Nadine HeselhausSPD - Senkung der Steuerbelastung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über den Antrag der CDU/CSU mit dem Titel „Arbeitende Mitte stärken – Steuerbelastung senken“. Das klingt doch grandios, oder nicht? Ich meine, wer soll denn dagegen etwas haben?
Ich frage mich aber ein bisschen: Wen genau meinen Sie denn eigentlich mit der „arbeitenden Mitte“? Das ist nun mal ein schwammiger Begriff.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Den hat doch letztens sogar Klingbeil verwendet!)
Irgendwie können wir alle, die wir uns in diesem Raum befinden, dazu unsere Gedanken und Vorstellungen machen und diese hineininterpretieren. Offensichtlich soll es auch so sein; denn es sollen sich ja möglichst viele angesprochen fühlen. Das ist auch klar; denn Sie wollen möglichst viele entlasten. Oder vielleicht doch nicht?
Ich möchte aus einem persönlichen Grund einen besonderen Teil in Ihrem Antrag erwähnen, den Sascha Müller und gerade auch Herr Rainer – vielen Dank dafür – angesprochen haben. Das Kindergeld dient grundsätzlich der Sicherung des Grundbedarfs des Kindes. Es geht also um Nahrung, es geht um Kleidung, es geht um Schulsachen. Bis 2022 gab es eine Staffelung: Für das erste und zweite Kind gab es einen identischen Betrag, für das dritte ein bisschen mehr und für das vierte und jedes weitere noch ein bisschen mehr.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Weil kinderreiche Familien größere Ausgaben haben!)
Ich habe selber vier Kinder – ja, ich bin Teil einer kinderreichen Familie –, und ich habe noch nie verstanden, warum meine beiden älteren Kinder weniger wert sein sollen als meine beiden jüngeren.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Das hat nichts mit Wert zu tun!)
– Das ist aber das, was man da empfindet.
(Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Sie haben größere Aufwendungen in der Familie!)
– Nein, hat man nicht; das kann ich Ihnen sagen. Das Ganze bietet nämlich auch Synergien.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe auch nicht verstanden, warum offensichtlich einige der Meinung sind, dass die beiden älteren Kinder einen geringeren Grundbedarf haben. Sie haben das gerade hineingerufen. Ich sehe das anders. Im Grundbedarf spiegelt sich das aus meiner Sicht nicht wider.
Als sich 2022 der Preisanstieg bereits abgezeichnet hat, haben wir darauf reagiert und zum 1. Januar 2023 das Kindergeld auf 250 Euro pro Kind erhöht – ja, für jedes Kind. Damit haben wir diese Ungleichbehandlung unserer Kinder endlich abgeschafft.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Das dritte und vierte Kind waren doch schon bei 250 Euro!)
Sie wollen sie jetzt wieder einführen. Eine Begründung dafür gibt es nicht.
Ich erinnere noch mal an den Antrag: „Arbeitende Mitte stärken“. Sie wollen also viele erreichen. Jetzt schauen wir doch mal, wen man mit einer solchen Staffelung überhaupt erreichen kann. Wir haben 12 Millionen Familien in unserem Land. 1,5 Millionen Familien haben drei und mehr Kinder. Das ist also höchstens jede achte Familie – theoretisch, aber nur theoretisch. Ich selbst bin alleinerziehende Mutter, und deswegen liegt mein Fokus immer so ein bisschen auf der Gruppe der Alleinerziehenden. Das sind nur 3 Millionen Familien, von denen höchstens jede zwölfte von einer solchen Staffelung überhaupt berührt wäre.
Noch mal zur Erinnerung: Es geht hier um die „arbeitende Mitte“. Wen meinen Sie? Das ist ja noch nicht so ganz klar. Geht es Ihnen da auch um diejenigen, die zwar arbeiten, aber trotzdem noch Sozialleistungen brauchen, weil es nicht ausreicht? Um die, die nur Sozialleistungen erhalten, geht es offensichtlich nicht. Bei beiden ist es allerdings so, dass das Kindergeld auf die Sozialleistungen angerechnet wird, ihnen eine Staffelung also gar nichts bringt. Die müssten wir also auch noch herausrechnen. Fazit: Die wenigsten Familien hätten etwas davon, Alleinerziehende noch weniger.
Also, meine Damen und Herren, fallen Sie nicht auf solche schönen, aber unklaren Begriffe herein! Mit einer Stärkung der arbeitenden Mitte, also einer Entlastung in der Breite, hätte die Wiedereinführung der Staffelung und damit dieser Ungleichheit überhaupt nichts zu tun. Sie haben Ihr eigenes Thema verfehlt, und wir gehen nicht zurück.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Sie haben nur die Hälfte des Antrags gelesen!)
Das Wort hat die Kollegin Janine Wissler für die Gruppe Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611216 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Senkung der Steuerbelastung |