Detlef MüllerSPD - Aktuelle Stunde: Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil es heute um so viel mehr geht als um eine reine Bundestagsdebatte, wende ich mich auch ganz explizit an Sie, die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen oder zu Hause.
Einer der Auslöser für diese Aktuelle Stunde ist der Angriff auf meinen Parteikollegen und Freund Matthias Ecke in Dresden, der bei der Anbringung von Wahlplakaten brutal zusammengeschlagen wurde und operiert werden musste.
Matthias ist aber nur ein Beispiel aus den vergangenen Tagen. Im vogtländischen Auerbach wurde der CDU-Kandidat Lenny Roth beim Aufhängen von Plakaten angegriffen. In Halle an der Saale wurde ein Brandsatz auf der Haustürmatte eines AfD-Politikers gefunden. In Essen wurden die Grünenpolitiker Rolf Fliß und Kai Gehring, unser Kollege, auf offener Straße erst beleidigt, dann attackiert. Es hat sich etwas verschoben in diesem Land, und zwar nicht erst seit gestern, Stück für Stück, eher in kleinen Schritten, aber dafür kontinuierlich.
Wenn ich mit meiner Familie am Wochenende unterwegs bin, werde ich häufig zu politischen Themen aus Berlin oder Chemnitz angesprochen, egal ob zu den Themen „Rente“, „Ukraine“ oder „Bahn“; und das ist gut so. Allerdings wird immer häufiger das hohe Gut der Meinungsfreiheit mit der Tatsache einer Straftat verwechselt. Kurzes Beispiel vom Wochenendeinkauf: Ein Herr, ungefähr in meinem Alter, kam auf mich zu und rief mir anlasslos beim Vorbeigehen zu: Müller, du dummes Schwein, dich kriegen wir auch noch! – Perlt das ab, oder frisst sich das rein? Wer nicht erkennt, dass hier rote Linien überschritten werden, hat ein gewaltiges Problem und ist damit auch Teil des Problems.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken)
Betroffen sind eben nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern vor allem Menschen in ihren Berufen und im Ehrenamt: Schiedsrichter, die nach Kreisligaspielen vom Platz sprinten müssen, weil sie von wütenden Spielern oder Zuschauern drangsaliert werden,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irre!)
Sanitäter, die nicht zu den verletzten Personen durchkommen, weil sie von einer aufgebrachten Menge davon abgehalten werden, Einsatzkräfte der Feuerwehr, die bei der Brandbekämpfung auf das Übelste beleidigt werden, Polizisten, die für Recht und Ordnung sorgen und sich dabei zunehmend um die Eigensicherung kümmern müssen, und Parteimitglieder, die in ihrer Freizeit in den Wahlkämpfen Plakate aufhängen und dabei bedroht, bespuckt, beleidigt, verfolgt und geschlagen werden. Das alles hat Auswirkungen, nicht nur in der Politik. Denn wer soll unter diesen Umständen eigentlich diese wichtigen Ehrenämter noch übernehmen? Wer soll denn noch die Berufe ergreifen, die für das friedliche Funktionieren des öffentlichen Lebens notwendig sind? Wenn wir als Gesellschaft hier keine Kehrtwende schaffen, wäre der Schaden riesig und würde uns alle treffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine Damen und Herren, es ist das Geschäft mit der Angst und dem Hass, das von den sich immer stärker radikalisierenden Kräften des rechten Randes betrieben wird.
(Kay Gottschalk [AfD]: Zeigen Sie mal die Bilder von Köln vom Parteitag 2016 unserer Partei!)
Keiner sollte sich daher wundern, wenn aus solchen Worten wie „Wir werden sie jagen!“ auch genau solche Taten werden.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Genau! – Gegenrufe der AfD – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Schon bellen sie wieder!)
Was können wir jetzt tun? Auf der einen Seite brauchen wir mehr Bildung, vor allem auch politische Bildung. Wir müssen mehr Respekt, Anstand und Empathie zeigen, aber auch einfordern. Auf der anderen Seite müssen Menschen, die andere Menschen – ganz egal ob Politiker oder ehrenamtlich Engagierte – bedrohen, beleidigen und angreifen, ganz deutlich merken, dass sie eine rote Linie überschritten haben, dass sie damit eine Straftat begangen haben. Dieses Verhalten muss für die Täterin oder den Täter zeitnah deutliche Konsequenzen haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Auch wenn es mühselig und kräftezehrend ist: Wir als gesamte Gesellschaft müssen immer wieder aufs Neue klarmachen, wer die Mehrheit dieses Landes stellt. Die absolute Mehrheit der Menschen in diesem Land lehnt Gewalt als politisches Mittel der Auseinandersetzung ab. Die absolute Mehrheit der Menschen in diesem Land geht respektvoll miteinander um. Genau deshalb freue ich mich sehr, dass sich Chemnitzer Unternehmen und Sportvereine ganz kurz nach dem Angriff auf Matthias Ecke zur Initiative „Fairplay Sachsen“ zusammengeschlossen haben, um sich für faire Wahlkämpfe und eine hohe Wahlbeteiligung einzusetzen. Sie, die Unternehmen und Vereine, haben eine große Reichweite. Sie sind nah dran an ihren Mitarbeitenden, an ihren Fans, und man hört auf sie. Sie motivieren ihre Mitarbeitenden, sich aktiv zu informieren, Fragen zu stellen und zur Wahl zu gehen. Und sie bieten sogar an, den Wahlkampf mit Teams, die von ihren Mitarbeitern unterstützt werden, zu begleiten, ganz praktische Hilfe zu leisten und Präsenz auf der Straße zu zeigen. Dabei bleibt die Initiative politisch streng neutral. „ Nichtstun ist keine Option“, so die Gründer der Initiative. Genau so ist es.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen Sie sich und lassen wir uns bitte nicht entmutigen! Machen Sie und machen wir weiter!
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611191 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Gewalt gegen Ehrenamt, Politik und Einsatzkräfte |