17.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 170 / Zusatzpunkt 12

Martin PlumCDU/CSU - Bürokratieentlastungsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den ersten Reden erscheint es mir angebracht, die Kennzahlen einzuordnen, die hier immer herumschwirren.

Bei der Bürokratiebelastung müssen wir zweierlei unterscheiden: den Erfüllungsaufwand und die Bürokratiekosten. Der Erfüllungsaufwand umfasst alle Kosten für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung durch bundesrechtliche Regelungen. Wie hoch er insgesamt ist, wissen wir nicht. Die Statistik sagt uns lediglich, dass er seit 2011 um 27 Milliarden Euro angestiegen ist. 16 Milliarden Euro, also 60 Prozent dieses Anstiegs, entfallen allein auf die letzten zwei Jahre.

Die Bürokratiekosten umfassen dagegen nur die Kosten, die Unternehmen durch Informationspflichten haben. Bei ihnen kennen wir den Gesamtwert: Er betrug zuletzt 65 Milliarden Euro im Jahr. Dieser für die Unternehmen entscheidende Betrag wird durch das Bürokratieentlastungsgesetz um gerade mal rund 300 Millionen Euro gesenkt und damit um weniger als ein halbes Prozent.

Auch wenn wir auf das schauen, was Sie, Herr Minister Buschmann, gerne vollmundig als „Meseberger Entlastungspaket“ verkaufen, kommt nicht wirklich viel heraus. Es senkt die Bürokratiekosten für Unternehmen um gerade mal rund 3,5 Prozent, weit weniger als erforderlich. Ich bezeichne es daher auch lieber als „Meseberger Entlastungspäckchen“; denn dann steht wenigstens drauf, was an Bürokratieabbau drinsteckt: viel zu wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Doch was bringt die ganze Rechnerei, wenn die Ampel dann Ende März heimlich, still und leise an einem frühen Freitagabend einen Referentenentwurf vorlegt, mit dem sie Unternehmen künftig zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet?

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Neue Richtlinie!)

Dadurch werden die Unternehmen mit neuen Bürokratiekosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr belastet. Das übersteigt das Entlastungsvolumen des Bürokratieentlastungsgesetzes um rund das Fünffache.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Woher kommt denn diese Richtlinie? Wer hat sich denn diese Richtlinie ausgedacht?)

Von Bürokratieabbau also keine Spur! Natürlich weiß ich, dass Sie damit eine europäische Richtlinie umsetzen.

(Zurufe von der FDP: Ah!)

Aber wer hat diesem Bürokratiemonster in Brüssel denn zugestimmt? Diese Bundesregierung und damit auch Sie, Herr Minister Buschmann, der sich doch sonst so gerne als Beschützer der deutschen Wirtschaft geriert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesen allgemeinen Befund reihen sich dann auch die konkreten Einzelmaßnahmen im Bürokratieentlastungsgesetz ein. So soll erstens die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Das ist gut, aber wenig ambitioniert. Man muss sich daher auch fragen, Herr Minister Buschmann, in welcher Welt Sie eigentlich leben, wenn Sie dazu allen Ernstes sagen: „Berge von Papier könnten so aus den Lagern deutscher Unternehmen verschwinden und Platz für neue Ideen schaffen.“ Weite Teile der deutschen Unternehmer lagern ihre Belege schon heute nicht als Papier, sondern digital. Die wirkliche Bürokratie ist doch nicht das Lagern, sondern das Sammeln, Sortieren und Ablegen der Belege. Hier ändern Sie gar nichts. Hier schaffen Sie deshalb auch keinen Platz für neue Ideen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens soll die Hotelmeldepflicht abgeschafft werden, allerdings nur für deutsche Staatsangehörige; sie müssen künftig keinen Hotelmeldeschein mehr ausfüllen. Dafür muss bei allen Gästen künftig geklärt werden, ob sie Deutsche oder Ausländer sind. Ausländische Gäste dürfen weiter Hotelmeldescheine ausfüllen.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wer ist noch mal Kommissionspräsidentin?)

Auch für viele deutsche Gäste ändert sich rein gar nichts. Denn überall dort, wo Bettensteuern oder Kurtaxen erhoben werden, müssen auch sie weiter Daten angeben. Das alles ist mehr ein großes Kuddelmuddel als ein echter Befreiungsschlag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens – das haben wir heute wieder gehört – sollen Arbeitsverträge künftig vollständig digital abgeschlossen werden können. Das hätten Sie mit uns hier schon vor zwei Jahren haben können. Da haben wir das beantragt, und Sie haben es abgelehnt. Und wichtig ist der Zusatz „in den meisten Fällen“. Denn anders als wir sagen Sie nicht Ja zu digitalen Arbeitsverträgen für alle. Weite Teile der deutschen Wirtschaft, etwa das Hotel- und Gaststättengewerbe, das Speditions- und Transportgewerbe, die Forstwirtschaft oder der Messebau, sollen nach Ihren Vorstellungen auch künftig Arbeitsverträge auf Papier abschließen. In Summe verweigern Sie jedem fünften Beschäftigten in Deutschland digitale Arbeitsverträge. Herr Minister Buschmann, ich frage Sie: Warum dieses pauschale Misstrauen gegenüber Hoteliers, Gast- und Forstwirten, Messebauern, Spediteuren, Logistikern und vielen anderen redlichen Unternehmern? Warum weiter Papierarbeitsverträge für 8,5 Millionen Beschäftigte? Warum keine digitalen Arbeitsverträge für alle?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Fazit: Das Bürokratieentlastungsgesetz ist mehr Schein als Sein. So befreit man Bürger nicht von leidiger Bürokratie. So schafft man keine neuen Freiräume für Unternehmen. So bringt man Deutschland nicht voran.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Nächster hat das Wort für die FDP-Fraktion Dr. Thorsten Lieb.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611369
Wahlperiode 20
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Bürokratieentlastungsgesetz
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