Zanda MartensSPD - Bürokratieentlastungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Wie viele leerstehende Ladenlokale haben Sie beim letzten Spaziergang durch die Innenstadt gezählt? Wie oft ist es Ihnen passiert, dass der geliebte kleine Laden in der Innenstadt plötzlich verschwunden war und dort stattdessen eine große Kette eingezogen ist? Tote oder wenig einladende Innenstädte sind mehr als nur ein versagender Wirtschaftsfaktor, sie zeigen fehlende Lebensqualität.
Gerade der stationäre Einzelhandel sorgt gemeinsam mit Cafés, kleinen Nachbarschaftstreffs und sozialen Einrichtungen für lebendige Innenstädte – Lebendigkeit, die wir nicht missen möchten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Deswegen haben Sie die Umsatzsteuer in der Gastronomie wieder erhöht!)
Die Entwicklung geht jedoch in die andere Richtung: Unser Konsumverhalten hat sich dramatisch verändert. Wir kaufen immer öfter online ein und machen es uns zu Hause bequem.
Parallel sind die Gewerbemieten jedoch explodiert und können, außer vielleicht noch von den großen Ketten, von keinem mehr erwirtschaftet und bezahlt werden. Das stellt kleine Betriebe vor gewaltige Herausforderungen. Deshalb brauchen wir einen klaren, einheitlichen und sozialen Rahmen für das Gewerbemietrecht – ein soziales Gewerbemietrecht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insbesondere in der jetzigen Situation angespannter Mietmärkte brauchen wir spezielle mietrechtliche Schutzmaßnahmen auch für schutzbedürftige und -würdige Gewerbebetreibende; denn die Mietenkrise beschränkt sich nicht nur auf den Wohnbereich.
Neben den hohen Mieten ist auch eine Vorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch verantwortlich für den Austausch von Kleingewerbe durch große Ketten. Das extrem strenge Schriftformerfordernis für Gewerbemietverträge plagt insbesondere kleinere Gewerbetreibende und schadet unserem Wirtschaftsstandort. Derzeit muss nämlich nicht nur der ursprüngliche Mietvertrag in Schriftform abgeschlossen sein, also mit Originalunterschriften, sondern auch jede noch so kleine, aber vertragswesentliche spätere Änderung. Darunter fallen selbst kleinste Vereinbarungen zu Umbaumaßnahmen, da solche ja den Vertragsgegenstand betreffen. Wer als Gewerbetreibender also eine Steckdose verlegen möchte, darf dies korrekterweise nicht per SMS oder Anruf mit seinem Vermieter klären, sondern beide müssen dafür eine zusätzliche Vereinbarung unterschreiben.
Ein Schriftformmangel liegt auch dann vor, wenn eine Anlage zum Vertrag – etwa der Bauplan, in dem vermietete Räume und der Keller eingezeichnet sind – mit einer Büroklammer angeheftet wird. Notwendig ist eine feste körperliche Verbindung, etwa durch Tackern. Man kann darüber lachen, aber diese Fälle zeigen: Wir müssen dringend etwas tun; denn das ist nicht mehr zeitgemäß und stellt viele Betriebe vor unrealistische Anforderungen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Konsequenzen, wenn man eine solche Vereinbarung doch per SMS oder Anruf trifft, sind verheerend und den allermeisten Gewerbebetreibenden gar nicht bewusst: Ein für eine bestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag, der eigentlich bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht kündbar ist, wird zum unbefristeten Mietvertrag, der plötzlich mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden darf. – Mittlerweile werden deshalb reihenweise Anwälte beauftragt, um ebensolche Schriftformmängel zu suchen und zu finden, damit die Vermieter sich aus bestehenden billigen Verträgen lösen oder Neuverhandlungen – dann natürlich über die Frage der Miethöhe – erzwingen können.
An dieser Stelle kommt das Bürokratieentlastungsgesetz ins Spiel, das sich genau dieser Thematik annehmen möchte. Die im Gesetzentwurf gewählte Lösung, die Schriftform pauschal und für alle durch einfache Textform zu ersetzen, ist vielleicht die einfachste, jedoch nicht unbedingt die beste. Dass Verträge in Schriftform geschlossen werden müssen, hat schon seine Berechtigung; denn schließlich erfüllt die Schriftform immer auch eine wichtige Warnfunktion und ermöglicht insbesondere einem Erwerber einen direkten Überblick über bestehende Vereinbarungen. Die Entwicklung zeigt jedoch, dass das Schriftformerfordernis heute in erster Linie für vorzeitige Kündigungen unliebsamer Verträge missbraucht wird und den Gepflogenheiten in einer digitalen Welt nicht entspricht.
Wir werden die Zeit nutzen, die das Bürokratieentlastungsgesetz hier im Bundestag verbringen wird, und nach einer Lösung suchen, die rechtssicher und zeitgemäß ist, damit sich künftig keiner mehr um die Zukunft seines Geschäfts sorgen muss, wenn er im Jahr 2024 kleine Verabredungen mit seinem Vermieter per SMS trifft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611379 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Bürokratieentlastungsgesetz |