäft. Aber wir erleben doch in dieser Welt, dass nationale Souveränität an vielen Punkten gar nicht mehr das wert ist, was wir den Bürgern vorgaukeln, was sie wert wäre.

Wenn wir die nationale Souveränität gegen ein solches Virus ausspielen und sagen: „Wir machen nur unser Ding; wir verzichten darauf, Daten und Erfahrungen auszutauschen; wir verzichten darauf, uns abzustimmen“, dann würden wir unsere Bürger deutlich schlechter schützen können. Genauso haben wir zum Beispiel in der Handelspolitik die Souveränität an Europa übertragen. Denn wir haben gesagt: Der Außenhandel Deutschlands ist in der EU besser geschützt, als wenn es ein deutscher Handelsminister von Berlin aus macht. – Also, die Übertragung von Souveränität an andere Ebenen ist nicht per se antidemokratisch und antifreiheitlich,

(Lachen des Abg. Martin Sichert [AfD] – Thomas Ehrhorn [AfD]: Es lebe die Weltregierung!)

sondern sie kann ein kluges Instrument sein, die Souveränität Deutschlands in dieser Welt zu bewahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Fakten statt Gerüchte! Was mich am meisten schockiert, sind die Politiker, die hier behaupten, sie wären ständig am Puls der Zeit und an den Menschen dran. Ich bin in meinem Wahlkreis in allen Kliniken gewesen und habe mich bei den Direktoren, bei den Medizinischen Direktoren, bei den Verwaltungschefs und bei den Chefärzten über die Covid-Situation informiert. Ich habe in meinem Wahlkreis in Solingen ein Krankenhaus, das auf Lungenerkrankungen spezialisiert ist. Einer der ersten Covid-Verstorbenen in meiner Region war in diesem Krankenhaus. Er war dort hingeflogen worden, weil es ein Spezialkrankenhaus ist und man versucht hat, dort sein Leben zu retten. Die Behauptung, es hätte keine Gefahr der Überlastung von Krankenhäusern gegeben,

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum [AfD])

ist ein solcher Irrsinn! Auf diese Idee kann man nur kommen,

(Beatrix von Storch [AfD]: … wenn man die Zahlen gelesen hat!)

wenn man niemals einen Fuß in ein Krankenhaus gesetzt hat, wenn man niemals mit einem Arzt, mit einer Klinikverwaltung in der Covid-Zeit gesprochen hat. Das ist total absurd!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beatrix von Storch [AfD]: Einzelfallgespräche ersetzen nicht die Statistik! Das ist nicht die Empirie, was Sie machen! – Zuruf des Abg. Kay-Uwe Ziegler [AfD])

Ich hoffe, dass das Abkommen doch noch zustande kommt. Es ist schade, dass es jetzt nicht geklappt hat. Aber wir sollten auch die begleitende Debatte des Deutschen Bundestages dazu mit Vernunft, Verstand und Rationalität und nicht mit Emotionen und falschen Fakten betreiben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Tina Rudolph hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611154
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt WHO-Pandemievertrag
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