17.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 170 / Zusatzpunkt 12

Sören PellmannDIE LINKE - Bürokratieentlastungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bürokratieabbau ist seit Jahren in aller Munde und ein Dauerversprechen aller Bundesregierungen; aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Seit 2011 haben sich die Bürokratiekosten kaum verändert und liegen jährlich bei 65 Milliarden Euro. Die Bürgerinnen und Bürger sind zu Recht genervt. Von 580 Behördendienstleistungen können Bürgerinnen und Bürger bundesweit nur 81 komplett online in Anspruch nehmen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke])

Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland auf Rang 21, also auf einem der hintersten Plätze.

Nun liegt das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz vor, vollmundig als „Konjunkturpaket zum Nulltarif“ angepriesen. Doch dieses Gesetz ist ein Wohlfühlgesetz, welches niemandem wehtut.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesetze sollen nicht wehtun, sondern guttun!)

Es senkt keine Kosten und ändert keine Strukturen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürokratie ist nicht per se schlecht. Sie ermöglicht Leistung und Effizienz; sie ist notwendig und funktional, um einen Rechtsstaat zu gewährleisten, Gleichbehandlung zu ermöglichen und vor politischer Willkür zu schützen.

(Beifall bei der Linken)

Doch es gibt leider viel zu oft den realen Bürokratieirrsinn. Wenn Sie zum Beispiel ein Wohnhaus mit Kita und Büro bauen möchten, dann sollten Sie besser auf Treppen verzichten und es ebenerdig bauen; denn leider widersprechen sich hier die Vorgaben von Treppenhandlaufhöhen und Geländerstäbeabständen in unlösbarer Weise.

Es gibt unglaubliche 3 500 Baunormen und knapp 20 000 Bauvorschriften. Von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines einzigen Windrades dauert es circa fünf bis sieben Jahre, zehn Jahre vom Bauantrag bis zum Baubeginn bei Mietshäusern. Sie werden mir beipflichten: So kann man weder die furchtbare Wohnungsnot beseitigen noch die Klimakatastrophe abwenden.

(Beifall bei der Linken)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus gibt es Bereiche, in denen Bürokratie nur als Gängelung empfunden werden kann. Das betrifft den kompletten Bereich des Sozialrechts. Wer in diesem Land auf Sozialleistungen angewiesen ist, der ist in Vollzeit damit beschäftigt. Und damit meine ich nicht alleine die Anträge auf Sozialleistungen. Ein Beispiel: Eltern schwerbehinderter Kinder müssen jedes Jahr aufs Neue nachweisen, dass sie auf ein Auto und damit auf einen Sonderparkausweis angewiesen sind. Das ist echter Bürokratiewahnsinn, dem Einhalt geboten werden muss.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Katja Mast [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindest Teilen dieser Koalition geht es aber überhaupt nicht um solche Dinge; für die ist Bürokratieabbau ein Vorwand dafür, ihre eigene Klientelpolitik zu betreiben.

Die FDP beispielsweise hat sich auf die Lieferkettenrichtlinie der Europäischen Union eingeschossen.

(Dr. Thorsten Lieb [FDP]: Zu Recht!)

Diese Richtlinie soll sicherstellen, dass bei der Produktion von Importwaren menschen- und umweltrechtliche Standards eingehalten werden. Das muss durchgesetzt werden.

(Christoph Meyer [FDP]: Nee! Das muss verhindert werden!)

Das muss nachgewiesen werden, und dafür brauchen wir eine gut funktionierende Bürokratie.

Die Frage ist am Ende wie immer: Wem nutzt es?

(Christoph Meyer [FDP]: Ja! – Zuruf des Abg. Dr. Thorsten Lieb [FDP])

Das wird für uns auch ganz klar der Maßstab für die weiteren Beratungen sein – letzter Satz, Frau Präsidentin. Auf dass es in unserem Land eines Tages auch mehrstöckige Wohnhäuser mit Kitas und Büros geben kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)

Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stefan Schmidt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611376
Wahlperiode 20
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Bürokratieentlastungsgesetz
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