Gerald UllrichFDP - Nationales Reformprogramm 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Klaus-Peter Willsch, ich mache mir auch manchmal Gedanken um meine Kinder und um meine Enkel. Da gucke ich aber nicht so sehr auf die Ampel; da gucke ich nach Brüssel zur Frau von der Leyen. Denn die baut schneller Bürokratie auf, als wir sie in Deutschland überhaupt abbauen können. Vielleicht solltet ihr da mal was unternehmen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Am heutigen Nachmittag, meine Damen und Herren, erreichte uns eine weniger schöne Nachricht: Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden zusammen – muss mit 22 Milliarden Euro weniger Steuern in 2025 rechnen. Wenn wir jetzt keine Wirtschaftswende machen, wann wollen wir sie, verdammt, eigentlich dann machen? Wenn es zu spät ist?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das wird nicht funktionieren. Wir müssen sie jetzt machen.
Wir müssen wirtschaftlich souverän werden. Denn wirtschaftliche Souveränität war schon immer der Grundpfeiler für den gesellschaftlichen Wohlstand. Diesen Wohlstand werden wir nicht durch Meckern, sondern nur durch Mut, Innovation und Tatkraft erreichen. Lassen Sie mich das ganz klar und deutlich sagen.
(Beifall der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Fakt ist: Europa und Deutschland brauchen eine Agenda in der Wirtschaftspolitik. Nur so können wir uns den neuen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Das Nationale Reformprogramm greift bereits einige Vorschläge auf, um die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU im Europäischen Semester zu koordinieren. Beispiele dafür sind die Chancenkarte für die Arbeitsplatzsuche von ausländischen Fachkräften, die Stärkung der privaten Investitionstätigkeit und die Priorisierung der öffentlichen Investitionen.
Aber lassen Sie mich jetzt kurz auf drei Aspekte kommen, die für den zukünftigen Fahrplan für Deutschland und die EU entscheidend sind:
Als Erstes sind hier die Entlastungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu nennen. Es ist so simpel und einfach: Diejenigen, die über die normale Arbeitszeit hinaus arbeiten und unser Land wirtschaftlich voranbringen, müssen das auch finanziell spüren.
(Beifall des Abg. Jan Metzler [CDU/CSU])
Deshalb müssen wir auszubezahlende Überstundenzuschläge wie Bezüge aus einem Minijob oder sogar noch besser behandeln. Die Devise lautet also: Den Menschen, die für den Wohlstand unseres Landes Verantwortung tragen, muss die nötige Anerkennung gezollt werden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mehr Arbeit muss sich auch mehr lohnen, und Flexibilität ist das Gebot der Stunde, übrigens auch in Bezug auf die Lebensarbeitszeit.
Aber es gibt auch Faktoren für den Wohlstand, die nicht direkt mit Fachkräften zusammenhängen. Deshalb legen wir zweitens einen besonderen Fokus darauf, den Freihandel aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen. Wir sehen die protektionistischen Tendenzen weltweit. Der Anstieg der Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge von 25 auf 100 Prozent in den USA ist Gift für den liberalen Wirtschaftshandel und die Weltwirtschaft. Die EU ist eine Wertegemeinschaft, die dank eines freien Austauschs von Waren Wohlstand aufgebaut und diesen auch über Generationen hinweg erhalten hat. Aus diesem Grunde müssen wir uns als Bundesrepublik auf europäischer Ebene und als EU weltweit für den Freihandel einsetzen.
(Beifall der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Wir müssen ihn weiter fördern, um die Handelshindernisse abzubauen.
(Beifall bei der FDP)
Was viele im Land aber immer wieder vergessen: Deutschland ist und bleibt eine Exportnation, in der Millionen von Arbeitsplätzen vom internationalen Handel abhängig sind. Freihandel ist für uns die Chance, den Wohlstand aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Abhängigkeit von anderen Ländern zu verringern. Genau aus diesem Grunde appelliere ich nochmals vehement an unsere europäischen Partner, das Mercosur-Abkommen endlich zum Abschluss zu bringen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wirtschaft und Geopolitik müssen Hand in Hand gehen. Europa muss sich klar positionieren und auch neu anpassen. Unsere Devise muss daher lauten: Freihandel statt Protektionismus.
Das dritte richtungsweisende Vorhaben adressiert die Schlüsseltechnologien der Energieversorgung. Wasserstoff wird zu einem wichtigen Energieträger der Zukunft. Im Net-Zero Industry Act wurde eine Zielvorgabe für die Produktionskapazität von strategischen Net-Zero-Technologien festgelegt; sie sollen bis 2030 mindestens – man höre! – 40 Prozent des jährlichen Bedarfs der EU decken.
Die Zahl von acht Net-Zero-Technologien verdeutlicht, wie notwendig es ist, genügend industrielle Kapazitäten für den Aufbau dieser Technologien bereitzustellen. Aber es fällt auf: Unter den genannten acht Technologien wird der beschleunigte Ausbau neuer Gaskraftwerke, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können, nicht angeführt. Aber selbst das Umweltbundesamt stellt fest: Wasserstoff wird zukünftig direkt als Brennstoff in Gaskraftwerken erforderlich sein, um die Stromversorgung zu gewährleisten. Der Grund ist die schwankende Stromerzeugung von PV- und Windkraftanlagen.
Die Nachfrage nach Wasserstoff in der EU könnte 2050 zwischen 1 400 und 1 800 Terawattstunden liegen. Nur kurz zur Erinnerung: 1 Terawattstunde sind 1 Milliarde Kilowattstunden; das ist nicht wenig. Dies zeigt, wie wichtig Wasserstoff alleine für die industrielle Zukunft ist.
Meine Damen und Herren, schon Thomas Edison hat gesagt:
„Wenn wir alle Dinge tun würden, zu denen wir fähig sind, würden wir uns … selbst in Erstaunen versetzen.“
Deshalb lassen Sie uns jetzt anpacken mit Innovation, Mut und Tatkraft für eine stabile Wirtschaft, für gesellschaftlichen Wohlstand!
Danke schön.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611226 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Nationales Reformprogramm 2024 |