Johannes ArltSPD - Aufbau einer Drohnenarmee
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen! Aufstellung einer Drohnenarmee, autonome Systeme, künstliche Intelligenz: Das klingt ja im ersten Moment nach einem Versprechen für die Zukunft, sehr verheißungsvoll. Ich bin wirklich sehr dankbar, Herr Brandl, dass wir heute auf Initiative der Union über Drohnen in den Streitkräften sprechen dürfen.
Vor dem Hintergrund meines militärischen Werdegangs ist mir das Thema natürlich sehr sympathisch. Aber es ist auch kein neues Thema; denn der Drone War ist in allen Domänen der modernen konventionellen Kriegsführung, wie Sie es auch schon betont haben, einer der Megatrends. Das sehen wir in jedem militärischen Konflikt.
Sie haben recht: Das Thema Drohnen ist eins, bei dem wir extrem viel Strecke gutmachen müssen; aber es ist zugleich ein Thema, bei dem wir in den letzten zwei Jahren extrem viel Strecke gutgemacht haben. Exemplarisch möchte ich dafür den Erstflug von German Heron TP vor einigen Tagen nennen, das erste unbemannte Luftfahrzeug in Deutschland, das vollumfänglich für den zivilen Luftraum zugelassen ist. Das ist leider ein Projekt, das kein CDU-Verteidigungsminister über die Ziellinie gebracht hat. Das tut mir sehr leid, aber wir haben es jetzt geschafft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Zwar – da haben Sie recht – ist das Drohnenthema mit der Beschaffung einiger MALE-UAV noch nicht abgeräumt. Das zeigt natürlich auch die Abnutzungsrate in der Ukraine, die Sie erwähnt haben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Ihre sehr plakative Forderung nach dem Aufbau einer Drohnenarmee vielleicht mehr eine martialische Überschrift als ein Ausdruck von Qualität und ein systemischer Blick auf diese Fähigkeit ist.
Natürlich haben wir bei der Drohnendebatte in der Vergangenheit Fehler gemacht; aber wir haben mittlerweile auch Systeme in der Bundeswehr, die zur Schaffung der in Ihrem Antrag benannten Fähigkeitsprofile beitragen und diese sogar erfüllen. Wir haben Beschaffungen von Systemen zur Abwehr von Drohnen im Nah- und Nächstbereich in diesem Jahr gemeinsam kürzlich beschlossen.
Aber ich möchte auch sagen: Ihr Antrag erhält auch einige gute Forderungen, wie zum Beispiel – da bin ich mit Ihnen einig –, dass wir Technologie in die Bundeswehr insgesamt schneller integrieren müssen, dass wir mehr Drohnen für die Bundeswehr brauchen. Zugleich müssen wir in der Beschaffung flexibler agieren und wie unsere Partnerländer Systeme beschaffen, deren Eigenschaften auch an den Erfahrungen des Ukrainekriegs orientiert sind. Man könnte darüber nachdenken, sich ähnlich wie bei einem Abomodell der Truppe alle zwei Jahre automatisch ein Upgrade zukommen zu lassen wie bei einem neuen Handy, sodass man die neue Technologie adaptiert. Das ist wichtig.
Aber nicht nur bei Drohnen müssen wir auf disruptive Technologien setzen. Ich denke insgesamt an Satellitentechnologie, Quantencomputing und KI. Letztere kann erhebliche taktische Vorteile sogar gegen zahlenmäßig überlegene Gegner verschaffen. KI unterstützt uns bei der Erstellung von Lagebildern und hilft verlässlich bei der Zielauswahl. Das wissen wir aber auch ohne Ihren Antrag. Das Weltraumkommando der Bundeswehr nutzt bereits zwei Machine-Learning-Anwendungen bei der Erstellung seiner Lagebilder.
Bevor wir uns Drohnenschwärme zulegen, die zusätzliche Aufklärungsdaten einsammeln, müssen wir mal über die Cyberinfrastruktur sprechen. Um es bildlich auszudrücken: Stellen Sie sich vor, Sie schließen mehrere Abos bei Streamingdiensten ab, um endlich Ihre Lieblingsfilme in bester Qualität und voller Auswahl zu schauen. Aber eigentlich bräuchte Ihr Heimkino dringend ein Update; denn Bildqualität und Klang könnten deutlich hochauflösender und besser sein.
Was ich also damit meine: Ehe wir die Truppe in eine Drohnenarmee verwandeln, bräuchten wir erstens eine den Anforderungen dieser Drohnenarmee angemessene digitale Infrastruktur bei der Massendatenverarbeitung. Wir brauchen zweitens – darauf haben Sie hingewiesen – ein deutsches und europäisches Souveränitätsverständnis von Technologie und Daten. Und drittens müssen wir auch mal über Personalfragen sprechen. Damit komme ich zu einigen zentralen Aspekten, die Sie in Ihrem Antrag außer Acht lassen.
Erstens. Wenn es an ausreichenden Rechenkapazitäten fehlt oder wir noch Defizite im Datentransfer haben, dann können wir das Potenzial einer sogenannten Drohnenarmee nicht voll entfalten. Was diese Grundvoraussetzungen angeht, sind wir keineswegs Bremser. Allein im letzten Jahr haben wir 580 Millionen Euro in die Digitalisierung der Bundeswehr investiert. Insgesamt werden wir 20 Milliarden Euro dafür investieren. Meine Kollegen Kevin Leiser und Andreas Schwarz haben sich dafür sehr stark gemacht, unter anderem für den Mittelaufwuchs bei der Cyberagentur. Und: Unser Verteidigungsminister Boris Pistorius wertet den Bereich Cyber- und Informationsraum sogar zu einer Teilstreitmacht auf.
Wie passt es dann zu dem Image als Bremser – ich erwähne es noch mal –, dass wir diese Woche den ersten öffentlichen Flug von Heron TP in Deutschland hatten und dass wir deren Bewaffnung geschafft haben? Das passt also nicht so ganz.
(Markus Grübel [CDU/CSU]: Na ja!)
Meine Damen und Herren, es stimmt: Wir haben längst noch keine Drohnenarmee. Aber in dieser Legislaturperiode haben wir Weichen gestellt, um die Infrastruktur zu schaffen, die es braucht, um perspektivisch über den gewinnbringenden Aufbau größerer Drohnenkontingente zu sprechen.
Zweitens haben wir – Sie fordern das ja auch in Ihrem Antrag – früh die weitsichtige Entscheidung getroffen, auf technologische Souveränität bei Drohnensystemen zu setzen, etwa auch bei der Eurodrohne, bei der wir keinen Datenabfluss befürchten müssen. Das macht Sinn, ist industriepolitisch smart und wichtig in einer Zeit, in der immer mehr Länder unbemannte Systeme produzieren. Aber auch die jetzige Zwischenlösung, ein israelisches System, möchte ich positiv hervorheben.
Drittens müssen wir über den Faktor Personal sprechen. Ihre Vorstellungen erfordern einen erheblichen Personalaufwand, und das in Zeiten, wo wir uns um die Truppenstärke eher sorgen. Sie fordern eine neue Truppengattung, unbemannte Systeme und Drohnenabwehr. Wie soll das so einfach über die Teilstreitkräfte hinweg funktionieren? Auf diese drängende Frage liefern Sie konzeptionell keine Antwort. Die Luftwaffe hat mit einem Werdegang für unbemannte Systeme, der bereits implementiert ist, einen ersten Schritt getan und die Verwendung im Bereich der unbemannten Systeme lizensiert.
Meine Damen und Herren, letztendlich geht es um den Zugewinn, den eine Drohnenarmee bieten kann. Der Grundgedanke ist richtig. Nehmen wir aber die Komponente der Aufklärung. Die Truppe besitzt Systeme, die – wohlgemerkt unter Einsatz auch von deskriptiver KI –
(Markus Grübel [CDU/CSU]: Na ja, jetzt geht es aber auch mal um Wirkung!)
Daten zur Aufklärung sammeln. Benötigen wir wirklich eine Drohnenarmee, um hier eine Fähigkeitslücke zu schließen? Oder macht es vielleicht nicht erst mal Sinn, stärker in Kommunikationsrelais, Speicher- und Rechenleistung zu investieren, um Massendaten noch besser auswerten zu können und bessere Lagebilder zu erstellen?
(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das eine tun, das andere aber nicht lassen!)
So gut Ihre Idee im Ansatz ist: Ich finde es doch sehr ungewöhnlich, mit solch einem detaillierten Fragenkatalog Forschung und Beschaffung etwas an die Hand geben zu wollen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Fähigkeitsmanagement bei der Bundeswehr anders funktioniert. Ich begrüße aber, dass Sie diese Debatte über dieses wichtige Thema anstoßen, und freue mich auch auf die Debatte im Ausschuss.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Arlt. – Nächster Redner ist der Kollege Gerold Otten, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611261 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | Aufbau einer Drohnenarmee |