Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Nationales Reformprogramm 2024
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Detzer, ich frage mich nach diesem Report, den Sie hier abgegeben haben, in welchem Land Sie leben.
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In demselben wie Sie!)
Waren Sie mal beim IHK-Tag in dieser Woche?
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, gestern!)
Haben Sie mal gehört, wie dort die Stimmung ist?
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Applaus und Lob für den Wirtschaftsminister!)
Ich kann das nur so zusammenfassen: Wirtschaftspolitische Inkompetenz, deine Farbe ist grün.
(Markus Töns [SPD]: Oh, Schenkelklopfer! – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich gebe zu, diesmal waren Sie schneller als beim letzten Mal. Von der Aussprache im Ausschuss und der Verabschiedung im Kabinett bis zur Debatte sind nur zwei Monate vergangen; das letzte Mal waren es acht. Aber das kann ja nicht das Deutschlandtempo sein.
Schauen Sie sich doch mal bitte die Realität an. Die Bundesregierung versagt kläglich bei dem Versuch, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie die zunehmend lahmende Wachstumsschwäche in unserem Land überwunden werden soll. Der Sachverständigenrat hat gerade seine Wachstumsprognose für dieses Jahr von 0,9 Prozent auf 0,2 Prozent reduziert, die Europäische Kommission von 0,9 Prozent auf 0,1 Prozent. 0,1 Prozent ist die statistische Abweichungstoleranz. Das ist null; das ist nichts. Und Sie reden hier von Erfolgen Ihrer Politik! Da kann man sich wirklich nur an den Kopf fassen.
Die Entfesselung der heimischen Wirtschaft durch eine Befreiung von Verwaltungszwängen und von Bürokratismus rückt bei der Ampel in weite Ferne. Die Ampel bringt nichts fertig und beachtet die wohlgemeinten Hinweise eben nicht.
Das Ganze ist ja das Ergebnis der schweren Krise, die wir in der Eurozone hatten, weswegen wir gesagt haben: Wir richten im Rahmen des Europäischen Semesters Berichtspflichten ein, wir lassen die Länder nicht alleine, sondern geben ihnen Handreichungen dafür, wie sie zu einer nachhaltigen, stabilitätsorientierten Haushaltswirtschaft kommen können. Sie tun doch das Gegenteil. Es ist doch jetzt schon so, dass Sie nicht wissen, wie Sie den nächsten Haushalt zusammenzimmern können. Wir warten schon darauf, dass wieder jeden Abend Treffen der drei Spitzen im Kanzleramt stattfinden, um sich zu einigen. Jetzt fehlen weitere 11 Milliarden Euro allein dem Finanzminister nach der Steuerschätzung. Das ist das traurige Ergebnis Ihrer Politik in den letzten zweieinhalb Jahren in diesem Land; die muss dringend beendet werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Ich will Ihnen mal aufzeigen, wohin man kommt, wenn man so weitermacht wie Sie. Sie sind ja auch – Sie von den Grünen ganz besonders, aber die SPD nicht minder – immer wieder dadurch aufgefallen, zu meinen, dass die Schuldenbremse das eigentliche Problem sei. Jetzt haben Sie gerade ein Hohelied auf die Höhe der Investitionen gesungen. Wenn man mit hohen Milliardenbeträgen Einzelinvestitionen anreizt, dann hat das natürlich einen starken statistisch verzerrenden Effekt; das stimmt. Aber schauen Sie sich doch einmal die Wirklichkeit in diesem Land an: Jeder, der eine Investition abgeschrieben hat, fragt sich, ob er die Folgeinvestition in Deutschland tätigt oder ob er nach Tschechien, Österreich oder sogar in die Schweiz geht. In Länder, von denen wir nicht geglaubt hätten, dass dorthin Firmen aus Deutschland abwandern würden, gehen die Firmen wegen der katastrophalen Rahmenbedingungen, die Sie hier in diesem Lande aufgebaut haben. So kann man ein Land in den Ruin führen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wie das am besten geht, können Sie sehen, wenn Sie auf den „Club Med“ schauen, auf die südeuropäischen, mediterranen Schuldenländer. Die Italiener zum Beispiel hatten 1999, als der Euro eingeführt wurde, eine Staatsverschuldung von 1,1 Billionen Euro. Bis 2020 ist die Verschuldung auf 2,6 Billionen Euro angestiegen. Das Ende der Weichwährung Lira wurde also nicht für einen ordnungspolitischen Neuanfang genutzt, sondern für ein beschleunigtes Weiter-so. Und das hält an; Italien geht in die Vollen. Gestützt auf die Bonität der soliden Euroländer hat sich innerhalb eines Jahrzehnts die Staatsverschuldung um 30 Prozent erhöht, und sie erreichte 2022 einen Stand von 2,67 Billionen Euro.
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eurokritiker! Herr Willsch, auf Ihre alten Tage!)
Das sind 137,3 Prozent des BIP; die Obergrenze – nicht Zielgröße – nach Maastricht beträgt 60 Prozent.
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind nicht daran schuld! Versprochen!)
– Aber ich zeige Ihnen mal, wohin hemmungslose Verschuldung führt, damit Sie daraus was lernen. Sie wollen doch aus den Empfehlungen lernen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer, Herr Willsch, immer!)
So, weiter geht es mit Frankreich, das gefühlt seit Ludwig XIV. keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorgelegt hat; in Wirklichkeit war es 1974. Mit einer Staatsverschuldung von 110,6 Prozent des BIP und einem jährlichen Defizit von 5,5 Prozent ist Frankreich auf Rang drei. Das kümmert keinen mehr.
Und in dieser Zeit schleifen Sie den Stabilitäts- und Wachstumspakt und schaffen all das ab, was wir damals erkämpft haben:
(Markus Herbrand [FDP]: Die EVP hat zugestimmt!)
Schuldenbremse, Zwanzigstel-Regel, wonach ein übermäßiges Defizit in klar definierten zeitlichen Vorgaben ausgeglichen werden muss! Meinen Sie, dadurch wird etwas besser in Europa? Sie ruinieren den Haushalt, Sie beschneiden damit die Gestaltungsspielräume der kommenden Generationen, Sie versündigen sich an meinen Kindern und Enkeln, und das lassen wir nicht zu.
(Markus Töns [SPD]: So ein Quatsch!)
Wir kämpfen gegen diese Politik, und wir werden dafür sorgen, dass sie beendet wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Das Wort hat der Kollege Markus Töns für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611223 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Nationales Reformprogramm 2024 |