16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Zusatzpunkt 7

Lars KlingbeilSPD - Aktuelle Stunde: Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar dafür, dass wir diese Aktuelle Stunde durchführen. Gleichwohl muss ich sagen: Ich hätte gerne darauf verzichtet, über dieses Thema im Plenum zu diskutieren. Die aktuellen Anlässe erfordern es allerdings.

Ich will damit beginnen, dass ich der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas für die richtigen Worte danke, die sie gestern zur Eröffnung des Plenums gefunden hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie hat deutlich gemacht, dass Hass, Hetze und Gewalt in unserer Mitte keinen Platz haben dürfen

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, dann tun Sie was dagegen!)

und dass diese Attacken auf Ehrenamtliche durch nichts zu rechtfertigen sind. Sie hat aber auch angemahnt, dass wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier uns unserer Rolle und auch unserer Verantwortung bewusst sein müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe im Jahr 2019 als Generalsekretär der SPD einen runden Tisch zum Thema „Gewalt gegen Kommunalpolitiker“ einberufen müssen. Das kam schon damals in unserer Gesellschaft vor. Ich erinnere mich an einen Bürgermeister, der sein Bürgermeisteramt aufgab, weil er und seine Familie nach politischen Entscheidungen bedroht wurden. Ich erinnere mich an eine junge Kommunalpolitikerin aus Sachsen-Anhalt, die, als sie im Gemeinderat kritisch eine AfD-Veranstaltung hinterfragte, am nächsten Tag in ihrem Briefkasten einen gezeichneten Galgen vorfand und Angst hatte, sich weiter für unsere Demokratie zu engagieren. Also schon im Jahr 2019 gab es Bedrohung, Verrohung und Attacken auf Ehrenamtliche. Insofern will ich hier festhalten: Matthias Ecke ist kein Einzelfall, sondern er ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich über viele Jahre angedeutet hat. All die Menschen, die sich für unsere Demokratie engagieren, brauchen unseren Schutz und unsere Solidarität.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deswegen ist es richtig, dass wir dieses Thema heute hier diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ersten Worte, die Matthias mir nach dem Angriff sagte, waren: Es geht nicht um mich. Es geht nicht um mich als Europaabgeordneten, der sogar noch einen besonderen Schutz hat. – Und das gilt ja für uns alle hier als Bundestagsabgeordnete. Seine Worte waren: Es geht um die vielen Tausend Menschen, die sich ehrenamtlich für unsere Demokratie engagieren,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

als Kommunalpolitiker, als Feuerwehrleute, als Gewerkschafter, als Rettungskräfte. Aber es geht auch um die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten, die in diesem Land mittlerweile regelmäßig und viel zu oft stattfinden. In welchem Zustand wäre unsere Demokratie, wenn es all diese Ehrenamtlichen nicht mehr gäbe? Wie arm wäre unser Land ohne all diese Ehrenamtlichen? Was würde es bedeuten, wenn sie sich zurückziehen würden?

Und ja, aus der AfD kam die Ankündigung: „Wir werden sie jagen.“

(Stephan Brandner [AfD]: Nee, die kam von den Grünen! Ludger Volmer von den Grünen! – Weitere Zurufe von der AfD: Ludger Volmer!)

Und ja, wir müssen heute feststellen: Es wird gejagt. – Aber das Versprechen, das wir als demokratische Mitte dieses Landes, als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam abgeben

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

und mit aller Konsequenz verfolgen müssen, ist: Niemand, der sich in diesem Land ehrenamtlich für die Demokratie engagiert, darf Angst haben. Darum muss es doch gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Und dafür müssen wir konsequent arbeiten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Niemand in diesem Land, der sich für die Demokratie engagiert, darf Angst haben. Deswegen muss geprüft werden, wo das Strafrecht geändert werden muss.

(Stephan Brandner [AfD]: Stegner hat von „attackieren“ gesprochen, „Personal attackieren“! Ihr Stegner!)

Deswegen muss das Strafrecht konsequent angewandt werden. Wer die Demokratie angreift, muss sofort bestraft werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss klar sein, dass wir bessere Schutzmaßnahmen brauchen. Und deswegen muss es auch eine gewisse Lautstärke der Demokratinnen und Demokraten in diesem Land geben. Wir müssen lauter werden; das ist unsere Aufgabe.

Ich bin dankbar, dass sich kurz nach den Angriffen auf Matthias und andere Tausende Menschen in Dresden und am Brandenburger Tor zusammengefunden haben, alle demokratischen Parteien da waren, Hendrik Wüst, Ricarda Lang und andere dort geredet haben,

(Stephan Brandner [AfD]: Super Demokraten! „Nazi“-Wüst!)

und wir klargemacht haben: Wir stehen zusammen. Wir sind unterschiedlich, wir haben unterschiedliche Positionen, und wir halten auch den Streit hier im Parlament aus. Aber wenn es darum geht, unsere Demokratie gegen die Feinde der Demokratie zu verteidigen, dann haken wir uns unter, dann stehen wir zusammen, und das war das richtige Signal am Brandenburger Tor und in Dresden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir feiern in wenigen Tagen 75 Jahre Grundgesetz. Und wir können stolz darauf sein, dass wir ein so starkes Grundgesetz, eine so starke Demokratie haben. Wenn man in den Befragungen sieht, wie viele Menschen dahinterstehen, dann stimmt das hoffnungsvoll.

(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Ich finde, wir sollten die positiven Beispiele sehen. Wir sollten diejenigen sehen, die sich für unsere Demokratie engagieren. Am 1. Mai, als ich in Chemnitz war, stand eine junge Frau vor mir auf der Bühne, die erzählt hat, dass sie, seitdem die Deportationspläne der AfD

(Stephan Brandner [AfD]: Die Deportationspläne waren von Ihrem Bundeskanzler, nicht von uns! „Deportations“ hat er gesagt!)

öffentlich geworden sind, Demonstrationen für die Demokratie im Osten organisiert, in Gebieten, in denen es nicht viele gibt, die dort mit auf die Straße gegangen sind. Aber es seien immer mehr geworden. Das ist ein positives Zeichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass unsere Demokratie stark bleibt, dass Ehrenamtliche, die sich engagieren, nicht angegriffen werden. Wir sind mehr, und das müssen wir an jeder Stelle deutlich zeigen.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611175
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte
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