Fabian FunkeSPD - Nationales Reformprogramm 2024
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon einige Reden gehört, auch von der Opposition. Wenn man sich das Ganze so anschaut, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass es der neue Markenkern konservativer Wirtschaftspolitik ist, dieses Land schlechtzureden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Zahlen, Zahlen, Zahlen!)
Das muss man in ein großes Bild setzen. Denn wenn wir heute über die deutsche Wirtschaft sprechen, dann können wir doch nicht allen Ernstes so tun, als wäre die Situation noch die gleiche, wie sie vor ein paar Jahren war, als die Energie billig war und die Technologien des 20. Jahrhunderts noch die Grundlage unseres Wohlstandes waren. Die Welt heute ist aber eine andere.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Nur für uns oder auch für die Nachbarn?)
Reflektieren wir doch mal die letzten Jahre. Die globalen Lieferketten waren aufgrund der Pandemie drei Jahre lang gehemmt. Unsere Wirtschaft ist trotz unserer Exportlastigkeit nicht kollabiert. Das günstige Gas und die damit günstige Energie war von heute auf morgen nicht mehr verfügbar,
(Tino Chrupalla [AfD]: Dank euch!)
und es kam nicht zu Abschaltungen von Fabriken oder zu Strom- und Heizrationierungen.
Die Inflation hat nicht zu einer unaufhaltsamen Spirale geführt, sondern sich nach einem Jahr weitestgehend erholt. Und trotz stagnierenden Wirtschaftswachstums und großen Herausforderungen herrscht keine Massenarbeitslosigkeit in Deutschland. Vielmehr war 2023 mit 46 Millionen Menschen der höchste Beschäftigungsstand unseres Landes zu verzeichnen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Chrupalla [AfD]: Er hat doch noch nie gearbeitet!)
Die letzten Jahre waren schwierig. Teuerungen, hohe Heizkosten und geringe Konsumnachfrage haben vielen Menschen in unserem Land schwere Zeiten bereitet, ganz ohne Frage. Aber wenn uns die letzten Jahre eins gezeigt haben, dann, dass unser Land und unsere Wirtschaft sehr viel widerstandsfähiger sind, als die Horrorszenarien es immer darstellen. Und das auch, weil die Bundesregierung so entschlossen gehandelt hat, weil wir nach dem russischen Überfall unsere Energieinfrastruktur in Rekordzeit umgebaut haben und weil wir mit Gas- und Strompreisbremsen dafür gesorgt haben, dass die Kosten dafür nicht komplett bei den Bürgerinnen und Bürgern gelandet sind.
Aber schauen wir nach vorne. Die Europäische Kommission hat die Herausforderungen in ihren länderspezifischen Empfehlungen klar benannt: erstens langfristige Investitionen, zweitens demografischer Wandel, drittens Digitalisierung und Verwaltungsabbau, viertens die Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Wenn wir uns die letzten zweieinhalb Jahre anschauen, dann stellen wir fest, dass diese Bundesregierung in dieser Wahlperiode bei genau diesen Punkten wahnsinnig viel erreicht hat.
Schauen wir uns das Energiethema an: Mit EEG-Novelle, Wind-auf-See-Gesetz, Wind-an-Land-Gesetz und vielen anderen Dingen haben wir es geschafft, von 2022 zu 2023 den Zubau an Photovoltaik in diesem Land zu verdoppeln und 80 Prozent mehr Genehmigungen für Windräder zu erreichen. Das ist ein Erfolg.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind im Zeitalter der Investitionen, und – auch das muss man sagen – das ist nicht mehr wie vor 10 oder 20 Jahren. Wir befinden uns in einem globalen Wettbewerb um private Investitionen, zu dem auch wir unseren Teil beitragen müssen. Wir haben es insbesondere in Ostdeutschland geschafft, diese Investitionen zu uns zu holen, vor allem in der Halbleiterindustrie mit TSMC, mit Intel und mit Infineon.
Schauen wir uns die digitale Infrastruktur an. Beim Breitbandausbau haben wir die Gigabitabdeckung von 62 Prozent auf 74 Prozent ausgeweitet. Wir haben eine Abdeckung von 90 Prozent bei 5 G. Auch da machen wir Fortschritte in der Modernisierung unseres Landes.
Zu einer guten Wirtschaft gehören auch gute Löhne. Wir haben mit der Mindestlohnerhöhung und der steuerfreien Inflationsprämie dafür gesorgt, dass sich Arbeit in diesem Land lohnt, auch wenn Sie das immer wieder negieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein Blick auf das Thema Migration – wir sind darauf angewiesen, dass Leute hierherkommen – zeigt, dass wir mit dem Jobturbo, dem erleichterten Spurwechsel und der Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes dafür gesorgt haben, dass Menschen nicht nur hierherkommen, sondern hier ein neues Zuhause finden und Teil dieser Gesellschaft werden.
Nichtsdestotrotz steht uns unsere größte Herausforderung noch bevor: der Arbeitskräftemangel. Wir werden in den nächsten Jahren jedes Paar Hände und jeden Kopf brauchen, die wir gewinnen können. Und wir haben noch Potenziale. Der Bericht unterstreicht zum Beispiel erneut deutlich: Kinderkriegen ist in Deutschland für Frauen immer noch ein eklatanter Bruch in der Erwerbsbiografie.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wir haben ja 5 Millionen Bürgergeldempfänger!)
47 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit. Investitionen in Kitas, in die Ganztagsschule, in außerschulische Freizeitangebote und in flexible Elternzeitmodelle sind deshalb kein gesellschaftspolitisches Nice-to-have. Es sind unverzichtbare Säulen unserer Wirtschaftspolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Sehnsucht von rechts nach dem Familienbild der 50er-Jahre ist deshalb Gift für unsere Wirtschaft. Ein Deutschland, in dem Frauen wieder Hausfrauen sein sollen und das sich vor Migration abschottet, wäre ein Deutschland, dessen Wirtschaft längst zugrunde gegangen wäre.
Ich bin mir sicher: Wir werden auch diese Herausforderungen meistern; denn in diesem Land stecken so viel Kraft, so viel Innovation und so viele Möglichkeiten. Lassen Sie uns alle gemeinsam dieses Land weiter zukunftssicher machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611231 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Nationales Reformprogramm 2024 |